Lexikon der Geowissenschaften: Sequenzstratigraphie
Sequenzstratigraphie, die Sequenzstratigraphie unterteilt eine sedimentäre Schichtenfolge in Einheiten, die durch Diskordanzen und/oder andere zeitrelevante Flächen begrenzt sind, den Sequenzen. Zusammen mit der seismischen Stratigraphie, von der die Sequenzstratigraphie sich ableitet, gehört die Sequenzstratigraphie zur Allostratigraphie. Viele der Begriffe der Sequenzstratigraphie fanden keine Übersetzung ins Deutsche. Daher werden auch im Deutschen die englischen Begriffe eingesetzt.
Der Begriff der Sequenz wurde ursprünglich für kratonale Schichtpakete (Kraton) der USA aufgestellt, die durch Diskordanzen begrenzt sind. Da der Begriff Sequenz in der exogenen Dynamik auch eine gerichtete Entwicklung innerhalb einer sedimentären Schichtenfolge bezeichnen kann, vor allem in der englischsprachigen Literatur, wird mit dem Ausdruck Ablagerungssequenz (engl. depositional sequence) oft der sequenzstratigraphische Bezug deutlich gemacht. Eine Sequenz wird durch Sequenzgrenzen limitiert. Dies sind Flächen, die jüngere von älteren Schichten trennen. Entlang dieser Flächen liegt ein signifikanter Hiatus vor, und sie zeigen Emersion sowie subaerische Erosion an, in manchen Fällen auch eine daran gebundene submarine Erosion. Sequenzgrenzen können in tieferen Beckenbereichen in eine konkordante Schichtfolge (engl. conformity) übergehen. Aus dieser Definition folgt, daß eine Ablagerungssequenz eine durch nichtmarine Erosionsflächen begrenzte sedimentäre Abfolge ist, die während eines Zyklus von fallendem und steigendem Meeresspiegel gebildet wird. Im sequenzstratigraphischen Kontext muß dabei auf den Begriff Meeresspiegel näher eingegangen werden: Der eustatische Meeresspiegel, also der globale Meeresspiegel, wird von einem fixen Punkt aus gemessen, wobei sich der Erdmittelpunkt anbietet ( Abb. 1). Eustatische Meeresspiegelschwankungen werden durch Veränderungen des Volumens der Meeresbecken (z.B. durch Volumenvariationen Mittelozeanischer Rücken) oder durch Fluktuationen des Wasservolumens der Ozeane (z.B. durch Veränderungen des globalen Eisvolumens) ausgelöst. Der relative Meeresspiegel wird zwischen der Meeresoberfläche und einem lokalen, beweglichen Punkt gemessen. Dieser Punkt kann in einem Becken die Grundgebirgsoberfläche oder die Schicht einer sedimentären Abfolge sein. Relative Meeresspiegelschwankungen können daher von Änderungen a) der tektonischen Senkungs- und Hebungsraten des Beckens, b) der Sedimentzufuhrraten, c) des eustatischen Meeresspiegels sowie d) durch Sedimentkompaktion ausgelöst werden. Der relative Meeresspiegel sollte nicht mit der Wassertiefe verwechselt werden, die zwischen der Meeres- und der Sedimentoberfläche gemessen wird. Das Zusammenspiel von Variationen des eustatischen Meeresspiegels und der Subsidenzraten bestimmt in einem Becken den Akkomodationsraum (engl. accomodationspace). Dies ist der Raum, der potentiell mit Sediment verfüllt werden kann. Die Obergrenze des Akkomodationraums wird nicht direkt vom Meeresspiegel, sondern von der Lage der Erosionsbasis (engl. base-level) festgelegt.
