Lexikon der Kartographie und Geomatik: persönliche geistige Schöpfung
persönliche geistige Schöpfung
Rita Eggert, Karlsruhe
Die Rechtsbegrifflichkeit "persönliche geistige Schöpfung", E individual creation, die das Ergebnis einer individuellen geistigen Gestaltung ist, erfordert vier Voraussetzungen: eine Schöpfung, einen geistigen Gehalt, eine Form und eine Schöpfungshöhe, die sich aus den Begriffen "persönlich" und "Schöpfung" ergibt. Eine Schöpfung ist ein menschliches, gestalterisches Tätigwerden bzw. dessen Ergebnis, das eine gewisse Schöpfungshöhe bereits in sich trägt. Geistiger Gehalt besagt, dass der Gedanken- bzw. Gefühlsinhalt im Werk selbst zum Ausdruck kommen muss (BGHZ 39, 306, 308). Form bedeutet, dass die persönliche geistige Schöpfung sinnlich wahrnehmbar sein muss. Dabei ist gleichgültig, ob diese erst durch Elektronik wie bei einem Computerprogramm oder bei einer CD sinnlich wahrnehmbar gemacht werden muss. Die Form muss aber nicht vollendet sein, es genügt bereits eine Skizze oder ein Entwurf.
Die Begriffe "Schöpfung" und "persönlich" sind zwar hinsichtlich der erforderlichen Schöpfungshöhe, welche das erforderliche Maß an Individualität für eine persönliche geistige Schöpfung ist, unbestimmt. Aus den Motiven des Gesetzgebers kann jedoch geschlossen werden, dass eine persönliche geistige Schöpfung erst dann bejaht werden kann, wenn ein über dem alltäglichen/banalen/handwerklichen liegendes Schaffen vorliegt. Wann ein solches Schaffen gegeben ist, hängt von der Werkkategorie und dem zur Verfügung stehenden Spielraum ab.
Bezogen auf die analoge Kartographie ist der Spielraum für ein eigenschöpferisches Schaffen nicht allzu groß, da kartographische Erzeugnisse an die Vorgegebenheit der Landschaft und andere georäumliche Objekte sowie Strukturen gebunden sind und belehrend sein müssen. So ist er sehr eng begrenzt bei Katasterkarten, etwas größer dagegen bei topographischen Karten und regelmäßig noch größer bei thematischen Karten (BGH, GRUR 1998, S. 917 – Stadtplanwerk). Der Bundesgerichtshof (BGH, GRUR 1987, 361 – Werbepläne/Stadtplan; vgl. auch BGH, GRUR 1988, 33, 35 -Topographische Landeskarten) hat bei Landkarten zwar teilweise ein geringes Maß an Eigentümlichkeit genügen lassen, was aber einen engen Schutzumfang zur Folge hat. Es muss jedoch nach der Rechtsprechung eine ausreichend eigentümliche Formgestaltung erzielt werden, die beispielsweise entweder durch eine individuelle Auswahl und Kombination bekannter Methoden (BGH, GRUR 1987, 361 – Werbepläne/ Stadtplan; vgl. auch BGH, GRUR 1965, 45 f. – Stadtplan) oder durch eine Generalisierung, bei der nicht schematisch vorgegangen wird (BGH, Schulze BGHZ 368, 1 ff. und GRUR 1988, S. 33-36 -Topographische Landeskarten; BGH, NJW 1998, S. 3353 – Stadtplanwerk, bei dem der Charakter der Bebauung deutlich hervorgehoben ist), erreicht wird.
Vermessungsergebnisse werden urheberrechtlich nicht geschützt (BGHZ 118, S. 10 – Stadtplan; BGH, GRUR 1988, S. 917 – Stadtplanwerk). Damit sind aber lediglich die eigentlichen Vermessungsergebnisse, der eigentliche wissenschaftliche Inhalt, bzw. die eigentliche wissenschaftliche Aussage hinsichtlich der Vermessungsergebnisse gemeint, nicht die "Vermessungsergebnisse" in der individuellen Formgebung (Form-Inhalt-Problematik in der unten angegebenen Literaturfundstelle). Denn die individuelle Formgebung bzw. der konkrete individuelle Formverlauf ist urheberrechtlich geschützt. Die Form bzw. der Formverlauf kann nicht ohne das Hinzutun von einer eigenen ausreichend individuellen Formgestaltung in einer anderen Karte wiedergegeben werden.
Bezogen auf die digitale Kartographie muss hinsichtlich eines urheberrechtlichen Schutzes und hinsichtlich des eigenschöpferischen Spielraums zwischen einer Geodatenbank, einem Computerprogramm und Web-Seiten differenziert werden. Geodatenbanken können urheberrechtlich dann geschützt werden, wenn sie die Voraussetzungen des Datenbankwerkes des § 4 Abs.2 UrhG erfüllen. Datenbanken werden nur dann urheberrechtlich geschützt, wenn die Sammlung von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen aufgrund der Auswahl und/oder Anordnung der Elemente eine persönliche geistige Schöpfung ist. Datenbanken entstehen nämlich nicht aus sich selbst heraus. "Nur" in der Auswahl und/oder Anordnung liegt ein Spielraum für ein eigenschöpferisches Schaffen. Als Indiz für eine persönliche geistige Schöpfung bei einer Geodatenbank kann m.E. sprechen, wenn die Auswahl oder Anordnung auf mehreren eigenen wertenden Entscheidungen des Erschaffers beruht und diese im Hinblick auf die Gesamtkonzeption getroffen worden sind. Dabei ist zu beachten, dass die Anordnung oder Auswahl sich nicht aus der Natur der Sache – wie beispielsweise nach dem objektorientierten Datenmodell – ergeben darf, sondern muss über dem Alltäglichen, Schematischen, Üblichen, Handwerklichen liegen. Diese Indizien entbinden jedoch nicht von der Einzelfallbewertung.
Der urheberrechtliche Schutz von Computerprogrammen ist in den §§ 69 a ff. UrhG geregelt. Ein Computerprogramm sollte dann urheberrechtlich geschützt werden, wenn eine individuelle Kombination von Algorithmen gegeben ist. Der einzelne Algorithmus im Sinne einer Rechenregel wird urheberrechtlich jedoch nicht geschützt. Web-Seiten können Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie insbesondere Karten bzw. kartographische Erzeugnisse, Schriftwerke, Werke der bildenden Kunst oder Datenbanken (z. B. Link-Verzeichnisse) sein. Werden beispielsweise Landkarten auf einer Web-Seite aufgezeigt, orientiert sich ihr urheberrechtliches Beurteilen an den "Maßstäben" von Landkarten. Verwertungsrechte.
Literatur: [1] EGGERT, R. (1999): Urheberrechtsschutz bei Landkarten, Baden-Baden. [2] NORDEMANN, W., VINCK, K. & HERTIN, P.W. (1998): Urheberrecht, Kommentar zum Urheberrechtsgesetz und zum Urheberrechtswahrnehmungsgesetz, Stuttgart.
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