Lexikon der Mathematik: Fixpunktsätze
Sätze, die die Existenz von Fixpunkten für gewisse Klassen von Abbildungen garantieren.
Statt eine Gleichung der Form F(x) = y zu lösen, kann man in vielen Anwendungen zu einer äquivalenten Fixpunktgleichung übergehen. Entstammen x und y demselben Banachraum, so würde die obige Gleichung etwa mittels
\begin{eqnarray}f(x) = \lambda(F(x)-y) + x, \end{eqnarray}
\begin{eqnarray}f(x) = x\end{eqnarray}
überführt. Fixpunktsätze sichern also die Lösbarkeit gewisser Gleichungen.Dieses Prinzip wird insbesondere in der Theorie der Differentialgleichungen angewandt; z. B. kann ein Anfangswertproblem für eine gewöhnliche Differentialgleichung
\begin{eqnarray}x^{\prime}= k(t, x),\qquad x(t_{0}) = x_{0}\end{eqnarray}
\begin{eqnarray}\bigl(f(x)\bigr)(t)=x_{0}+\int\limits_{t_{0}}^{t}k(s,x(s))ds\end{eqnarray}
transformiert werden.Einer der einfachsten, aber auch bedeutendsten Fixpunktsätze ist der Banachsche Fixpunktsatz, der hier nochmals formuliert wird: Ist f : M → M eine stetige Abbildung auf einem vollständigen metrischen Raum, für die eine Zahl q< 1 mit
\begin{eqnarray}d\bigl(f(x_{1}),f(x_{2})\bigr)\leq q\,\,d(x_{1},x_{2})\ \forall x_{1},x_{2}\in M\end{eqnarray}
existiert (also eine kontrahierende Abbildung), so besitzt f genau einen Fixpunkt. Dieser kann konstruktiv als Grenzwert der Iterationsfolge xn + 1 = f(xn) bei beliebigem Startpunkt x0 gewonnen werden.Im Kontext von (2) kann man zeigen, daß, für eine geeignete Funktionenmenge
\begin{eqnarray}M\subset C[t_{0}-\delta, t_{0}+\delta]\end{eqnarray}
mit hinreichend kleinem δ, f eine kontrahierende Selbstabbildung ist, falls k stetig ist und einer Lipschitz-Bedingung bzgl. des zweiten Arguments genügt. Man erhält so einen Beweis des Existenzund Eindeutigkeitssatzes von Picard-Lindelöf.Jenseits der Existenzaussage ist der konstruktive Aspekt des Banachschen Fixpunktsatzes bedeutsam. Die theoretisch triviale Divisionsaufgabe x = b/a ist zur Lösung der Fixpunktgleichung
\begin{eqnarray}f(x):= (1-\lambda a)x+\lambda b =x\end{eqnarray}
äquivalent. Die Berechnung der Iterationsfolge xn + 1 = f (xn) ist jedoch auch praktisch einfach; durch geschickte Wahl von λ = ±2−k erreicht manWeitere fundamentale Fixpunktsätze sind der Brouwersche Fixpunktsatz im ℝd und dessen unendlichdimensionale Verallgemeinerung, der Schaudersche Fixpunktsatz: Ist M eine kompakte konvexe Teilmenge eines Banachraums (oder eines lokalkonvexen Raums), so besitzt jede stetige Abbildung f : M → M einen Fixpunkt. Dieser Satz ist von topologischer statt metrischer Natur, und die Fixpunkte werden nicht mehr konstruktiv gewonnen. Man hat auch keine Eindeutigkeitsaussage mehr; mit Hilfe des Konzepts des Fixpunktindex erhält man Aufschluß über die Anzahl der Fixpunkte. Der Schaudersche Fixpunktsatz kann auf (2) angewandt werden, wenn k nur stetig ist; man bekommt so einen Beweis des Existenzsatzes von Peano.
Andere wichtige Fixpunktsätze sind der Fixpunktsatz von Browder-Göhde-Kirk, der den Fall q = 1 in (3) diskutiert, der Darbo-Sadowskische Fixpunktsatz über verdichtende Operatoren und der Fixpunktsatz von Kakutani über mengenwertige Abbildungen.
[1] Goebel, K.; Kirk, W. A.: Topics in Metric Fixed Point Theory. Cambridge University Press, 1990.
[2] Zeidler, E.: Nonlinear Functional Analysis and Its Applications I. Springer, 1986.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.