Lexikon der Kartographie und Geomatik: Lesbarkeit
Lesbarkeit, E legibility, readability, in der Textlinguistik zusammenfassender Ausdruck für die Eigenschaften syntaktischer, semantischer und pragmatischer Merkmale von Schriftzeichen und den aus ihnen gebildeten Wörtern und Sätzen, die den perzeptiven, kognitiven und motorischen Aufwand beim Lesen der Schrift eines Textes bestimmen, d. h., ein Maß für die vorrangig aus der Textstruktur resultierende Wahrnehmung und Rezeption eines Textes unter bestimmten Benutzungsbedingungen und subjektiven Nutzervoraussetzungen. Merkmale von Schriftzeichen sind beispielsweise der Kontrast zum Zeichnungsträger, die Schriftart, der Schriftgrad und der Abstand der Buchstaben eines Wortes. Die Lesbarkeit hängt des Weiteren von der Häufigkeit der in einem Text verwendeten Wörter, Wortgruppen und syntaktischen Muster ab. Dabei spielen auch der Umfang von Wörtern und Sätzen sowie die Mehrfachbedeutung von Wörtern (Polysemie) eine Rolle. Daneben bestehen Abhängigkeiten vom Informationsgehalt des Textes und vom jeweiligen Leser.
In der Kartographie wird der Ausdruck Lesbarkeit häufig in ähnlichen Zusammenhängen für entsprechende Eigenschaften syntaktischer Merkmale von Kartenzeichen oder von Karten insgesamt gebraucht, welche die Entnahme von Informationen aus der Karte bestimmen, d. h., für die von ähnlichen Faktoren wie bei Texten, insbesondere aber für die vom Feinheitsgrad der Darstellung, abhängige Wahrnehmung des Karteninhalts (vgl. Kartenlesen, Karteninterpretation). Damit werden allerdings einige wesentliche Unterschiede zwischen den Kommunikationsmedien Text und Karte sowie daraus resultierenden Anforderungen an die Nutzung der Medien vernachlässigt. Während Texte beispielweise eindimensional und sequentiell-hierarchisch organisiert sind, weisen Karten eine zweidimensionale und hierarchisch-vernetzte Struktur auf. Im Gegensatz zu den Schriftzeichen eines Textes sind Zeichen einer Karte aufgrund der Verknüpfung von grundrissbezogenen und inhaltlichen Bedeutungen (vgl. kartographisches Zeichenmodell) in semantischer Hinsicht durch einen explizit angelegten Raumbezug gekennzeichnet und in syntaktischer Hinsicht infolge der Abbildung sowohl geometrischer als auch inhaltlicher Aspekte graphisch differenzierter strukturiert. Diese Medien- und Zeicheneigenschaften führen bei der Kartennutzung zu spezifischen Operationen der kartographischen Informationsverarbeitung. Im Unterschied zu den Vorgängen des "Lesens" setzen diese Operationen jeweils spezifische kartographisch-syntaktische und kartographisch-semantische Wirkungseigenschaften der Kartenzeichen voraus. So erfordert beispielsweise das Lokalisieren verarbeitungsrelevanter Raumobjekte präpositionale Wirkungen von Zeichen, wie "dort" sowie die räumlich eindeutige Zuordnung zu einem Hinweis- oder Namenstext (Indexikalität). Solche Zeichenwirkungen können durch sprachliche Zeichen zwar vorstellbar beschrieben, aber nicht geometrisch dargestellt werden. Das Diskriminieren und Klassifizieren des geometrischen und inhaltlichen Zustands eines Grundrisses bedingt dagegen adjektivische Zeichenwirkungen, wie "geschlossen" und "polygonal" (Assoziation) usw., die sprachlich wiederum nur eingeschränkt in ihrer konkreten Ausprägung darstellbar sind.
PTZ, WKH
Literatur: [1] WIECZERKOWSKI, W. et al. (1970): Die Auswirkung verbesserter Textgestaltung auf Lesbarkeit, Verständlichkeit und Behalten. In: Zeitschr. f. Entwicklungspsychologie u. Pädagogik. [2] VANECEK, E. (1992): Eigenheiten der visuellen Wahrnehmung in der Signatureninterpretation. In: Schulkartographie. Wiener Symposium 1990, Wien, 324-337 (= Wiener Schriften zur Geographie u. Kartographie, Bd. 5).
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