Lexikon der Geowissenschaften: tropische Zyklonen
tropische Zyklonen, allgemeiner Begriff für Zyklonen ohne Fronten in einer weitgehend einheitlichen Luftmasse. Sie entstehen über tropischen, seltener über subtropischen Gewässern und haben eine charakteristische Anordnung von Bewölkung mit Regen, Schauern und Gewittern entsprechend ihrem Entwicklungsstadium sowie eine charakteristische zyklonale Windzirkulation am Boden und in der unteren Troposphäre. Vorstadien für tropische Zyklonen sind tropische (Ost-)Störungen (easterly waves). Tropische Zyklonen werden vor allem nach dem Entwicklungsstadium und der Windgeschwindigkeit (bzw. dem tiefsten Luftdruck und dem Luftdruckgradienten) unterteilt. Danach ergibt sich weltweit folgende Typisierung entsprechend dem Entwicklungsstadium: a) tropische Depression, b) tropischer Sturm, c) tropischer Wirbelsturm. Für letztere gibt es verschiedene regionale Bezeichnungen, wie z.B. Hurrikan für das mittel- und nordamerikanische Gebiet inklusive Nordatlantik und Ostteil Nordpazifik, Cordonazo für Mexiko, Taifun (typhoon) für den westlichen Nordpazifik, Baguio für den Bereich der Philippinen, Zyklon für den Indischen Ozean, Willy-Willy für den australischen Raum, Mauritius-Orkan für den Südwesten des Indischen Ozeans.
Tropische Oststörungen sind flache, westwärts wandernde Tiefdruckausläufer („Wellen”) beiderseits der äquatorialen Tiefdruckrinne mit geringen Luftdruckunterschieden. Sie sind durch charakteristisch angeordnete Konvektion (Ballungsgebiete von starker Bewölkung mit Schauern und Gewittern) gekennzeichnet und sie behalten ihre Identität für mindestens 24 Stunden bei. Sie können mit Windkonvergenzen einhergehen und in tropische Depressionen übergehen. Obwohl sie ganzjährig auf beiden Hemisphären auftreten können, sind sie im Sommer bis Frühherbst und dann besonders auf der Nordhalbkugel wegen des höheren Anteils an Landoberfläche und dessen stärkerer Erwärmung am ausgeprägtesten. Ursachen für ihre Entstehung sind vor allem die Instabilität von Luftmassen durch Erwärmung und Feuchteanreicherung von der Erdoberfläche her und durch Freigabe latenter Wärme. Besonders günstig für die Entstehung sind Landgebiete, insbesondere Gebirge, bei ausreichender Luftfeuchtigkeit, wie z.B. Indien, Südostasien und die Inseln im zentralen Westpazifik. Für die afrikanischen Oststörungen ist nicht selten das Hochland von Äthiopien bereits der Ausgangspunkt. Die wellenartig angeordneten tropischen Oststörungen haben meist Wellenlängen von 2000 bis 4000 km, Perioden von 3 bis 6 Tagen und dementsprechend Zuggeschwindigkeiten von 4 bis 10 m/s. Alle nachfolgend erläuterten Typen werden neben Boden-, Flugzeug- und Radarbeobachtungen maßgeblich aufgrund von Satellitenbildern ermittelt. Die Festlegung der Entwicklungsstadien von tropischen Wirbelstürmen erfolgt nach der Klassifikation von Dvorak. Die benachbarten einzelnen Typen und Entwicklungsstadien können wechselseitig ineinander übergehen. Tropische Depressionen sind Wolkensysteme mit Gewittern, einer ausgeprägten Zirkulation und einer mittleren maximalen Windgeschwindigkeit von 11 bis 16 m/s. Mitunter wird noch angegeben, daß der Kerndruck um 5 bis 15 hPa im Vergleich zur Umgebung erniedrigt sein soll, d.h. sie haben geschlossene Isobaren. Tropische Stürme sind ebenfalls Wolkensysteme, allerdings mit schweren Gewittern, einer ausgeprägten Zirkulation und einer mittleren maximalen Windgeschwindigkeit zwischen 17 und 32 m/s. Mitunter wird noch ein Kerndruck gefordert, der um 15 bis 30 hPa unter dem der Umgebung liegt. Tropische Stürme erhalten Namen, die sie bei Erreichen des Stadiums eines tropischen Wirbelsturms beibehalten. Für die jeweilige tropische Region existieren im voraus für mehrere Jahre festgelegte Namen, die nach bestimmten Prinzipien geändert werden (z.B. Wegfall von Namen, die für sehr zerstörerische Wirbelstürme verwendet wurden). Die Namen wechseln generell aufeinanderfolgend zwischen männlichen und