Lexikon der Kartographie und Geomatik: Kartengestaltung
Kartengestaltung, Kartengestaltungslehre, E map design, the overall design of a map, ein Teilgebiet der Kartographie, das sich im Rahmen der Allgemeinen Kartographie mit Theorien und Methoden der graphischen Modellierung von Karten und anderen kartographischen Darstellungsformen im Sinne der kartographischen Modellbildung und Visualisierung befasst. Die Gestaltung, die Formung des Kartenbildes, wird unter Nutzung kartographischer Gestaltungsmittel vorgenommen. Als solche gelten im weitesten Sinne das kartographische Zeichensystem und die zur Objekt-Zeichen-Referenzierung dienenden kartographischen Darstellungsmethoden in Verbindung mit den graphischen Variablen (vgl. auch kartographisches Zeichenmodell). Dabei ist die kartographische Generalisierung als unabdingbarer Prozess mit eingebunden. Zumeist getrennt vom System der kartographischen Darstellungsmethoden sind die kartographische Wiedergabe des Reliefs (Reliefdarstellung), die Beschriftung bzw. Schriftgestaltung und die Gestaltung sonstiger graphischer Darstellungen, insbesondere Diagramme, die Karten und Atlanten beigegeben werden. Zu den Aufgaben der Kartengestaltung gehört nicht zuletzt die graphische Gestaltung des Kartenblattes bzw. der Bildschirmkarte als Gesamtgestalt im Sinne der visuellen Wahrnehmung, auch als Kartenkomposition bzw. Layout bezeichnet. Hier kommen vor allem ästhetische Grundsätze zum Tragen.
In der Angewandten Kartographie dienen die Theorien und Methoden der Kartengestaltung im Prozess der Kartenredaktion themen-, funktions- und nutzerorientiert der Formierung spezieller Kartenzeichensysteme bzw. Zeichenschlüssel. Diese beispielsweise auf Schulkartographie, Planungskartographie, Seekartographie usw. angewandte Kartengestaltungslehre wird verschiedentlich auch als "spezielle Theorie der Kartengestaltung" (Ogrissek, 1987) bezeichnet.
Die Systematisierung und Formulierung des gestalterischen und graphischen Könnens der Kartenbearbeiter erfolgte relativ spät zu Beginn des 20. Jhs., obwohl die wichtigsten kartographischen Darstellungsmethoden bereits viel früher bekannt waren und für den praktischen Kartenentwurf genutzt wurden. Eine erste größere Zusammenfassung des Wissens zur Kartengestaltung (wenn auch noch nicht unter diesem Begriff behandelt) stammt von M. Eckert ("Die Kartenwissenschaft", 1921, 1925). Erste Lehrbücher erschienen vor und nach dem Zweiten Weltkrieg zuerst in der Sowjetunion, dann auch in anderen Ländern. Marksteine der weiteren Entwicklung waren u. a. die klassischen Monographien und Lehrbücher von E. Arnberger, W. Witt und E. Imhof in den 60er und 70er Jahren des 20. Jhs., wenn auch meist unter dem Titel "Thematische Kartographie".
Mit der Integration der graphischen Semiologie von J. Bertin und der Entwicklung von Theorieansätzen der kartographischen Kommunikation sowie der kartographischen Zeichentheorie trat die Kartengestaltung in den 1970er Jahren in ein Stadium ein, das durch diese neue Wissenschaftsentwicklung deutlich geprägt wird. Hinzu kamen Methoden der empirischen bzw. experimentellen Forschung, die zur Verifizierung des Wissens der Kartengestaltungslehre, insbesondere unter Beachtung der visuell-kognitiven Wahrnehmung kartographischer Strukturen, beitragen konnten (vgl. empirische Kartographie). Seit Beginn der 1990er Jahre dominieren Digitalkartographie, kartographische Informationssysteme (KIS) und Geoinformationssysteme (GIS) das Umfeld der Kartengestaltung, wobei immer häufiger mit dem Begriff der kartographischen Visualisierung gearbeitet wird, der aber nur eingeschränkt als Synonym gelten kann. Heutige und künftige Forschungsarbeiten auf dem immer breiter werdenden und immer mehr von relevanten Nachbardisziplinen beeinflussten Gebiet der Kartengestaltung sind stark auf kartographische Bildschirmkommunikation, verbunden mit Interaktion und dem Zusammenrücken von Kartengestaltung und Kartennutzung, orientiert. Sie zielen des Weiteren auf Animation, Multimedia, 3D-Visualisierung sowie wissensbasierte Kartengestaltung als durchgehendem Informationsverarbeitungsprozess hin (vgl. kartographisches Konstruktionsprogramm). Systeme für wissensbasierte Kartengestaltung setzen kartographisches Expertenwissen voraus, an dessen Extraktion und Formalisierung gearbeitet wird (vgl. Expertensystem). Karten im Internet (Internetkarte) werden als Gegenstand der Kartengestaltung in Zukunft an Bedeutung zunehmen. Aufgrund veränderter Wahrnehmungsbedingungen und neuer Nutzergruppen machen diese Bildschirmkarten eine spezifische Adaption bisheriger Grundsätze der Kartengestaltung erforderlich.
WKH
Literatur: [1] ARNBERGER, E. (1997): Thematische Kartographie. Braunschweig. [2] GRÜNREICH, D. (1995): Aufgabe und Bedeutung der kartographischen Visualisierung in Geo-Informationssystemen (GIS). In: Buziek, G. (Hrsg.): GIS in Forschung und Praxis, 225-233. Stuttgart. [3] HAKE, G. und GRÜNREICH, D. (1994): Kartographie. Berlin/New York. [4] OGRISSER, R. (1987): Theoretische Kartographie, Gotha.
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