Lexikon der Geowissenschaften: Pollenanalyse
Pollenanalyse, angewandter Zweig der Palynologie, der vor allem Häufigkeitsverteilungen des Pollenniederschlags (Pollen, Sporae dispersae) für biologische, geowissenschaftliche, kriminologische, lebensmittelkundliche und medizinische Fragestellungen auswertet. Das Gros des jährlich produzierten Blütenstaubs gelangt nicht zur Pollination, sondern wird während oder nach mehr oder weniger weitem Transport biologisch oder durch Photooxidation komplett abgebaut. Nur die widerstandsfähigere Exine (Pollen) hat dann Chancen fossilisiert zu werden, wenn sie unter reduzierenden Bedingungen im Sediment eingebettet wird. In den Geowissenschaften erlaubt die statistische Auswertung dieses in Sedimenten konservierten Spektrums fossilisierter Pollenkorn-Exinen, die taxonomisch einer Mutterpflanze zugeordnet werden können, die Rekonstruktion der Pflanzengemeinschaft und deren Entwicklung in Raum und Zeit. Aus dieser Vegetationsgeschichte wird eine lokale bis regionale Ökostratigraphie erarbeitet und die Klimaentwicklung abgeleitet. Vor allem für das Postglazial (Holozän) hat die bislang weltweit detaillierteste Pollenanalyse zu entsprechenden Aussagen mit sehr hoher stratigraphischer Auflösung geführt (relative Altersbestimmung). I.w.S. dient eine nur qualitative Erfassung der stratigraphischen Verteilung charakteristischer Pollen zur biostratigraphischen Datierung. Wegen ihrer Verbreitung durch den Wind, durch Wasser und Tiere gelangen Pollen faziesbrechend in die unterschiedlichsten Sedimentationsräume. Pollen können deshalb zur intrakontinentalen Korrelation terrestrischer und limnisch-fluviatiler Ablagerungen untereinander, aber auch zur Korrelation kontinentaler Sedimente mit (rand-) marinen Sedimenten sehr wesentlich beitragen. Diese früher auf die Analyse von Pollenspektren ausgerichtete Anwendung gilt inzwischen gleichermaßen für die Untersuchung der fossilen Sporen.
Die Pollenanalyse ist eine Labormethode. Bei geeigneten Umgebungsbedingungen sind Pollen sehr lange erhaltungsfähig und werden nach chemischer Behandlung und ihrer Separation durch Flotation mikroskopisch nach ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten Taxa ausgezählt und deren prozentualer Anteil in einem sog. Pollendiagramm dargestellt (Prozent-Pollenanalyse). Dieses zeigt die Veränderungen in den Anteilen einzelner Taxa sowie von charakteristischen Pflanzengruppen wie Bäumen, Kräutern, Wasserpflanzen u.a. über die Zeit. Nach Zugabe einer definierten Menge eines nicht in der Probe enthaltenen Pollentyps kann eine absolute Pollenanalyse die Menge der Pollen und Sporen pro Sedimentvolumen (Konzentration) oder bei Vorliegen von Altersbestimmungen pro Fläche und Zeiteinheit (Influx) angeben.
Die Pollenanalyse setzt voraus, daß das Pollenspektrum einer Probe die Vegetation des einstigen Standortes repräsentiert, doch sind einige einschränkende Faktoren zu berücksichtigen. So ist bestäubungsökologisch bedingt die Pollenproduktion der Arten unterschiedlich, wie auch die Blühhäufigkeit nicht konstant ist. Je nach Artenzusammensetzung, den Wetterbedingungen und der Topographie des Standortes ist der Pollentransport unterschiedlich, wobei die lokalen, regionalen und die Fernkomponenten zu unterscheiden sind ( Abb.). Deren Anteile sind dabei auch von der Ausdehnung des Einbettungsstandortes abhängig (See, Moor etc.), wobei in aquatischem Milieu ein Zusammenschwemmen möglich ist. Die Erhaltung der Pollen und Sporen ist ferner vom biologischen und chemischen Abbau abhängig. Durch den Vergleich rezenter Florenassoziationen mit den Aussagen von Pollenanlysen kann besonders im Pleistozän eine Rekonstruktion des Paläoklimas erfolgen, wobei beispielsweise ein rezenter borealer Nadelwald (kühlklimatisch) mit den Gattungen Pinus (Kiefer), Picea (Fichte) und Betula (Birke) oder ein temperater, sommergrüner Laubwald (warmklimatisch) mit Quercus (Eiche), Fagus (Buche), Carpinus (Hainbuche) und Corylus (Hasel) als Analoga herangezogen werden. Durch charakteristische Florensukzessionen und -assoziationen, die die regionale Wiederbewaldung widerspiegeln, können einzelne Interglaziale des Pleistozäns von Mitteleuropa charakterisiert und damit eine stratigraphische Aussage getroffen werden. Generell zeichnet sich die europäische Flora durch eine zunehmende Verarmung aufgrund einer schrittweisen Südwanderung der Besiedlungsareale seit dem ausgehenden Tertiär aus. [RB,RBH]
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