Lexikon der Mathematik: Approximationstheorie: Begriffe, Inhalte, Ziele
G. Meinardus
In der Approximationstheorie (in der Folge abgekürzt durch AT) untersucht man – mit gebotener mathematischer Strenge – Phänomene, die bei der angenäherten Darstellung von Funktionen auftreten. In den letzten Jahrzehnten hat sich dabei derjenige Teil der AT, der sich auf numerische Probleme anwenden läßt, in den Vordergrund geschoben. Das Prinzip der besten Annäherung nicht-elementarer Funktionen durch Polynome oder durch rationale Funktionen gewann durch die hektisch verlaufende technische Entwicklung der Computer ständig an Bedeutung, denn man benötigte schnelle und platzsparende Subroutinen. Inzwischen hat sich der Schwerpunkt der Forschung etwas verlagert. Dies wurde und wird durch neue, zum Teil unerwartete, Anwendungen motiviert. Trotzdem behalten die ursprünglichen Fragestellungen ihren prägenden Einfluß. Hinzu kommt, daß einige wesentliche Probleme noch nicht gelöst sind.
Einer der wichtigsten Begriffe in der linearen eindimensionalen AT ist die Haarsche Bedingung. Hier liegt der folgende Sachverhalt vor: Man möchte eine reelle Funktion f ∈ C[a, b] auf einem reellen Intervall [a, b] durch Funktionen aus einem Vektorraum V ⊂ C[a, b] endlicher Dimension n approximieren. Der Raum V erfülle die Haarsche Bedingung, d. h. jede Funktion aus V, die nicht identisch auf dem Intervall [a, b] verschwindet, besitzt höchstens n − 1 Nullstellen in diesem Intervall.
Unter Benutzung der Tschebyschew- oder Maximumnorm
\begin{eqnarray}B(x)=\displaystyle \sum _{v=0}^{n}{b}_{v}(n\\ v){x}^{n-v}{(1-x)}^{v},\end{eqnarray}
für x ∈ [0, 1], der zugehörigen Bézier-Kurve bzw -Fläche. Die Auswertung der obigen Darstellung, die Hinzunahme und die Streichung von Kontrollpunkten geschieht rekursiv. Wichtig für diese Konstruktion ist, daß die gewonnenen Kurven formerhaltende Eigenschaften, wie Monotonie, Konvexität etc., verglichen mit dem die Kontrollpunkten verbindenden Streckenzug, besitzen. Dies gilt i.w. auch für die gewonnenen Flächen im ℝ3.
Man gelangt oft zu guten Annäherungen durch Anwendung eines Eliminationsverfahrens. Ein einfaches Beispiel soll hier kurz geschildert werden. Es ist i.w. identisch mit dem bekannten Romberg-Verfahren zur numerischen Quadratur.
Es sei von einer univariaten oder multivariaten reellen Funktion f bekannt, daß sie als punktweise gebilderter Grenzwert einer reellen Folge yn(x) aufgefaßt werden kann. Diese Folge besitze nun eine asymptotische Entwicklung
für m → ∞; n = 1, 2, ··· . Dann wird die Folge vn(x), die als Linearkombination
definiert ist, i.a. ein besseres Konvergenzverhalten haben, da sie einer Entwicklung der Form
genügt.
Der nächste Schritt ergäbe eine Folge
etc. Die Fortsetzung dieser Eliminationsmethode (auch (Richardson-)Extrapolation genannt) liegt auf der Hand. Dieses rekursive Verfahren garantiert eine hohe numerische Stabilität, jedoch muß die Existenz einer asymptotischen Entwicklung der Folge yn(x) nachgewiesen werden.
Wir erwähnen zum Abschluß, daß, im Zusammenhang mit gewöhnlichen und partiellen Differentialgleichungen, eine relativ große Klasse von Aufgaben in der AT bearbeitet werden sollten. Es geht dabei häufig um Randwertprobleme, z.T. um solche mit freien Rändern, bei denen die zugehörigen Operatoren bezüglich einer gegebenen Halbordnung invers-monoton sind.
Es gibt einige interessante und vielversprechende Beispiele, doch fehlt bis dato eine grundlegende Theorie.
Literatur
[1] Meinardus, G.: Approximation von Funktionen und ihre numerische Behandlung. Springer-Verlag Heidelberg, 1964.
[2] Müller, M.: Approximationstheorie. Akademische Verlagsgesellschaft Wiesbaden, 1978.
[3] Nürnberger, G.: Approximation by Spline Functions. Springer-Verlag Heidelberg, 1989.
[4] Powell, M.J.D.: Approximation Theory and Methods. Cambridge University Press, 1981.
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