Lexikon der Kartographie und Geomatik: kartographisches Wissen
kartographisches Wissen, E cartographic knowledge, 1) Erkenntnisse, die in den verschiedenen Bereichen der Kartographie mit Hilfe wissenschaftlicher und anwendungsorientierter Methoden und Verfahren gewonnen werden.
2)Kartenwissen, Zustände und Beziehungen georäumlicher Objekte und Sachverhalte, die in Karten abgebildet und graphisch repräsentiert werden (kartographische Repräsentation); aus Karten abgeleitete informationelle Strukturen, die gedanklich repräsentiert werden. Kartographisches Wissen wird aus der Struktur kartographischer Informationen gebildet. Eine formale Trennung von Informationen und Wissen sollte dabei allerdings nur im Sinne ihrer visuell-kognitiven Verarbeitung vorgenommen werden. So liegt das Schwergewicht der visuellen Verarbeitung von kartographischen Informationen bei der medialen Strukturierung des Merkmalangebotes in Karten, um dieses effektiv und sicher ableiten sowie einordnen zu können. Die sich daraus ergebende Verarbeitung von kartographischem Wissen wird unter drei operationalen Gesichtspunkten betrachtet.
Erstens werden abbildungsbedingte Merkmale, die bei den abgeleiteten Informationsstrukturen noch eine dominierende Rolle gespielt haben, gedanklich nivelliert. So müssen geometrische Verzerrungen ausgeglichen, Bedeutungsunterschiede verstärkt, d. h. abgegrenzt, oder thematische Zusammenhänge abgesichert werden.
Zweitens werden die abbildungsbedingten Merkmalumgebungen erweitert bzw. ergänzt. Objekte, die in geometrischer und graphischer Hinsicht in Karten in ihrer Dimension verändert abgebildet sind, werden gedanklich auf ihre reale Dimension rückgeführt. Maßstabsbedingte Vereinfachungen werden auf ihre realen Zustände transformiert oder die in der Karte vorhandene optische Isoliertheit von Objekten wird gedanklich durch die Bildung von bedeutungsmäßigen und funktionalen Abhängigkeiten aufgehoben.
Drittens wird das aus Karten abgeleitete Wissen thematisch so transformiert, dass es kontextuell sowie ziel- und handlungsorientiert eingeordnet und weiterverarbeitet werden kann.
Sämtliche genannten Operationen können in kürzesten Zeiträumen verlaufen, in verschiedenen Kombinationen erfolgen und durch differenzierende gedankliche bzw. informationelle Operationen erweitert werden. Kartographische Wissensstrukturen unterscheiden sich vor allem nach den zu realisierenden Zielen der Wissensgewinnung und nach dem angestrebten gedanklichen Konkretisierungsniveau, auf dem es repräsentiert werden soll. Dabei wird das Wissen allgemeinen begrifflichen Hierarchien oder Systemen zugeordnet, so das sich daraus z. B. logische, faktische oder prognostische Charaktermerkmale im Wissen bilden. Auf einer abstrakteren Ebene wird Wissen auf der Basis von ethischen, moralischen, ästhetischen und anderen Wertesystemen eingeordnet. Dabei kann es in spezifische Handlungskontexte eingebracht werden und z. B. in politischer oder sozialer Hinsicht ausgerichtet sein. In diesen Fällen wird auch von normativem Charakter des Wissens gesprochen.
Insgesamt ist die Differenzierung und Einordnung von kartographischen Wissensstrukturen bisher erst ansatzweise erfolgt. Für die Zukunft können aus einer entsprechenden Analyse kognitiver Wissenszustände und Verarbeitungsformen vor allem für eine gezielte Unterstützung interaktiver Kartenarbeit im Rahmen kartographischer Handlungsfelder entwickelt werden.
JBN
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