Lexikon der Geowissenschaften: Methodologie der Kartographie
Methodologie der Kartographie, Theorie der kartographischen Methoden und Verfahren; Teilgebiet des Bereichs wissenschaftstheoretische Grundlagen der Kartographie. Die Methodologie ist für sog. Angewandte Wissenschaften ein wichtiger Erkenntnisbereich, der sich im Fall der Kartographie u.a. mit der Abgrenzung ihrer unterschiedlichen Methoden- und Verfahrensansätze bzw. den daraus resultierenden Beziehungen zwischen Theorieentwicklung, Modellbildung, Daten- und Kartenmodellierung sowie System- und Verfahrensentwicklung und -anwendung befaßt. Die Entwicklung kartographischer Methoden ist, ähnlich wie bei der allgemeinen kartographischen Theorie- und Modellentwicklung, vom wechselnden Stellenwert der Karten im gesellschaftlichen Kontext sowie von der fachlichen Einbindung der Kartographie in andere Wissensgebiete beeinflußt worden. Vergleichbar mit anderen Wissenschaftsdisziplinen, wie etwa der Biologie, Geologie und Geographie, wurden in der modernen Kartographie zu Beginn ihrer Entwicklung als eigenständiges Wissensgebiet neben der Unterscheidung von handwerklichen und künstlerischen Fertigkeiten vor allem vergleichende Kartensystematiken mittels deskriptiver Methoden erstellt (Kartensystematik). Erst durch die Ausrichtung der deskriptiven Methoden auf die vergleichend-analytischen und formalisierenden Methoden vor allem der Semiotik und Kybernetik bzw. Informatik konnte sich ein zentraler kartographischer Theorie- und Methodenbereich entwickeln.
Die Theorie- und Modellbildung in der Kartographie erfolgt aus dem Gesamtzusammenhang von raumbezogenen Daten und deren fachlichen Bedeutungen, von graphischen Zeichen und deren visuellen Wirkungen sowie von Informationen und deren wissensbildender Funktionen im Kontext kommunikativer und handlungsorientierter Prozeßbedingungen. Die zu entwickelnden Modelle sind einerseits offen für die theoretische und empirische Erkenntnisbildung, so daß die dort erarbeiteten Erkenntnisse, z.B. in Form von Regeln, in die Modellbildung einfließen können. Andererseits sind sie auf die technologischen Methoden und Verfahren der kartographischen System- und Verfahrensentwicklung ausgerichtet und lassen sich dadurch für konkrete Modellierungsvorgänge im Rahmen der Kartenherstellung und -nutzung einsetzen. Im Bereich theoretischer und empirischer Erkenntnisbildung lassen sich in methodischer Hinsicht folgende kartographische Aufgabengebiete unterscheiden: a) Untersuchungen zur georäumlichen Verebnung und Georeferenzierung mit Hilfe mathematisch/geometrischer Methoden, b) klassenlogische Datensystematisierung und logische Datenstrukturierung mit Hilfe fachwissenschaftlich-formallogischer Methoden, c) Strukturierung von Zeichenrepertoires und semantischen Abbildungsreferenzen mit Hilfe semiotisch-graphischer Methoden, d) Analyse von informationsverarbeitenden, kommunikativen und wissensbildenden Prozessen im gesellschaftlichen Kontext mit Hilfe empirischer und sozialwissenschaftlicher Methoden sowie e) Untersuchung von tätigkeits- und handlungsorientierten Organisationsformen der kartographischen Informationsverarbeitung mit betriebswirtschaftlichen Methoden.
Insgesamt zeichnet sich die Theorie-, Modell- und Verfahrensentwicklung dadurch aus, daß der Großteil kartographischer Erkenntnisse unmittelbar für die Systementwicklung im Bereich Kartographische Informatik oder Geoinformatik genutzt werden kann. Die Situation in der Empirischen Kartographie ist dagegen noch relativ ambivalent, da einerseits in wissenschaftstheoretischer Hinsicht eine einheitliche Erkenntnisgrundlage für die systematische Anwendung von empirischen Methoden geschaffen werden soll und andererseits die gewonnenen empirischen Erkenntnisse möglichst unmittelbar in operationalisierbarer Form zur Verfügung gestellt werden sollten. [JB]
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