Zur Bestimmung von Sequenzen sind die Schichtgeometrien wichtig. Die ursprünglich in der seismischen Stratigraphie beschriebenen Geometrien ( Abb. 2) lassen sich auch in Schichtenfolgen in Festlandsaufschlüssen wiederfinden. Ein onlap ist die Endung einer sanft einfallenden Reflexion/Schicht gegen eine steiler einfallende Fläche. Handelt es sich bei den Onlap-Ablagerungen um küstennahe Sedimente, wird dies als Küstenonlap vermerkt. Im einzelnen beschreibt der Bereich des Küstenonlaps die landwärtige Grenze von Küstenebenenablagerungen oder von paralischen Sedimenten. Bei einem downlap stoßen geneigte Reflexionen/Schichten auf eine unterlagernde, flacher einfallende Fläche. Downlaps finden sich z.B. am distalen, also beckenwärtigen Ende von Clinoformen. Bei einem offlap wandern die Reflexions-/Schichtendungen im oberen Teil eines Reflexions-/Schichtstapels sukzessive beckenwärts. Der toplap ist die proximale, also landwärtige Endung beckenwärts einfallender Reflexionen/Schichten gegen eine schwächer einfallende Reflexion/Schicht im Hangenden. Der Punkt, an dem die Clinoformen proximal in horizontale bzw. subhorizontale Lagerung übergehen, wird hier als Clinoformen-Kante bezeichnet (engl. clinoform breakpoint, offlap break). Diese kann, muß aber nicht, mit der Schelfkante zusammenfallen.
Es werden zwei Typen von Sequenzgrenzen unterschieden ( Abb. 3). Die Typ-1-Sequenzgrenzen sind durch Emersion, subaerische Erosion, ein beckenwärtiges Wandern von Faziesgürteln und einen beckenwärtigen Versatz des Küstenonlaps charakterisiert. In proximalen Bereichen kommt es an der Sequenzgrenze somit zu einer direkten und übergangslosen Überlagerung von nichtmarinen, z.B. fluviatilen, Sedimenten auf flachmarine Schichten. Eine Typ-1-Grenze wird gebildet, wenn an der Clinoformen-Kante die Rate des relativen Meeresspiegelfalls größer ist als die Subsidenzrate. Der Küstenonlap verlagert sich dabei beckenwärts der Clinoformen-Kante. Typ-2-Sequenzgrenzen entstehen, wenn die Rate der relativen Meeresspiegelabsenkung an der Clinoformen-Kante geringer ist als die dortige Subsidenzrate und der Küstenonlap oberhalb dieser Linie zu liegen kommt. Typ-1- und Typ–2-Sequenzgrenzen wurden in Siliciklastika festgelegt. Andere Autoren definieren – basierend auf Beobachtungen an carbonatischen Serien – zusätzlich Typ-3-Sequenzgrenzen. Diese werden durch einen schnellen Anstieg des relativen Meeresspiegels gebildet, während dem Carbonatplattformen ›ertrinken‹ (engl. drowning), d.h. in die tiefe euphotische Zone oder darunter versetzt werden. Zusätzlich tritt an solchen Horizonten (engl. drowning unconformity) oft submarine Erosion auf, die z.B. durch tidal indizierte interne Wellen oder die Verlagerung von geostrophischen Strömen kontrolliert wird. Im Gegensatz zu den oben beschriebenen Sequenzen würden Sequenzen, die durch Typ-3-Grenzen definiert sind, also nicht zwingend durch Auftauchflächen begrenzt.
Eine Sequenz besteht aus unterschiedlichen Schichtpaketen, den systems tracts ( Abb. 3). Dies sind Bündel gleicher Ablagerungssysteme (engl. depositional systems) und damit ein dreidimensionaler Lithofaziesverbund, der von onlaps, downlaps etc. begrenzt wird. Sytems tracts werden entsprechend der Position des relativen Meeresspiegels zur Bildungszeit dieser Einheiten bezeichnet, wobei Typ-1- und Typ-2-Sequenzen unterschiedlich aufgebaut sind. Der basale lowstand systems tract (LST) einer Typ-1-Sequenz entsteht bei einem im Bereich der Clinoformen-Kante zuerst fallenden und dann wieder ansteigenden relativen Meeresspiegel. Das Fallen des relativen Meeresspiegels initiiert eine Einschneidung von Flußsystemen und somit einen punktuellen Sedimenttransport zu den Clinoformen und zum Schelfhang. Infolge des hohen Sedimenteintrags kommt es dort zu Hanginstabilitäten und zur Remobilisierung des Sediments, welches in submarine Fächer exportiert wird (z.B. durch Trübeströme). Am tiefsten Punkt des relativen Meeresspiegeltiefstandes stabilisiert sich das Flußprofil und es resultiert ein Küstenonlap unterhalb des Clinoformen-Kante. Die Rate des darauffolgenden relativen Meeresspiegelanstiegs ist zunächst gering und der Akkomodationsraums wird verfüllt. Somit liegt zuerst eine Progradation (Regression) vor, die später – bei einer zunehmenden Rate des relativen Meeresspiegelanstiegs – in eine Aggradation übergeht.
