Lexikon der Mathematik: Funktion von beschränkter Variation
eine Funktion, die nicht zu sehr „oszilliert“.
Definition und Charakterisierung dieser Funktionen gehen auf Camille Jordan zurück. Sie haben Bedeutung u. a. in der Theorie der Fourier-Reihen, bei der Einführung von Stieltjes-Integralen und zur Beschreibung der Rektifizierbarkeit von Kurven. Gegeben seien reelle Zahlen a, b mit a< b und g : [a, b] → ℝ. Zu einer Zerlegung
Die Menge aller Funktionen von beschränkter Variation auf [a, b] wird mit \(\mathcal{B}V[a,b]\) bezeichnet. Sie ist ein Vektorraum über \(\mathbb{R}\), es gilt sogar:
\(\mathcal{B}V[a,b]\)ist eine Algebra.
Man hat Additivität bezüglich der Intervallgrenzen: Für a ≤ c ≤ b gilt: g ist über [a, b] genau dann von beschränkter Variation, wenn g über [a, c] und über [c, b] von beschränkter Variation ist. In diesem Fall gilt
- V(g, [a, b]) = V+(g, [a, b]) + V−(g, [a, b]), g(b) − g(a) = V+ (g, [a, b]) − V−([a, b]).
- Jede monotone und jede Lipschitz-stetige Funktion g : [a, b] → ℝ ist von beschränkter Variation. Ist ϕ : [a, b] → ℝ Lebesgue-integrierbar, so ist g(x) := ∫[a, x]ϕ(t)dλ(t) von beschränkter Variation auf [a, b]. V+(g[a, x]) und V−(g, [a, x]) sind für a ≤ x ≤ b von beschränkter Variation für \(g\in\mathcal{B}V[a,b]\).
- Es gilt für \(g\in\mathcal{B}V[a,b]\) die Jordan-Zerlegungg(x)−g(a) = V+ (g, [a, x]) − V−(g, [a, x]) für a ≤ x ≤ b in die Differenz zweier isotoner Funktionen.
Diese Zerlegung ist minimal in dem Sinn, daß, wenn g = h1 − h2 eine Zerlegung in zwei isotone Funktionen h1 und h2 ist, h1 − V+(g, [a, ]) und h2 − V−(g, [a, ]) isotone Funktionen sind. - \(g\in\mathcal{B}V[a,b]\) hat höchstens abzählbar viele Unstetigkeitsstellen und an jeder Unstetigkeitsstelle einen rechtsseitigen und linksseitigen Grenzwert.
- Für \(g\in\mathcal{B}V[a,b]\) existiert kein x ∈ [a, b) mit V+(g, [a, x + 0]) − V+ (g, [a, x]) > 0 und V−(g, [a, x + 0]) − V−(g, [a, x]) > 0. Entsprechendes gilt für linksseitige Grenzwerte. g ist also genau dann in x ∈ [a, b] linksbzw. rechtsseitig stetig, falls es V+(g, [a, ]) und V−(g, [a, ]) sind, oder falls es V(g, [a, ]) ist.
- Ist \(g\in\mathcal{B}V[a,b]\) auf [a, b) rechtsseitig stetig, so definiert g ein endliches signiertes Maß μ auf \(\mathcal{B}([a,b])\), und V+(g, [a, ]) bzw. V−(g, [a, °]) endliche Maße μ+ bzw. μ− auf \(\mathcal{B}([a,b])\). μ = μ+ − μ− ist die Jordan-Zerlegung des signierten Maßes μ.
- Für \(g\in\mathcal{B}V[a,b]\) ist
\begin{align} S(g,[a,x]):= & g(a+0)-g(a)\\ & +\sum_{a\lt y \lt x } (g(y+0)-g(y-0))\\ &+g(x)-g(x-0) \end{align} eine Sprungfunktion und von beschränkter Variation, und h : = g − S(g, [a, ]) ist stetig und von beschränkter Variation.
„Extern“ läßt sich die Gesamtheit der gunktionen von beschränkter Variation wie folgt beschreiben:
g ist genau dann von beschränkter Variation, wenn g sich als Differenz zweier isotoner Funktionen schreiben läßt.
Nicht jede differenzierbare, somit erst recht nicht jede stetige, Funktion ist von beschränkter Variation, wie das folgende Beispiel zeigt: Es sei g : [0,1] → ℝ gegeben durch:
Ist g auf [a, b] von beschränkter Variation, dann existiert g′(x) für fast alle x ∈ [a, b]. Ergänzt sei noch:
Absolut stetige Funktionen sind von beschränkter Variation.
Für die praktische Berechnung der Totalvariation − eventuell nur auf Teilintervallen − zieht man meist folgendes Kriterium heran:
Istg auf [a, b] stetig differenzierbar, so ist g von beschränkter Variation mit
Durch
Mit naheliegenden Modifikationen kann man statt auf [a, b] auch auf ganz ℝ definierte Funktionen betrachten und wesentlich allgemeinere Zielbereiche als ℝ zulassen.
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