Lexikon der Geowissenschaften: Mineralwachstum
Mineralwachstum, in der Natur ohne Zutun des Menschen ablaufender physikalisch-chemischer Prozeß. Die meisten Minerale bilden sich durch Kristallisation aus wäßrigen Lösungen oder in Anwesenheit von Wasser. Eine Entstehung aus wasserfreien Schmelzen ist äußerst selten und unter irdischen Verhältnissen praktisch nicht möglich. Vielfach entstehen Minerale auch durch die Entwässerung kolloidaler Lösungen über einen Gelzustand, durch Umkristallisation fester Stoffe oder auch aus Gasgemischen. Die Kristallwachstumsvorgänge selbst verlaufen völlig analog, gleichgültig, ob sie sich in übersättigten Dämpfen, unterkühlten Schmelzen oder in übersättigten Lösungen abspielen. Kristallwachstumserscheinungen, die zu Skelettformen oder Dendriten führen, nehmen bei der Mineralbildung einen breiten Raum ein. Eine Besonderheit im Kristallwachstum stellen auch die Pseudomorphosendar, bei denen es sich um eine besondere Art der Auflösung der Kristalle handelt. Dabei wird die ursprüngliche Substanz durch eine andere ersetzt, wobei die äußere Gestalt des zuerst vorhandenen Kristalls erhalten bleibt. So wird z.B. Baryt durch veränderte Druck- und Temperaturbedingungen in NaCl-haltigen Lösungen (Wässern) aufgelöst, wobei sich anstelle des weggeführten BaSO4 gleichzeitig SiO2 in Form von Quarz aus den Lösungen abscheidet. Die äußere Form der Barytkristalle bleibt dabei erhalten, und man bezeichnet dies als Pseudomorphose von Quarz nach Schwerspat. Sogenannte versteinerte Steinsalzkristalle sind ein weiteres Beispiel einer Pseudomorphose. Das in Wasser leicht lösliche NaCl der ursprünglich vorhandenen Kristalle wird weggeführt, und Sand oder Ton bleibt in den entstandenen Hohlräumen zurück. Im Laufe der Zeit verwittert das umgebende weichere Sedimentmaterial, während die härteren Pseudomorphosen von Sandstein oder Tonschiefer nach Steinsalz erhalten bleiben.
Analoge Vorgänge, bei denen jedoch keine stoffliche Veränderung stattfindet, bezeichnet man auch als Paramorphosen. Hier findet die Umwandlung durch Änderung von Druck und/oder Temperatur statt, und eine entsprechende Tieftemperaturform liegt dann oft in der Gestalt der Hochtemperaturmodifikation vor. Paramorphosen spielen eine bedeutende Rolle als geologische Thermometer oder Barometer. So bildet sich beim Abkühlen von Hochquarz unter 573ºC der trigonale Tiefquarz, der jedoch in der äußeren hexagonalen Form des Hochquarzes erhalten bleiben kann. Findet man daher in Gesteinen Quarze mit den Merkmalen der hexagonalen Symmetrie des Hochquarzes, dann läßt sich darausschließen, daß bei der Bildung die Temperatur des Gesteins höher als 573ºC gelegen haben muß. Weit verbreitet ist die Erscheinung, daß Hydrogele durch Koagulation mit der Zeit altern. Durch Dehydratisierungsvorgänge bilden sich z.B. aus der Kieselsäure die Opale. Bei stärkerer Dehydratisierung entstehen Schrumpfungserscheinungen, durch Kristallisation kann das Wasser völlig abgegeben werden, es entstehen auf diese Weise z.B. die Hornsteine (Chert). Vielfach zeigen solche eingetrockneten Gele auch ein kugelig, traubig oder nierenförmiges Aussehen. Durch Kristallisation bilden sich später auch kryptokristalline Aggregate, die auch als Metakolloide (Kolloide) bezeichnet werden. Die ursprünglich knollige Form wird dabei beibehalten und die Oberfläche erhält häufig ein glänzendes Aussehen, weshalb solche Mineralaggregate auch als Glaskopfbildungenbezeichnet werden. So unterscheidet man einen Schwarzen Glaskopf, der aus Hartmanganerz besteht, Braunen Glaskopf aus Brauneisen, Roten Glaskopf aus Hämatit und Grünen Glaskopf aus Malachit. Durch die Bildung zahlreicher Keime entstanden dabei viele kleine Kristalle, die eine idiomorphe Entwicklung eines Einzelkristalls nicht zuließen. Sie berühren sich beim Wachstum und begrenzen sich schließlich durch unregelmäßige Berührungsflächen, was als xenomorphe Formentwicklung bezeichnet wird. Dabei bilden sich ebenfalls kristalline Aggregate, die sehr aufschlußreich hinsichtlich der Entstehungsgeschichte der Mineralbildungen sein können.
