Lexikon der Kartographie und Geomatik: Wissenschaftliche Visualisierung
Wissenschaftliche Visualisierung
Heidrun Schumann, Rostock
Das Wort Visualisierung, abgeleitet vom lateinischen Wort "visus", bedeutet "optisch darstellen". Bildhafte Darstellungen waren schon zu allen Zeiten ein weit verbreitetes Medium zur Präsentation von Fakten und Informationen. Frühe Beispiele finden sich u. a. in der Astronomie, Meteorologie und Kartographie, vor allem zur Unterstützung der Seefahrenden und des Militärs. Auch in der Kunst wurde die Problematik, wie Informationen am besten visuell abgebildet werden können, schon immer behandelt.
Unter Visualisierung im wissenschaftlich-technischen Umfeld wird die bildliche Veranschaulichung der relevanten Charakteristika einer Datenmenge verstanden. Der Begriff wurde von McCormick, De Fanti und Brown geprägt und bezeichnet den Vorgang, der abstrakte Daten in geometrische transformiert. Die Ergebnisse von Messungen und Berechnungen oder auch Simulationen werden in Form von Bildern kodiert. Hiermit soll die Analyse, das Verständnis und die Kommunikation von Modellen, Konzepten und Daten erleichtert werden. Die Bilder müssen dabei so aufgebaut sein, dass der Betrachter in der Lage ist, sie nicht nur zu sehen, sondern auch zu erkennen, zu verstehen und zu bewerten. Ziel muss sein, aussagekräftige visuelle Repräsentationen bereitzustellen, die einerseits den Austausch von Arbeitsergebnissen unterstützen und andererseits ein geeignetes Hilfsmittel sind, mit dem innere, sonst verborgene Zusammenhänge aufgedeckt werden.
J. Bertin unterscheidet drei verschiedene Stufen der Informationsvermittlung mit einem Bild. Auf der ersten Stufe werden elementare Informationen direkt auf visuelle Attribute abgebildet. Das heißt zu jeder elementaren Information existiert im Bild ein visuelles Attribut in einer spezifischen Ausprägung. Auf der zweiten Stufe erfolgt eine Abstraktion bzw. Zusammenfassung von elementaren Informationen und deren Abbildung auf visuelle Attribute. Auf dieser Stufe werden grundlegende Charakteristika verdeutlicht. Eine visuelle Repräsentation auf dieser Stufe ist vor allem zur Kommunikation geeignet. Die dritte Stufe repräsentiert zusätzlich Erkenntnisse und Schlussfolgerungen aus dem Analyseprozess in anschaulicher Form, in dem die Gesamtheit sämtlicher in den Daten enthaltenen Informationen dargestellt wird. Das eigentliche Ziel einer Visualisierung ist das Erreichen der dritten Stufe, die auch als Grundlage für Entscheidungen genutzt werden kann.
Die Qualität einer visuelle Repräsentation wird im wesentlichen durch drei Kriterien bestimmt: Expressivität; Effektivität und Angemessenheit. Die Expressivität garantiert, dass die in den Daten enthaltenen Informationen, und nur diese, dargestellt werden. Die Effektivität berücksichtigt die visuellen Fähigkeiten eines Betrachters unter den gegebenen Randbedingungen wie Bearbeitungsziele bei der visuellen Analyse, Anwendungskontext und Eigenschaften des Ausgabemediums. Die Angemessenheit setzt Kosten und Nutzen des Visualisierungsprozesses zur Erreichung der Bearbeitungsziele ins Verhältnis. Insbesondere die Einhaltung der Expressivität ist eine Grundvoraussetzung für die Visualisierung, damit die erzeugten Bilder nicht zu Verständnisproblemen oder sogar zu Fehlinterpretationen führen. Aufgrund der Charakteristika einer Datenmenge werden verschiedene Datenklassen unterschieden und dementsprechend spezifische Visualisierungsmethoden angewandt. Im wesentlichen unterscheidet man Methoden zur Volumenvisualisierung, zur Strömungsvisualisierung zur Darstellung von Multiparameterdaten und zur Informationsvisualisierung. In allen Fällen müssen Werte und Maße graphisch und maßgebunden (Wertmaßstab) umgesetzt werden.
Neben manueller Bildgraphikgestaltung stehen heute leistungsfähige Visualisierungssysteme mit modularem Aufbau zur Verfügung und erlauben eine problembezogene Konfiguration des Datenflusses für unterschiedliche Klassen von Anwendungen. Daneben existieren spezielle Systeme, die auf die spezifischen Anforderungen einzelner Problemstellungen zugeschnitten sind.
Literatur: [1] MC CORMICK, B.H., DE FANTI, T.A., BROWN, M.O. (1987): Visualization in Scientific Computing. Computer graphics 21(6), 1-14. [2] SCHUMANN, H. & MÜLLER, W. (2000): Visualisierung – Grundlagen und allgemeine Methoden. Berlin, Heidelberg. [3] WARE, C. (2000): Information Visualization. San Francisco. [4] NIELSON, G., HAGEN, H., MÜLLER, H. (1997): Scientific Visualization – Overviews, Methodologies, Techniques. IEEE Computer Society, Los Alamitos. [5] HEARNSHAW, M. & UNWIN, D. (1994): Visualization in Geographical Information Systems, Chichester.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.