Lexikon der Kartographie und Geomatik: Blickbewegungsregistrierung
Blickbewegungsregistrierung, E eye tracking, eine in der experimentellen Kartographie etablierte Methode zur Untersuchung visuell-kognitiver Prozesse der Kartennutzung. Ihre Anwendung beruht auf der Annahme, dass zentrale Vorgänge der Informationsverarbeitung bei visuell dargebotenen Medien an unmittelbar extern verfügbare Informationen gebunden sind, d. h. die Aufeinanderfolge von Augenbewegungen kein willkürlicher Prozess ist. Die Auswahl der Fixationsorte innerhalb einer Karte steht in direktem Zusammenhang mit der Aufmerksamkeitsverteilung (vgl. Aufmerksamkeit). An jedem Fixationsort werden Reize aus der Gesichtsfeldperipherie vorverarbeitet, die dann gezielte sakkadische Sprünge zu solchen Objekten in der Reizvorlage ermöglichen, die den höchsten Informationsgehalt haben und deshalb als bedeutend eingestuft werden. Daraus folgt, dass jedes Mal, wenn im Denkprozess mit der Karte eine visuelle Information benötigt wird, sich der Blick auf diese Information richtet, und dass anschließend die gefundene Information im Denkprozess verarbeitet wird.
Zur Registrierung von Blickbewegungen stehen verschiedene Methoden zur Verfügung. In der kartographischen Blickbewegungsforschung kommt die Cornea-Reflex-Methode am häufigsten zum Einsatz. Sie basiert auf der Registrierung von (Infrarot-) Lichtreflexen auf der Hornhautoberfläche (Cornea). Über Teleobjektive werden das infrarot angestrahlte Auge mit einer monochromatischen Videokamera aufgenommen und aus dem Videobild Corneareflex und Pupillenkoordinaten extrahiert und nach entsprechender Entzerrung der relative Abstand von Reflex und Pupille als Blickwinkel ausgegeben. Aus der Registrierung über eine Zeitachse können sowohl Zeiten für Sakkaden (vgl. Augenbewegungen) als auch Fixationsdauern berechnet werden. Die Fixation ist die Basis aller Variablen zur Analyse des Blickverhaltens. Sie ist durch ihre Platzierung (x und y-Koordinatenwert) und Dauer gekennzeichnet (Tab.). Die Messgenauigkeit berührungslos arbeitender Systeme liegt unter 0,5 Winkelgrad, die zeitliche Auflösung variiert zwischen 50 und 60 Hz. Systeme, die an einem Kopfgestell befestigt sind, erlauben deutlich höhere Abtastraten bis zu 600 Hz bei 0,25 Winkelgrad Messgenauigkeit (Abb.).
Mit Hilfe der Blickbewegungsregistrierung werden Daten über perzeptive und kognitive Vorgänge wie Wahrnehmungssicherheit, Wahrnehmungsdauer, Merkfähigkeit und Reproduktionsfähigkeit bei der Aufnahme und Verarbeitung von kartographischen Informationen gewonnen. Blickbewegungsdaten erlauben in diesem Sinne Rückschlüsse auf die visuelle Wirkung und kognitive Effektivität kartographischer Präsentationsformen sowie anderer visueller Medien. Vielfältige Anwendungsmöglichkeiten ergeben sich insbesondere im Zusammenhang mit der empirischen Wirkungsanalyse von multimedialen Bildschirmkarten, z. B. hinsichtlich der effizienten Verknüpfung verschiedener Präsentationsformen wie Animationen oder Videosequenzen mit der Karte. Weitergehende Forschungen befassen sich mit dem Einsatz der Blickbewegungsregistrierung als Mensch-Karte-Interaktions-Technologie (blicksensitive Karten).
FHN
Literatur: [1] CLARKE, A.H. (1996): Current trends in eye movement measurement techniques. In: ZANGEMEISTER, W.H., STIEHL, H.S. u. FREKSA, C. (Ed.): Visual attention and cognition. (= Advances in Psychology, Bd. 116), Amsterdam, 347-364. [2] DOBSON, M.W. (1977): Eye movement parameters and map reading. The American Cartographer, Vol. 4, No. 1, 39-58. [3] VANECEK, E. (1980): Experimentelle Beiträge zur Wahrnehmbarkeit kartographischer Signaturen. Wien.
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