Lexikon der Geowissenschaften: Polarisationsmikroskopie
Polarisationsmikroskopie, zu den wichtigsten Untersuchungsverfahren in der Mineralogie zählende Methode, die zur Bestimmung der optischen Eigenschaften der Kristalle polarisiertes Licht verwendet. Die zu diesem Zweck verwendeten Polarisationsmikroskope haben dabei nicht nur die Aufgabe, das Objekt zu vergrößern, sondern besitzen in erster Linie die Funktion von Meßinstrumenten. Gemessen werden dabei fast ausschließlich vektorielle Größen wie Lichtbrechung, Reflexion, Absorption, Pleochroismus, Zirkularpolarisation u.a. Da die optischen Eigenschaften der Kristalle in einem engen Zusammenhang mit ihrem strukturellen Aufbau stehen, lassen sich aus polarisationsoptischen Messungen kristallographische Zuordnungen ableiten. Durch besondere technische Zusatzeinrichtungen an dem Meßinstrument Polarisationsmikroskop können nahezu alle kristalloptischen Daten, insbesondere auch an mikroskopisch kleinen Kristallen, bestimmt werden. Dazu gehören z.B. Lichtbrechung, Doppelbrechung, Charakter der Doppelbrechung, Dispersion, Auslöschungsschiefe und natürlich auch geometrische Beobachtungen wie Umriß, Spaltbarkeit, Tracht, Habitus usw. In vielen Fällen ersetzt die polarisationsmikroskopische Untersuchung teure und zeitraubende chemische Analysen, ganz abgesehen von dem Vorteil, daß es sich um eine meist direkte und zerstörungsfreie Methode handelt.
Feinkörnige Substanzen werden zur optischen Untersuchung auf Glasobjektträgern in Flüssigkeiten bekannter Brechungsquotienten eingebettet (Einbettungsmethoden). Meist werden jedoch aus Kristallen, Mineralen, Gesteinen oder technischen Produkten Dünnschliffe hergestellt, welche eine Dicke von 20 bis 30 μm besitzen. Opake Kristalle, Erzminerale, Metalle und Legierungen werden als polierte Anschliffe im reflektierten Licht mit besonderen Methoden der Erzmikroskopie untersucht. Längenmessungen zur Ermittlung der Dimensionen einzelner Mineralkörner erfolgen mit Hilfe eines Mikrometerokulars,dessen Skala für jedes Objektiv mit einem Objektmikrometer geeicht wird. Das Objekt kann dabei mit einem auf den Objekttisch aufgesetzten Kreuztisch um kleinste Beträge verschoben werden. Mit sogenannten Integrationseinrichtungen auf dem Objekttisch (Integrationstisch) oder im Okular (Integrationsokular) läßt sich auf diese Weise über die Längenmessungen an den verschiedenen Kristallarten der volumenmäßige Anteil an der Zusammensetzung eines kristallisierten Produktes ermitteln.
Heute lassen sich viele integrationsoptische Messungen durch automatische Geräte zur Bildanalyse, sogenannte Klassimaten, Intergramaten oder Quantimaten, durchführen. So können an Gesteinsdünnschliffen und an Erzanschliffen die Mineralphasen quantitativ bestimmt werden. Automatische quantitative Phasenanalysen über integrierende Bildanalysengeräte werden vielfach in der Industrie zu Qualitätskontrollen und zur raschen Bestimmung der Mineralzusammensetzung eingesetzt. In der Stahlindustrie dienen sie z.B. zur Bestimmung von Ferrit und Perlit-Anteilen, in der Zementindustrie zur Kontrolle der Zementklinker, in der Hüttenindustrie zur Ermittlung des Porenraumes in Erzen und Schlacken usw. Durch die Kopplung von Polarisations- und Kathodolumineszenzmikroskopie (Kathodenlumineszenz) mit der Bildanalyse ist es möglich, eine komplette qualitative und quantitative Phasenanalyse an einer Präparationsart, dem polierten Dünnschliff, durchzuführen. Auf diese Art können bis auf wenige Ausnahmen sämtliche gesteinsbildenden Minerale analysiert werden. Korngrößenanalysen und damit im Zusammenhang stehend auch Rundungs- und Sphärizitätsuntersuchungen sind an Sedimentiten, Magmatiten und Metamorphiten ebenfalls mittels der Bildanalyse möglich. Für die Diagnostizierung von unbekannten Substanzen stellen deren Brechungsquotienten, die teilweise auch Brechzahlen oder Brechungsindizes genannt werden, charakteristische und rasch zu ermittelnde Größen dar. Grundsätzlich werden die Brechungsquotienten mit monochromatischem Licht bestimmt und die betreffende Wellenlänge angegeben. Außer von der Wellenlänge hängt die Lichtbrechung auch noch von der Temperatur ab, so daß zur Angabe der Wellenlänge noch die der Temperatur gehört.