Der LST wird vom transgressive systems tract (TST) überlagert, der entsteht, wenn die Rate des Anstiegs des relativen Meeresspiegels höher ist als die Sedimentzufuhrrate. Somit wird der Akkomodationsraum nicht mehr verfüllt, und die Küstenfazies schreiten landwärts zurück (Transgression), was eine Retrogradation des Küstenonlaps ausdrückt. Die basale Fläche des TST ist die Transgressionsfläche (engl. transgressive surface). Distal dünnt der TST zu einer kondensierten Abfolge aus. Die Zeit der maximalen Rate des relativen Meeresspiegelanstiegs liegt im jüngsten Abschnitt des TST, und die Bildung des TST ist abgeschlossen, wenn der Akkomodationsraum bei einer abnehmenden Rate des relativen Meeresspiegelanstiegs wieder verfüllt werden kann und die Beckenrandsedimente progradieren. Die Oberfläche, über welche die Clinoforme mit downlaps progradieren, ist die maximale Flutungsfläche, die vom highstand systems tract (HST) überlagert wird. Der HST ist in seiner Entwicklung durch eine Abnahme der Rate des Meeresspiegelanstiegs charakterisiert, was sich in einem Wechsel von Aggradation zu Progradation niederschlägt. Der HST wird von einer Sequenzgrenze abgeschlossen.
Bei den Typ-2 Sequenzen fehlen die fluviatilen Einschnitte und die Ausbildung submariner Fächer in einem LST ( Abb. 3). Das Schichtpaket über einer Typ-2-Sequenzgrenze wird als shelf margin systems tract (SMST) bezeichnet. Der SMST besteht, entsprechend der Veränderung des relativen Meeresspiegels, aus einem unteren progradierenden und einem oberen aggradierenden Teil. Wie bei Typ-1-Sequenzen kommen in Typ-2-Sequenzen TST und HST vor.
Die hochauflösende Sequenzstratigraphie integriert Bohrlochmessungen und/oder Beobachtungen im Aufschluß oder an Kernen. Der ursprüngliche Ansatz der hochauflösenden Sequenzstratigraphie basiert auf der Beobachtung, daß systems tracts nicht die kleinsten sequenzstratigraphisch auflösbaren sedimentären Einheiten darstellen, sondern daß diese wiederum in sedimentäre Zyklen gliederbar sind. Im Flachmarinen sind dies sedimentäre Abfolgen, die eine Verflachung des Ablagerungsraums in der Zeit anzeigen, z.B. durch eine Korngrößenzunahme oder durch die entsprechenden vertikalen Fazieswechsel (Dachbank-Zyklen, Shallowing-upward-Zyklen, Klüpfel-Zyklen). In der sequenzstratigraphischen Terminologie werden solche Zyklen als Parasequenz bezeichnet. Eine Parasequenz ist durch Flutungsflächen begrenzt, also durch Flächen, an denen sedimentäre Wechsel eine Vertiefung des Ablagerungsraums anzeigen. Parasequenzen können auto- oder allozyklisch kontrolliert sein. Während eine rein autozyklische Kontrolle in der geologischen Überlieferung nur schwer nachweisbar ist, bietet die Theorie der Schwankungen der Orbitalparameter der Erde (Milankovic´ -Theorie) einen eleganten Ansatz, um hochfrequente Meeresspiegelschwankungen zu erklären, welche die Bildung der Parasequenzen kontrollieren. Mit dem Modell der Partitionierung des Sedimentvolumens und dem erweiterten Konzept der genetischen Sequenzen kann gezeigt werden, daß die Parasequenzen entlang eines Ablagerungsprofils nur einen lokalen Ausdruck eines meeresspiegelgesteuerten Verlagerungszyklus der Erosionsbasis darstellen ( Abb. 4). In proximalen Bereichen ist bei einem Verlagerungszyklus der Erosionsbasis vor allem der Vertiefungstrend (Transgression) des Zyklus überliefert. Ein vollständiger, symmetrischer transgressiv-regressiver Zyklus liegt in intermediären paralischen Positionen vor, während Vorstrand und Flachschelf Ablagerungen vor allem dem regressiven Schenkel des Zyklus überliefern, der die Progradation der Küstenlinie widerspiegelt. Diese asymmetrischen, regressionsdominierten Zyklen entsprechen den Parasequenzen. In äußeren Schelfbereichen bilden sich wieder fast symmetrische Zyklen aus.
