Lexikon der Mathematik: Artin, Emil
Mathematiker, geb. 3.3.1898 Wien, gest. 20.12.1962 Hamburg.
Artin wuchs als Sohn eines Kunsthändlers und einer Opernsängerin in Reichenberg (Libérée) auf. Nach dem Studium in Wien (1916) und Leipzig (ab 1919) promovierte er 1921 bei Herglotz in Leipzig mit einer Arbeit zur Zahlentheorie. Er setzte dann seine Studien in Göttingen fort und ging nach einem Jahr nach Hamburg, wo er sich 1923 habilitierte, 1925 Extraordinarius und 1926 ordentlicher Professor wurde. In Hamburg leitete er bis zu seiner Emigration in die USA 1937 zusammen mit Heeke und Blasehke das Mathematische Seminar und hatte wesentlichen Anteil an der Entwicklung dieses neuen mathematischen Zentrums in Deutschland. In den USA wirkte er an der Universität von Notre Dame (Indiana), 1938-1946 an der Indiana Universität in Bloomington und ab 1946 am Institute of Advanced Study in Princeton. 1958 nahm er einen Ruf an die Hamburger Universität an.
Artins Hauptforschungsgebiete waren Zahlentheorie und Algebra. In seiner Dissertation wandte er die arithmetische und analytische Theorie der quadratischen Zahlkörper über dem Körper der rationalen Zahlen an, um die quadratischen Erweiterungen des Körpers der rationalen Funktionen einer Veränderlichen über einem endlichen Koeffizientenkörper zu untersuchen. Für die ζ -Funktion dieser Körper formulierte er Hypothesen, die zur Riemannschen Vermutung analog sind, und bewies einige Spezialfälle. Den allgemeinen Beweis für Artins Vermutung gab Weil 1948.
In der Habilitationsschrift begann Artin mit dem Studium von Verallgemeinerungen der klassischen L-Reihen, die ihn nun Zeit seines Lebens beschäftigten. Diese Funktionen spielen in der Zahlentheorie, insbes. der Klassenkörpertheorie, eine wichtige Rolle. Auf dieser Basis schuf Artin u. a. 1927 eine neue kanonische Formulierung der Klassenkörpertheorie und leitete ein allgemeines Reziprozitätsgesetz ab, das alle vorher bekannten Reziprozitätsgesetze umfaßte.
Zusammen mit E. Noether hatte Artin großen Anteil an der Herausbildung der modernen abstrakten Algebra und deren Axiomatisierung. Gemeinsam mit Schreier formulierte er die abstrakte Theorie der geordneten Körper und löste 1927 mit Hilfe dieser Theorie formal-reeller Körper das 17. Hilbertsche Problem über die Darstellbarkeit der überall nichtnegativen rationalen Funktionen mit reellen Koeffizienten als Quotient von Polynomen positiv. Weitere wichtige Resultate erzielte er bei der Verallgemeinerung der Wedderburnschen Sätze zur Struktur hyperkomplexer Systeme (Algebren), zur Linearisierung der Galois-Theorie sowie zur Knotentheorie in dreidimensionalen Mannigfaltigkeiten.
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