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Lexikon der Mathematik: Boolesche Zuverlässigkeitstheorie

Teilgebiet der Zuverlässigkeitstheorie, in dem von folgenden Voraussetzungen ausgegangen wird:

  1. Alle Elemente des betrachteten Systems und das System selbst besitzen nur die beiden Zustände 0 =, nicht intakt’ und 1 =, intakt‘.
  2. Die Systemstruktur ist derart, daß das System monoton ist, d. h. die Verschlechterung des Zustands einer Systemkomponente hat keine Verbesserung des Systemzustandes zur Folge.
  3. Die Elemente des Systems werden als binäre Zufallsvariablen aufgefaßt, die stochastisch unabhängig voneinander sind.

In der Booleschen Zuverlässigkeitstheorie geht es darum, die Systemstrukturfunktion (Strukturanalyse) und auf deren Basis die Systemzuverlässigkeitsfunktion (Zuverlässigkeitsanalyse) zu berechnen. Die Funktionen werden auch als Boolesche Systemstrukturbzw. Boolesche Systemzuverlässigkeitsfunktion bezeichnet.

Strukturanalyse: Die Systemstrukturfunktion ordnet jedem Zustandsvektor der Elemente des Systems den Zustand des Systems zu. Für Systeme mit Serienoder Parallelstruktur ist eine solche Zuordnung trivial: Ein Seriensystem besitzt den Zustand 1, wenn alle Elemente im Zustand 1 sind; ein Parallelsystem hat den Zustand 0, wenn alle Elemente den Zustand 0 besitzen.

Unter der Voraussetzung 1. kann man zeigen, daß jedes monotone System sich mit Hilfe sogenannter minimaler Schnittoder Pfadmengen in Systeme mit Serien- und Parallelstrukturen transformieren läßt (Zuverlässigkeitsschaltbilder).

Für solche Parallel- und Serienstrukturen kann man leicht mit Hilfe Boolescher Funktionen die Systemstrukturfunktion bestimmen. Bezeichnet man mit \({x}_{j}=1\) und \({x}_{j}=0\), \(j=1\),..., n, den Zustand des j-ten Elements des Systems, mit \({P}_{1},\ldots, {P}_{m}\) die minimalen Pfadmengen und mit \({S}_{1},\ldots, {S}_{l}\) die minimalen Schnittmengen des Systems, so ergibt sich die Systemstrukturfunktion φ zu

\begin{eqnarray}\phi ({x}_{1},\ldots, {x}_{n}) & = & 1-\displaystyle \prod _{i=1}^{m}(1-\displaystyle \prod _{j\in {P}_{i}}{x}_{j})\\ & = & \displaystyle \prod _{i=1}^{l}(1-\displaystyle \prod _{j\in {S}_{i}}(1-{x}_{j})).\end{eqnarray}

Für Systeme mit komplexeren Strukturen wird auch die Fehlerbaumanalyse angewendet.

Zuverlässigkeitsanalyse: Unter der Zuverlässigkeit eines Systemelements oder des Systems versteht man die Wahrscheinlichkeit des Nicht-Ausfalls des Elements bzw. Systems. Die Zuverlässigkeitsfunktion berechnet die Systemzuverlässigkeit aus der Zuverlässigkeit der Elemente unter Beachtung der Systemstruktur.

Es gibt hier zwei Möglichkeiten. Entweder wird die Zuverlässigkeit unabhängig von der Zeit als konstant betrachtet, oder in Abhängigkeit von der Zeit durch eine Überlebenswahrscheinlichkeit beschrieben. Im letzteren Fall versteht man unter der Systemzuverlässigkeit die Wahrscheinlichkeit dafür, daß das System einen bestimmten Zeitpunkt intakt überlebt. Ist die Systemzuverlässigkeit unabhängig von der Zeit zu betrachten, so kann man für die unter den Voraussetzungen 1. und 2. entstehenden Systemstrukturen und unter der Annahme 3. der Unabhängigkeit der Elemente die Systemzuverlässigkeit h = P (das System ist im Zustand 1) leicht unter Verwendung der Gesetze der Wahrscheinlichkeitsrechnung bestimmen.

Es seien \({p}_{i}=P({x}_{i}=1)\) die Zuverlässigkeit des i-ten Systemelements und \(x=({x}_{1},\ldots, {x}_{n})\) der Vektor der Zustände aller Elemente des Systems. Dann gilt:

\begin{eqnarray}h & = & h({p}_{1},\ldots, {p}_{n},\phi )\\ & = & \displaystyle \sum _{\overrightarrow{x}\in {\{0,1\}}^{n}}\displaystyle \prod _{j=1}^{n}{p}_{j}^{{x}_{j}}{(1-{p}_{j})}^{(1-{x}_{j})}\phi (\overrightarrow{x}).\end{eqnarray}

Für ein reines Seriensystem ergibt sich daraus beispielsweise die offensichtliche Zuverlässigkeitsfunktion

\begin{eqnarray}H=h({p}_{1},\ldots, {p}_{n},\phi )=\displaystyle \prod _{j=1}^{n}{p}_{j}.\end{eqnarray}

Eine spezielle Fragestellung in solchen Systemen besteht zum Beispiel in der Erhöhung der Sicherheit durch Redundanz, d. h. in der Beantwortung der Frage, wieviele Elemente man parallel schalten muß, damit die Zuverlässigkeit des Systems eine vorgegebene Schranke nicht unterschreitet.
  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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