Lexikon der Mathematik: Gravitationswellen
wellenartige Lösungen der Einsteinschen Feldgleichungen, die nicht durch Koordinatentransformationen aus einer statischen Lösung hervorgehen.
Diese Lösungen können (z. B. durch Fourier-transformation in einer bestimmten Eichung) auch als Teilchen interpretiert werden, und werden dann Gravitonen genannt. Sie sind masselos, bewegen sich also mit Vakuumlichtgeschwindigkeit, und sie haben den Spin 2, werden also durch einen Tensor zweiter Stufe, den metrischen Tensor, beschrieben.
In den ersten Jahren nach Entwicklung der Relativitätstheorie war schon die Frage nach der theoretischen Existenz von Gravitationswellen, sowie die Frage nach deren Energie, sehr umstritten. Folgende Argumente spielten eine Rolle:
- Da das Gravitationsfeld durch Materie erzeugt wird, sollte eine materiefreie Lösung auch kein Gravitationsfeld enthalten. Das Gegenbeispiel sind folgende Metriken: Sei
\begin{eqnarray}d{s}^{2}=2\,du\,d\upsilon \,-\,{a}^{2}(u)\,d{w}^{2}\,-\,{b}^{2}(u)\,d{z}^{2}\end{eqnarray} mit positiven glatten Funktionen a und b. Sie stellen eine Vakuumlösung der Einsteinschen Feldgleichung dar, falls\begin{eqnarray}a\cdot \,\frac{{d}^{2}b}{d{u}^{2}}\,+\,b\,\cdot \,\frac{{d}^{2}a}{d{u}^{2}}=0\end{eqnarray} gilt. Sie sind aber nur dann flach, wenn sowohl a als auch b lineare Funktionen sind. - Die Energie einer Gravitationswelle muß grundsätzlich anders bestimmt werden als andere Energiearten: Wegen des Äquivalenzprinzips läßt sich an jedem Raum-Zeit-Punkt das Gravitationsfeld wegtransformieren, d. h., durch ein geeignet beschleunigtes Bezugssystem kompensieren. Folglich kann es keine invariant definierte „Gravitationsenergiedichte“ geben, deren Integral dann die Gravitationsenergie wäre.
Andererseits ist es aber sehr wohl möglich, bei asymptotisch flachen Raum-Zeiten die Gesamtenergie aus dem asymptotischen Verhalten der Metrik für r →∞ zu ermitteln. Dazu wird ein sogenannter Energie-Impuls-Pseudotensor des Gravitationsfeldes eingeführt, der zwar selbst kein Tensor ist, aber dessen Integral eine invariante Größe ergibt. Einstein selbst entwickelte mit groben Näherungsrechnungen die Quadrupolformel, die angibt, wieviel Gravitationsenergie von einem System abgestrahlt wird. Sie lautet \begin{eqnarray}\frac{dE}{dt}=-\frac{1}{\text{5}{c}^{5}}\,\left(\frac{{d}^{3}}{d{t}^{3}}{Q}_{\alpha \beta }\right)\,\left(\frac{{d}^{3}}{d{t}^{3}}{Q}^{\alpha \beta }\right),\end{eqnarray} wobei Qαβ der spurfreie Anteil des Quadrupolmoments ist. Später stellte sich durch genauere Rechnungen heraus, daß seine Formel sehr viel besser ist als die von ihm verwendete Rechenmethode erwarten ließ. Normalerweise ist die Größe \(\frac{dE}{dt}\) aber unmeßbar klein – grob gesagt, liegt das an dem Term c5 im Nenner. Bei schnell umeinander rotierenden Doppelsternen ist der theoretische Wert jedoch schon nahe an der heute erreichbaren Meßgenauigkeit. - Kugelsymmetrische Gravitationswellen gibt es nur in den Gravitationstheorien, die auch ein Spin 0-Graviton besitzen. Daraus ergibt sich, daß in der Allgemeinen Relativitätstheorie das Außenfeld einer kugelsymmetrischen Materieverteilung statisch ist – selbst wenn die Materie nichtstatisch ist, sondern beispielsweise einen radial oszillierenden Stern beschreibt (Birkhoff-Theorem).
- Die Frage, ob es Gravitationswellen gibt, die asymptotisch flach und zugleich in der gesamten Raum-Zeit regulär und materiefrei sind, ist allerdings immer noch umstritten.
In anderen Gravitationstheorien gibt es auch noch andere Typen von Gravitationswellen: Für die aus der Lagrangefunktion
Letzteres ist in anderer Interpretation zu einem massiven Skalarfeld konform äquivalent.
[1] Misner, C.; Thorne, K.; Wheeler, J.: Gravitation. Freeman San Francisco, 1973.
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