Lexikon der Mathematik: Funktionenräume
Funktionenräume sind Banachräume oder allgemeiner topologische Vektorräume, die aus Funktionen bestehen. Es ist eine Grundidee der modernen Analysis, Funktionen als Punkte in einem geeigneten Vektorraum zu interpretieren und Probleme der Analysis durch Abbildungen auf einem solchen Raum zu studieren. Um zu nichttrivialen Aussagen zu gelangen, muß man diese Vektorräume jedoch mit einer Norm oder einer Topologie versehen; deswegen spielen die unterschiedlichsten Banachräume, Quasi-Banachräume und topologischen Vektorräume eine Rolle in der Analysis. Es folgen Beispiele für Funktionenräume.
Räume stetiger Funktionen
C(K) ist der Raum der stetigen Funktionen auf einem Kompaktum K, Cb(T) ist der Raum der beschränkten stetigen Funktionen auf einem topolo- gischen Raum T, und C0(L) ist der Raum der stetigen, im Unendlichen verschwindenden Funktionen (d. h. {x : | f(x)| ≥ ε} ist für jedes ε > 0 kompakt) auf einem lokalkompakten Raum L. Die kanonische Norm dieser Räume ist die Supremumsnorm
Der Dualraum von C(K) bzw. C0L) ist isometrisch isomorph zum Raum aller regulären signierten oder komplexen Borelmaße auf K bzw. L (Rieszscher Darstellungssatz). Für den Dualraum von Cb(T) existiert i. allg. keine konkrete Darstellung. Ist T vollständig regulär, so ist Cb(T) = C(βT) (Stone-Cech-Kompaktifizierung), daher kann (Cb(T))′ mit dem Raum aller regulären Borelmaße auf βT identifiziert werden.
Räume Hölder- und Lipschitz-stetiger Funktionen
Sei (M, d) ein metrischer Raum. Auf dem Raum Lip(M, d) aller Lipschitz-stetigen Funktionen betrachte man die Norm (x0 ∈ M ein fester Punkt)
Sie macht Lip(M, d) zu einem Banachraum, der außer im Fall endlicher M nicht separabel ist. Statt der genannten Norm werden auch diverse dazu äquivalente Normen betrachtet; z. B. kann man bei kompaktem M statt |f(x0)| auch ||f||∞ addieren oder statt der Summe das Maximum betrachten.
Sei nun speziell M ⊂ ℝn und 0 < α ≤ 1, und dα sei die Metrik
Räume differenzierbarer Funktionen
Sei Ω ⊂ ℝn offen und k ∈ ℕ. Man definiert Ck(Q) als Raum aller k-mal stetig differenzierbaren Funktionen auf Ω, für die alle Ableitungen der Ordnung ≤ k beschränkt sind. Mit der Norm
\(C^{k}(\bar{\Omega})\) ist der abgeschlossene Unterraum derjenigen Funktionen, für die alle Ableitungen der Ordnung ≤ k stetig auf \([\bar{\Omega}]\) fortgesetzt werden können. In der Regularitätstheorie partieller Differentialgleichungen ist eine Verfeinerung der Skala der Ck- Räume wichtig: Ck,α (Ω), wo 0 < α ≤ 1, besteht aus allen f ∈ Ck(Ω), für die die Ableitungen der Ordnung k noch α-Hölder-stetig sind.