In der Sequenzstratigraphie muß zwischen Siliciklastika und Carbonaten unterschieden werden. Siliciklastika und Carbonate unterscheiden sich in einer Reihe von Aspekten: a) Siliciklastika werden einem sedimentären Becken von außen zugeführt, während Carbonate in der Wassersäule biologisch und/oder chemisch ausgefällt werden; b) Die Art und Rate der Carbonatproduktion ist in den Tropen und Subtropen wassertiefenabhängig; c) Carbonate, zumindest solche die in den Tropen und Subtropen gebildet werden, haben ein hohes frühdiagenetisches Potential, was zu einer frühen Lithifizierung des Sediments führen kann. Diese Unterschiede führen dazu, daß beide sedimentären Systeme unterschiedlich auf Meeresspiegelschwankungen reagieren. Im Gegensatz zu den Siliciklastika können Carbonate bei Emersion sehr schnell lithifiziert werden. Dominanter Prozeß kann somit eine chemische und nicht eine physikalische Verwitterung sein, die z.B. zu einer Verkarstung der Carbonatplattform führt. Carbonatplattformen exportieren daher eher während relativen Meeresspiegelhochständen Sediment in umliegende Becken (highstand shedding), und der Tiefstandsexport ist oft drastisch reduziert, was einen kondensierten LST bedingt. Ein weiterer Unterschied zwischen beiden Systemen ist, daß in Carbonaten durch schnelle Anstiege des relativen Meeresspiegels Drowning-Diskordanzen gebildet werden können, während Siliciklastika auf einen solchen Anstieg durch eine Retrogradation reagieren.
Das Konzept der Sequenzstratigraphie ist hier anhand von marinen Becken vorgestellt, da die Definitionen der einzelnen Elemente der Sequenzstratigraphie in solchen Ablagerungsbereichen aufgestellt wurden. Die Anwendung der Sequenzstratigraphie ist aber nicht auf marine und randmarine Sedimente beschränkt. Sie kann überall dort eingesetzt werden, wo Sedimente in einem Becken abgelagert wurden und ermöglicht durch das Erkennen und Korrelieren von Schlüsselflächen und -grenzen in Schichtenfolgen das Aufstellen einer relativen Chronostratigraphie, die für eine detaillierte paläogeographische Rekonstruktion und Vorhersage von Sediment- und Faziesverteilungen unentbehrlich ist. [ChB]
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Sequenzstratigraphie 1: Definition des Meeresspiegels. Sequenzstratigraphie 1:
Sequenzstratigraphie 2: wichtigste Geometrien und Endungen von Reflexionen/Schichten. Sequenzstratigraphie 2:
Sequenzstratigraphie 3: Idealmodell einer Ablagerungssequenz. Sequenzstratigraphie 3:
Sequenzstratigraphie 4: Partitionierung des Sedimentvolumens in einer genetischen Sequenz. Sequenzstratigraphie 4:
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