Lexikon der Kartographie und Geomatik: Kombination graphischer Variablen
Kombination graphischer Variablen, E combination of graphic variables, gleichzeitige Anwendung verschiedener graphischer Variablen bei der Variation einer "gestaltlosen" Fläche (eines Flecks) bzw. eines (karto-) graphischen Zeichens im Sinne von J. Bertin. Obwohl für die kartographische Abbildung von Geodaten in weniger anspruchvollen kartographischen Darstellungen oft die Verwendung einer einzigen Variablen allein ausreicht, ist in den meisten Fällen der Datenpräsentation bzw. Kartengestaltung die Kombination graphischer Variablen in mehrfacher Weise zweckmäßig oder gar zwingend notwendig. J. Bertin hat bereits im Rahmen seiner frühen Arbeiten das Problem erkannt und dargelegt. E. Spiess entwickelte diese Ansätze weiter. Mit Kombinationen werden im Wesentlichen zwei Hauptziele verfolgt. Zum einen sollen die für die jeweilige Darstellung angestrebten Wahrnehmungseigenschaften (Wirkungen) der einzelnen Variablen gekoppelt und möglichst verstärkt werden, zum anderen sollen auf diese Weise mehrere Objektmerkmale gleichzeitig wiedergegeben oder ein zusätzliches Skalenniveau implementiert werden. Verschiedentlich wird auch aus Gründen des Rezeptionsanreizes und der Ästhetik kombiniert. Das betrifft vor allem die Kombination Helligkeit mit Farbe (H × C). Dabei muss i. d. R. eine Abschwächung der gewollten Wirkung in Kauf genommen werden. Dies kann aber auch bei der Kombination von bedeutungstragenden Variablen vorkommen.
Die Kombination sollte möglichst so erfolgen, dass sich die erwünschten Wahrnehmungseigenschaften verstärken, beispielsweise Kombination und gleichläufige Variation von Helligkeit und Muster (H+ × M+) zur Verstärkung der ordnenden Wirkung für die Präsentation ordinalskalierter Daten.
J. Bertin ging davon aus, dass sich aus den klassischen sechs graphischen Variablen 63 Kombinationen aufbauen lassen und dass jede Kombination die Eigenschaften der beteiligten Variablen mit dem höchsten Skalenniveau (bezüglich der Abfolge nominal – ordinal – metrisch; vgl. Skalierungsniveau) übernehmen würde. Nach E. Spiess ist hier eine differenziertere Betrachtungsweise erforderlich, die in folgenden vier Regeln zusammengefasst werden kann: 1. Eigenschaften, die bei jeder an der Kombination beteiligten Variablen vorhanden sind, rufen einer verstärkende Wirkung hervor; Beispiel: H × M, verstärkt ordnend, C × O, verstärkt trennend usw. 2. Eigenschaften, die nicht bei allen beteiligten Variablen vorhanden sind (die einer beteiligten Variablen fehlen), erfahren eine Abschwächung; Beispiel: G × F, schwächere quantitative (metrische) Wirkung (vgl. Abb.). Die Größe wird im Übrigen bei Kombinationen immer in ihrer quantitativen Wirkung beeinträchtigt, da diese allein maximale quantitative Wirkung besitzt ! 3. Die auflösende (dissoziative) Wirkung einer Variablen kann nicht aufgehoben werden durch Kombination mit einer verbindenden (assoziativen) Variablen; sie überträgt sich auf die gesamte Kombination, Beispiel: G × C, H × C, Kombinationen stets dissoziativ ! 4. Die Variablen Größe, Helligkeit und Muster können gegenläufig (+-) und gleichläufig (++ bzw.- -) kombiniert werden. Gleichläufige Kombination: Verstärkung der ordnenden Wirkung; gegenläufige Kombination: Abschwächung bzw. Infragestellung der ordnenden Wirkung.
Als allgemeine Formel für die Kombinationsmöglichkeiten kann gelten:
Sr = Gi +- × Hj +- × M k+- × Cl × Om × Fn
S = Struktur der Kombination,
G = Variable Größe,
H = Variable Helligkeit,
M = Variable Muster (Korn),
C = Variable Farbe,
O = Variable Orientierung,
F = Variable Form, × = "kombiniert mit".
Die Indizes r, i, j, k, l, m, n können im Prinzip so viele ganzzahlige Werte annehmen, wie ihre sog. Variablenlänge zulässt (deutlich unterscheidbare Strukturen bzw. Stufen). Die erstaunlich große Gesamtanzahl möglicher Kombinationen bzw. Strukturen (ohne Berücksichtigung der von E. Spiess zusätzlich hinzugenommenen äußeren Orientierung Oa und äußeren Form Fa bei punkthaften Zeichen) ist nur theoretisch von Bedeutung.
Die Anzahl sinnvoller Kombinationen ist deutlich niedriger. Aus ihnen sind die jeweils bestgeeigneten auszuwählen und umzusetzen, dabei ist stets das Organisations- bzw. Skalenniveau zu berücksichtigen.
WKH
Literatur: [1] BERTIN, J. (1974): Graphische Semiologie. Berlin/New York. [2] SPIESS, E. (1970): Eigenschaften von Kombinationen graphischer Variablen. In: Grundsatzfragen der Kartographie, 279-307, Wien.
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