Lokalkonvexe Funktionenräume
In der Distributionentheorie betrachtet man auch nicht normierte Räume. Besonders wichtig sind (Ω ⊂ ℝn offen) der Raum C∞(ω) aller beliebig häufig differenzierbaren Funktionen, der in der Distributionentheorie üblicherweise mit \(\mathcal{E}(\Omega)\) bezeichnet wird, und der Raum \(\mathcal{D}(\Omega)\) aller beliebig häufig differenzierbaren Funktionen mit kompaktem Träger. \(\mathcal{E}(\Omega)\) trägt die von der Halbnormfamilie (m ∈ ℕ, K ⊂ Ω kompakt)
Die Topologie von \(\mathcal{D}(\Omega)\) ist schwieriger zu beschreiben. Zunächst betrachtet man für kompaktes K ⊂ Ω den Raum
Für den Aufbau der Integrationstheorie nach Bourbaki ist der Raum \(\mathcal{K}(\Omega)\) aller auf einem lokalkompakten Raum L definierten stetigen Funktionen mit kompaktem Träger fundamental. Auf \(\mathcal{K}(\Omega)\) betrachtet man die Topologie des strikten induktiven Limes der mit der Supremumsnorm versehenen Banachräume \(\mathcal{K}_{K}(L)=\{\varphi \in \mathcal{K}(L):\mathrm{supp}\ \varphi \subset K\}\), wo K ⊂ L kompakt ist. Definitionsgemäß besteht der Dualraum von \(\mathcal{K}(\Omega)\) aus allen Radon Maßen auf L.
Räume analytischer Funktionen
Seien \({\mathbb{D}}=\{z\in {\mathbb{C}}:|z|\lt 1\}\) und \({\mathbb{T}}=\{z\in {\mathbb{C}}:|z|= 1\}\). Die abgeschlossene Unteralgebra \(A(\mathbb{D})\) von \(C(\bar{\mathbb{D}})\) aller auf \(\bar{\mathbb{D}}\) stetigen und auf \(\mathbb{D}\) analytischen Funktionen wird Disk-Algebra genannt.
Ferner sei \(H^{\infty}(\mathbb{D})\) der Raum aller beschränkten analytischen Funktionen auf \(\mathbb{D}\); mittels Randwerten (Hardy-Raum) kann \(A(\mathbb{D})\) als abgeschlossene Unteralgebra von \(C(\mathbb{T})\) sowie \(H^{\infty}(\mathbb{D})\) als abgeschlossene Unteralgebra von \(L^{\infty}(\mathbb{T})\) aufgefaßt werden.
Die komplexwertigenen Algebrenhomomorphismen der Algebra \(A(\mathbb{D})\) sind genau die Auswertungsfunktionale
LP-Räume
Sei (Ω, Σ, μ) ein Maßraum und p > 0. Dann ist
Ist μ das Lebesgue-Maß auf Ω ⊂ ℝn oder einer Mannigfaltigkeit, schreibt man auch Lp(Ω). Für p > 1 ist der Dualraum von Lp(μ) isometrisch isomorph zu Lq(μ), wo 1/p + 1/q = 1; der Isomorphismus Φ : Lq → (Lp)′ ist durch
Für p = ∞ wird man auf den Raum der wesentlich beschränkten Funktionen
In der anderen Richtung wird die Lp-Skala durch den Raum
Sei nun Ω ⊂ ℝn. In der Distributionentheorie ist der Raum \(L^{1}_{\mathrm{lok}}(\Omega)\) der lokal integrierbaren Funktionen von Bedeutung, der aus allen meßbaren Funktionen (eigentlich Äquivalenzklassen solcher Funktionen) f : Ω → ℂ besteht, für die ∫K |f(x)|dx< ∞ für alle kompakten K ⊂ Ω ist. Jede Funktion \(f \in L^{1}_\text{lok}(\Omega)\) kann via \(T_{f}(\varphi)=\int_{\Omega}f(x){\varphi}(x)\) als reguläre Distribution angesehen werden.
Für weitere Beispiele von Funktionenräumen vergleiche man die Stichwörter Besow-Raum, BMO-Raum, Gevrey-Klasse, Hardy-Raum, Lorentz-Räume, Sobolew-Räume.
Literatur
[1] Dunford, N.; Schwartz, J. T.: Linear Operators. Part I: General Theory. Wiley, 1958.
[2] Werner, D.: Funktionalanalysis. Springer, 1995.
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