Lexikon der Kartographie und Geomatik: Gestaltgesetze
Gestaltgesetze, E gestalt laws, Satz von Regeln, die beschreiben, wie Elemente in der Wahrnehmung zu größeren Konfigurationen gruppiert werden. Nach gestaltpsychologischen Vorstellungen führen visuelle Reize zu zentralnervösen Erregungen, die nach eigenen Gesetzen, ähnlich denen elektromagnetischer Felder, einer Selbstorganisation unterworfen sind. Variiert man unterschiedliche Eigenschaften eines Reizmusters, so ändert sich die perzeptuelle Disposition für die Wahrnehmung der alternativen Organisationsmöglichkeiten. Dabei ist der entscheidende, dynamische Prozess die Aufgliederung des Blickfeldes in zwei fundamentale Bestandteile, Figur und Grund (vgl. Figur-Grund-Unterscheidung). Sehr früh in der visuellen Wahrnehmung wird das Blickfeld in einen Hintergrund und davor befindliche Figuren eingeteilt. Die Figuren kommen durch ein Prinzip der gleichförmigen Verbindung zustande: Verbundene Regionen mit gleichförmigen visuellen Merkmalen wie Helligkeit, Farbe, Textur, Bewegung werden zu einer visuellen Einheit zusammengefasst. Der Hintergrund (Grund) verläuft hinter den Figuren. Die wichtigsten Gestaltfaktoren, die das Blickfeld in Konfigurationen aufgliedern, werden in der Abbildung anhand eines einfachen Beispiels demonstriert: a) Kontinuität: miteinander verbundene Bildelemente werden im Allgemeinen als Teil derselben Figur gesehen, b) räumliche Nähe: räumlich näher beieinander liegende Elemente werden zu einer Gruppe zusammengefasst und erscheinen als zusammengehörig, c) Ähnlichkeit: gleiche oder ähnliche Elemente werden zu einer Gruppe zusammengefasst, d) gemeinsames Schicksal: das Gesetz des gemeinsamen Schicksals besagt, dass Dinge, die sich in die gleiche Richtung bewegen, als zusammengehörig erscheinen, e) Geschlossenheit: im Allgemeinen werden Bildelemente gruppiert, die einen geschlossenen Umriss bilden, f) gute Fortsetzung: Es wird der einfachste Verlauf von Linien angenommen. Das Gesetz der guten Fortsetzung ermöglicht es, dass man z. B. in einem Liniengewirr eine bestimmte Linie bis zu ihrem Ende verfolgen kann. Im Beispiel wirkt sich der Gestaltfaktor so aus, dass zwei geschwungene Linien wahrgenommen werden, die sich überkreuzen, und nicht etwa zwei aneinanderstoßende Spitzen, g) Symmetrie: schließlich ist auch die Symmetrie wichtig für die Bildung perzeptiver Gestalten. Im Beispiel werden die von symmetrischen Linien umschlossenen Bereiche als Vordergrundfiguren wahrgenommen.
Obwohl die Gestaltpsychologie bzw. Gestalttheorie keine umfassenden, verallgemeiner- und quantifizierbaren Formulierungen ihrer Gesetze vorlegen konnte, lassen sich aus den Gestaltgesetzen eine Reihe von Regeln ableiten, die im Besonderen bei der Gestaltung kartographischer Bildschirmmedien zu berücksichtigen sind, erlauben sie doch das richtige und schnelle Erfassen eines Objekts aktiv zu steuern. Auf diese Weise ist es möglich, foveale, d.h. auf die Stelle des deutlichsten Sehens gerichtete Fixationen mit Hilfe der Augenbewegungen auf jene Teile des Reizmusters zu lenken, die die maximale strukturelle Information tragen. Weiterhin können einige Gestaltgesetze zur Herstellung von Informationsbeziehungen bzw. zur Informationsseparation genutzt werden (Abb.).
FHN
Literatur: [1] ENGEL, A.K. (1996): Prinzipien der Wahrnehmung: Das visuelle System. In: ROTH, G. & PRINZ, W. (Ed.): Kopfarbeit. Gehirnfunktionen und ihre kognitive Leistungen. Heidelberg, Berlin, Oxford, 181-207. [2] ROCK, I. & PALMER, S. (1991): Das Vermächtnis der Gestaltpsychologie. Spektrum der Wissenschaft, H. 2, 68-75.
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