weiblichen Vornamen. Tropische Wirbelstürme sind meist nahezu kreisförmige bis schwach elliptische Tiefdruckwirbel mit einem warmen Kern (im Unterschied zu den anderen Tiefs, die einen kalten Kern haben), der oft als wolkenloses oder wolkenarmes Auge in Satellitenbildern und nach Bodenbeobachtungen gut erkennbar ist. Die geforderte mittlere maximale Windgeschwindigkeit beträgt ≥ 33 m/s (=Orkanstärke), weitere Abstufungen erfolgen nach der Saffir-Simpson Hurricane Scale. Tropische Wirbelstürme entstehen über den tropischen Meeren und sind nicht zu verwechseln mit einem Tornado. Sie erstrecken sich vertikal über die gesamte Troposphäre und können eine horizontale Ausdehnung zwischen wenigen hundert und im Extremfall etwa 1200 km Durchmesser annehmen. Die Bewölkung besteht aus Schauer- und Gewittermassiven sowie Regenwolken, über denen sich mit zunehmender Stärke eine zunehmend dichtere und größere zirkulare Cirrusdecke schließt. Aus der kreisförmigen Wolkenmasse ragen häufig zwei spiralig angeordnete Wolkenarme (Regenbänder) heraus, die bezogen auf die Zugrichtung mitunter quasistationär bleiben, aber im anderen Extrem den Wirbelkern umrunden. Am wetterwirksamsten sind sie offensichtlich im Bereich des vorderen rechten Viertelkreises in Zugrichtung gesehen, insbesondere mit Erreichen von Inseln und Festland, da sich dann die Gewitter- und Niederschlagstätigkeit verstärkt. Die größten Windgeschwindigkeiten treten im gleichen Viertelkreis auf, da sich hier Translations- und Rotationsgeschwindigkeit addieren. Außerdem sind in diesem Bereich mit Erreichen der Küste die Flutwellen am stärksten wegen der auf die Küste gerichteten Strömung. Die stärksten horizontalen Winde treten meist im Abstand von 10 bis 50 km vom Mittelpunkt des Auges in Höhen von 500 bis 1000 m auf. Die Windzunahme vom windstillen Zentrum nach außen ist schroff und daher besonders gefährlich für Luft- und Schiffahrt. Im Auge ist der Seegang dennoch sehr gefährlich, da sich dort unterschiedlich orientierte Wellenzüge zur Kreuzsee (Seegang) überlagern. Um das im Durchmesser zwischen 10 und 80 km große Auge, in dem absinkende Luftbewegung und Wolkenauflösung erfolgt, ist eine Wolkenmauer (engl. eyewall) angeordnet. Hinter dieser „Wolkenwand” kommt es zu starken Aufwärtsbewegungen mit Regen, Schauern und Gewittern. Die Wolkenmauer weitet sich mit der Höhe trichterförmig. Außerhalb des Auges strömt die Luft in den unteren 2 km stark zum Wirbelzentrum hin, während oberhalb von 8 bis 9 km stark ausströmende Luft die Bildung einer Cirruswolkendecke verursacht. Tropische Wirbelstürme ziehen nach ihrer Entstehung auf der Nordhalbkugel zunächst nach W bis NW auf der Südhalbkugel nach W bis SW und schwenken ab etwa 20º geographischer Breite auf eine zunehmend polwärtige bis östliche Bahn ein. Die Saison dauert in der Regel vom Hochsommer bis zur Herbstmitte mit einem Maximum an der Grenze vom Sommer zum Herbst. Eine gewisse Ausnahme hiervon bildet der nördliche Indische Ozean, wo gestört durch die Monsunzirkulation bereits im Mai/Juni ein sekundäres Maximum auftreten kann. Über dem westlichen Nordpazifik können aufgrund der dort besonders hohen Wassertemperaturen sogar ganzjährig Taifune auftreten.
Die tropischen Wirbelstürme sind nach Tornados das gefährlichste meteorologische Phänomen, zumindest was die Windstärke betrifft. Neben der größeren Flächenhaftigkeit der Schäden im Vergleich zu Tornados kommt es zu enormen Schäden und Opfern durch starken Seegang, bis maximal etwa 7 Meter hohe Flutwellen an den Küsten und sintflutartigen Regen und Überschwemmungen. Bereits stündlich können 50 bis 100 mm fallen. Über Land kann der Gesamtschaden durch zusätzlich vermehrt auftretende Tornados noch erhöht werden. Die bisher höchsten Zahlen an Menschenopfern durch tropische Wirbelstürme wurden mit jeweils rd. 300.000 in den Jahren 1970 aus Bangladesh, 1737 aus Indien und 1881 aus China gemeldet. [HN]
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