Am verbreitetsten sind körnige Aggregate,wie sie bei zahlreichen vollkristallinen magmatischen Gesteinen vorliegen. Je nach Größe unterscheidet man grobkörnige, mittelkörnige und feinkörnige Aggregate, was man in Kombination mit Korngrößenverteilung und Kornform auch als Struktur bezeichnet, während die räumliche Anordnung der Körner, die lagenförmig oder auch richtungslos sein kann, als Texturbezeichnet wird. Beide Eigenschaften zusammen werden unter dem Überbegriff Gefüge zusammengefaßt. Das Gefüge ist bei den Gesteinen von großem Interesse, besonders was ihre technische Verwertbarkeit anbetrifft. Das Gefüge monomineralischer Aggregate, z.B. bei Marmor oder bei den Metallen ist von großer Bedeutung für die physikalischen Eigenschaften, für das mechanische, thermische und elektrische Verhalten des betreffenden Mineralaggregates. Kristallbildungen, die sich frei in Hohlräumen der Gesteine entwickeln konnten, bezeichnet man auch als Drusen. Viele gut ausgebildete Kristallstufen, z.B. Bergkristalle, wachsen in solchen Drusenhohlräumen. Findet ein Absatz der Mineralsubstanz in Hohlräumen durch eine unregelmäßige Ausfüllung mit kristallinen oder kolloidalem Material statt, häufig auch in Form konzentrischer Schichten, die sich in Farbe und Zusammensetzung ändern können, bezeichnet man dies als Sekretionen. Typische Beispiele sind die Achatbildungen in Mandelnoder Geoden.
Konkretionensind Mineralanreicherungen, die sich u.a. in Sedimenten durch nachträgliche diagenetische Konzentrationswanderungen gebildet haben. Konkretionen, die Schwundrisse aufweisen und ihrerseits wieder mit verschiedenen Mineralen aufgefüllt sein können, werden auch als Septarien bezeichnet. Viele Konkretionen stellen eine örtliche Mineralauffüllung des freien Porenraumes dar, wie z.B. die Kalk-, Toneisenstein- oder Lyditkonkretionen. Konkretionen, die auf eine metasomatische Verdrängung (Metasomatose) des umgebenden Gesteins zurückzuführen sind, bestehen oft aus Feuerstein oder Phosphorit, und schließlich können Konkretionen auch durch ein wachsendes Kristallaggregat gebildet werden, das das umgebende Gestein durch den Kristallisationsdruck mechanisch verdrängt und zum Teil auch eingeschlossen hat. Zu dieser Kategorie zählen Faserkalke, Fasergipse, Tutenmergel, Calcit-, Markasit-, Gips- und Barytkonkretionen. Bei den Prozessen der Biomineralisation (Biomineralogie) spielen Konkretionen eine große Rolle. Hier sind es vor allem pathogene Bildungen wie Nieren-, Gallen-, Blasen- und Kieferhöhlensteine. Ähnlich den Konkretionen in der Form sind die konzentrisch schaligen Oolithe und Pisolithe,die auf eine Bildung in Wasser und auf eine ständige Bewegung während des Wachstums hindeuten. Sie erreichen Größen von wenigen Bruchteilen von Millimetern bis zu 2 cm und weisen eine regelmäßig konzentrische Schichtung sowie einen meist schalenförmigen Bau auf. Ähnliche Bildungen, die aber keine konzentrischen Schichten haben, bezeichnet man auch als Bohnerze. Sedimentgesteine aus Ooiden, die durch ein Bindemittel verkittet sind, heißen auch Erbsensteine oder Rogensteine. Vielfach ist bei faserigen Aggregaten die Faserachse einer bevorzugten kristallographischen Richtung zugeordnet. Beispiele sind Asbest, Fasergips und Chalcedon. Solche von einem Aggregationskern aus radial gewachsenen, strahlig bis kugeligen Aggregationsformen werden auch Sphärolithe genannt.Typisch sphärolithische Formen bilden die Zeolithe, Limonit, Malachit, Wavellit und Antimonit. [GST]
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