In Kristallen sämtlicher Klassen, mit Ausnahme der kubischen, die sich optisch isotrop verhalten, wird das Licht doppelt gebrochen, d.h. ein Lichtstrahl wird bei seinem Weg durch den Kristall in zwei Strahlen zerlegt, wobei der eine sich wie in einem isotropen Medium verhält und dem Snelliusschen Brechungsgesetz folgt; er wird daher als ordentlicher Strahl o bezeichnet. Der zweite Strahl verhält sich dagegen ungewöhnlich, denn er erfährt auch bei senkrechtem Einfall eine Ablenkung gegenüber dem ordentlichen Strahl und wird darum als außerordentlicher oder als extraordinärer Strahl e bezeichnet. Die Stärke der Doppelbrechung eines Kristalls berechnet sich aus der Differenz der Brechungsquotienten von ne und no und stellt für jeden anisotropen Kristall eine charakteristische Größe dar. Beim Calcit beträgt die Doppelbrechung für Natriumlicht -0,1722, während sie beim Quarz rund zwanzigmal schwächer ist und den Wert +0,0091 hat. Die in der Mineralogie häufig durchgeführten Einbettungsmethoden haben den Vorteil, daß auch an mikroskopisch kleinen Kriställchen verhältnismäßig rasch und bequem brauchbare Werte gewonnen werden. Bringt man unter dem Polarisationsmikroskop einen durchsichtigen Kristall oder ein Kristallbruchstück in eine Flüssigkeit mit demselben Brechungsquotienten, dann verschwinden die Umrisse des Kristalls. Durch Variieren verschieden hoch lichtbrechender Flüssigkeiten läßt sich dies in monochromatischem Licht mit sehr großer Annäherung erreichen. Die Brechungsquotienten der Flüssigkeiten werden dabei mit einem Refraktometerbestimmt. Unterscheiden sich Kristall und Flüssigkeit in ihren Brechungsquotienten, dann treten an ihren Grenzflächen helle Linien auf, die nach ihrem Entdecker als Beckesche Linien bezeichnet werden. Beim Senken des Mikroskoptisches wandern diese Linien in das höher brechende Medium hinein, während sie sich beim Heben des Tisches zum niedriger brechenden Medium hin bewegen. In Gesteinsdünnschliffen, wo viele verschiedene Mineralkörner nebeneinander liegen können, sind die Beckeschen Lichtlinien ein bequemes Hilfsmittel zur größenordnungsmäßigen Bestimmung der Brechungsquotienten nebeneinanderliegender Minerale. Zweckmäßigerweise stellt man sich für die Einbettungsmethode Mischungen aus verschiedenen Immersionsflüssigkeitenher, deren Brechungsquotienten bekannt sind. Da die Lichtbrechung von Flüssigkeiten im Gegensatz zu der von Festkörpern sehr stark temperaturabhängig ist, kann man durch Messungen bei verschiedenen Temperaturen die Genauigkeit der Einbettungsmethode erheblich steigern. Die Durchführung von Messungen nach der Temperatur-Variationsmethode erfolgt unter Verwendung eines Mikroskopheiztisches. Ein sehr elegantes immersionsoptisches Verfahren ist die λ-Variationsmethode,bei der man sich der unterschiedlichen Dispersion zwischen Flüssigkeit und Kristall bedient. Immersionsmedium ist eine Flüssigkeit mit hoher Dispersion. Die steile Dispersionskurve schneidet die meist flachere Dispersionskurve des Objekts bei einer bestimmten Wellenlänge. Verändert man die Wellenlänge mit Hilfe eines Monochromators oder durch ein Interferenzverlaufsfilter,dann wird das Objekt bei dieser Wellenlänge unsichtbar. Wie bei allen Einbettungsverfahren müssen die Brechungsindizes der Immersionsflüssigkeit refraktometrisch ermittelt werden. Diese Bestimmungen erfolgen mit dem Abbé-Refraktometer, das nach der Totalreflexionsmethode arbeitet, oder mit dem Mikrorefraktometer nach Jelly,bei dem der Brechungsindex aus der Ablenkung eines Lichtstrahls durch ein kleines Hohlprisma abgelesen werden kann (Prismenmethode).
