Lexikon der Mathematik: Bifurkation
auch Gabelung oder Verzweigung genannt, Bezeichnung für die qualitative Änderung eines parameterabhängigen mathematischen Objektes bei bestimmten kritischen Parameterwerten, den sog. Bifurkationswerten.
Man unterscheidet statische Bifurkation, in der die Änderung der Nullstellenmenge einer geeigneten Abbildung unter Änderung ihrer Parameter untersucht wird, und dynamische Bifurkation, in der die qualitative Änderung von Lösungen (z. B. Stabilität von Fixpunkten, Grenzzykel) eines Differentialgleichungssystems untersucht wird, das durch ein parameterabhängiges Vektorfeld gegeben ist.
Zum besseren Verständnis kann man das auch etwas salopp so formulieren: Die statische Bifurkation befaßt sich mit den Veränderungen, die in der Struktur der Nullstellenmenge einer Funktion auftreten, wenn die Parameter λ in der Funktion variiert werden. (Ist die Funktion ein Gradient, so spielen dabei Variationstechniken eine große Rolle, und man kann unter Umständen auch globale Probleme lösen. Ist die Funktion dagegen kein Gradient, so bleibt die Theorie üblicherweise lokal.) Die Methoden der statischen Bifurkationstheorie sind direkt auf bestimmte Differentialgleichungen bzw. auf die Suche nach Gleichgewichtslösungen dieser Differentialgleichungen anwendbar.
Will man zusätzlich die Stabilitätseigenschaften solcher Lösungen untersuchen, so kommt man zur dynamischen Bifurkationstheorie.
Seien Banachräume X, Y, Z sowie eine offene Teilmenge Λ ⊂Y und eine Abbildung F : Λ × X → Z gegeben. Für λ ∈ Λ bezeichnen wir mit &Ngr;λ⊂X die Menge aller x ∈ X, die F(λ, x) = 0 erfüllen. Statische Bifurkation untersucht diese Menge &Ngr;λ in Abhängigkeit von λ.
Sei U⊂X offen. Dann bezeichnen wir für λ, μ ∈ Λ die Nullstellenmengen &Ngr;λ und &Ngr;μ als äquivalent in U, falls &Ngr;λ ∩ U und &Ngr;μ ∩ U homöomorph sind. λ0 ∈ Λ heißt Bifurkationspunkt, falls für jede Umgebung V⊂ Λ von λ0 ein x0 ∈ Nλ0, eine Umgebung U⊂X von x0 und λ1, λ2 ∈ V existieren so, daß Nλ1 und Nλ2 nicht äquivalent in U sind. So ist z. B. λ0 ∈ Λ ein Bifurkationspunkt, falls \({x}_{0}\in {N}_{{\lambda }_{0}}\) existiert so, daß für jede Umgebung \(\tilde{U}\) von (λ0, x0) Paare \((\lambda ,{x}_{1}),(\lambda ,{x}_{2})\in \tilde{U}\) existieren mit x1 ≠ x2 und F(λ, x1) = F(λ, x2) = 0.
Um dynamische Bifurkation zu definieren, wird eine geeignete Äquivalenzrelation ~ auf Vektorfeldern definiert. Ein Vektorfeld f heißt dann strukturstabil, falls (etwa in der Ck-Topologie) eine Umgebung V von f existiert so, daß für alle g ∈ V gilt: f ~ g. Ein Vektorfeld f heißt Bifurkationspunkt, falls es nicht strukturstabil ist.
Wir wählen z. B. als Äquivalenzrelation die Fluß-Äquivalenz (Äquivalenz von Flüssen) der zu den Vektorfeldern gehörigen Flüsse. Betrachten wir die parameterabhängige Funktion bzw. das parameterabhängige Vektorfeld, gegeben durch fλ(x) : = λ − x2. Dann ist λ = 0 ein Bifurkationspunkt von fλ im Sinne der statischen Bifurkation und ein Bifurkationspunkt für das parameterabhängige Vektorfeld fλ im Sinne der dynamischen Bifurkation, wie man aus dem Verhalten der Lösungen folgender Abbildung entnehmen kann.
Einen ersten Eindruckvon einer Bifurkation erhält man oftmals aus dem sog. Bifurkationsdiagramm, in dem man die Nullstellenmengen &Ngr;λ parameterabhängig aufträgt. Wir betrachten z. B. fλ(x) := −x3 + λx. Bei (λ, x0) = (0, 0) liegt ein Bifurkationspunkt. Im folgenden Bifurkationsdiagramm sind die Fixpunkte des parameterabhängigen Vektorfeldes fλund ihr Stabilitätsverhalten eingetragen.
Der Begriff der Bifurkation wurde von Poincaré eingeführt, um das Aufspalten von Fixpunkten einer Familie dynamischer Systeme zu beschreiben.
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