Bezeichnung für die mathematische Entwicklung in Abhängigkeit vom jeweiligen Kulturkreis.

Seit den großen Entdeckungsreisen des 15. Jahrhunderts eröffneten sich auch neue Einblicke in die kulturelle Entwicklung der Menschheit. Der europazentristische Standpunkt war zum Verständnis der kulturellen Entwicklungen fremder Völker wenig hilfreich. Das traf auch auf den sich anschließenden kolonialen Prozeß zu, der sich seit den Entdeckungsreisen über große Teile der Welt erstreckte. Gleichzeitig führte dieser Prozeß aber auch zur Erforschung der Eigenheiten fremder Kulturen. Während auf vielen Gebieten der materiellen Kultur (z. B. Nahrungsmittelgewinnung usw.), der politischen Organisation, der Sprachen, Musik, Religion der „Naturvölker“ und der „marginaler Kulturen“ (z. B. der baskischen Kultur) weitreichende Erkenntnisse vorliegen, fehlen aber bis heute Erklärungsmuster für die unterschiedlichen kulturellen Entwicklungen verschiedener Völker. Insbesondere trifft dies auch zu für die Entwicklung wissenschaftlichen und speziell mathematischen, astronomischen und metrologischen Wissens und Könnens bei verschiedenen Völkern und in verschiedenen Kulturkreisen.

Die Forschung erstreckt sich daher heute ebenso auf Grundlagen der Zahlen- und Maßsysteme, die Rechentechnik, die praktische Geometrie sowie auf astronomische, astrologische und kosmologische Vorstellungen.

Von großem Interesse ist zudem die Frage, wie die (mathematischen) Erkenntnisse dominanter Kulturen in marginalen Kulturen in der Vergangenheit aufgenommen und verarbeitet worden sind, welche wissenschaftlichen Einflüsse von den verschiedenen Kulturen ausgehen, und wie sich kulturelle Traditionen auf die Forschung der Gegenwart auswirken.