Ein Gerät, das in direkter Verbindung mit dem Polarisationsmikroskop verwendet wird, ist das Mikroskoprefraktometer,mit dem die Brechzahlen sehr kleiner Flüssigkeitsmengen bis zur 3. Dezimale genau bestimmt werden können. Für phasenanalytische Untersuchungen ist die Bestimmung des betreffenden Kristallsystems eine wichtige Voraussetzung. Mit Hilfe von Interferenzbildern bei konoskopischer Betrachtungsweise (Interferenzbilder, Konoskopie) läßt sich die Polarisationsmikroskopie sowohl an Gesteinsdünnschliffen als auch an Streu- oder Körnerpräparaten durchführen. Fällt Licht in Richtung der c-Achse durch eine planparallel geschliffene Calcit-Platte, dann verhält sich der Kristall in dieser Richtung isotrop, d.h. es tritt in dieser speziellen Richtung keine Doppelbrechung auf. Man bezeichnet daher bei trigonalen, hexagonalen und tetragonalen Kristallen die Richtung der c-Achse als Achse der Isotropie oder als optische Achse. Da in diesen drei Kristallsystemen nur eine einzige optische Achse vorhanden ist, heißen sie auch optisch einachsig. Die Differenz der Brechungsquotienten ist am größten bei achsenparallelen Schnitten durch ein gedachtes Rotationsellipsoid (Indikatrix), bei dem die Rotationsachse durch die optische Achse gebildet wird. Solche Schnitte zeichnen sich durch maximale Doppelbrechung aus, heißen Hauptschnitte und weisen stets die größte Doppelbrechung auf. In allen anderen Schnittmöglichkeiten variiert ne als ne' zwischen den Werten ne und no, während no stets denselben Wert hat. Je nachdem, ob die Differenz ne-no positiv oder negativ ist, unterscheidet man einen optisch positiven und optisch negativen Charakter der Doppelbrechung.
Für rhombische, monokline und trikline Kristalle ist die Indikatrix ein dreiachsiges Ellipsoid, deren Halbachsen die drei Hauptbrechungsquotienten nα, nβ und nγ darstellen. Im Gegensatz zu den optisch einachsigen Kristallen mit den Hauptbrechungsquotienten no und ne unterscheidet man bei optisch zweiachsigen Kristallen drei Hauptbrechungsquotienten. nα ist stets der kleinste, nβ der mittlere und nγ größte Brechungsquotient. In zwei speziellen Schnittlagen ergeben sich Kreisschnitte mit dem Radius nβ. In Richtung der Kreisschnittnormalen, die hier als optische Achsenbezeichnet werden, tritt keine Doppelbrechung auf, so daß es sich also auch hier um Achsen der Isotropie handelt. Die optischen Achsen der Indikatrix zweiachsiger Kristalle schließen den Winkel 2V ein, der als Achsenwinkel bezeichnet wird. Die Winkelhalbierende des spitzen Winkels der optischen Achsen heißt spitze Bisektrix oder 1. Mittellinie I.M., während die des stumpfen Winkels als stumpfe Bisektrix oder 2. Mittellinie II.M. bezeichnet wird. Auch bei optisch zweiachsigen Kristallen unterscheidet man einen optisch positiven und optisch negativen Charakter der Doppelbrechung. Ein zusammenfassender Überblick über die Zuordnung der Kristallsysteme zu den kristalloptischen Bezugssystemen ergibt sich aus der Tabelle. [GST]
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