Lexikon der Mathematik: Grothendieck, Alexander
deutscher Mathematiker, geb. 28.3.1928 Berlin, gest. 13.11.2014 Saint-Girons.
Grothendieck mußte viele Jahre seiner Kindheit in einem Schweizer Waisenhaus verbringen, da seine Eltern nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in ein KZ verschleppt und ermordet wurden. 1941 ging er nach Frankreich, studierte nach dem Krieg in Montpellier und war nach Abschluß des Studiums 1948 ein Jahr an der École Normale Sup. in Paris. 1949 ging er an die Universität Nancy und wurde ab 1950 vom Centre Nationale de la Recherche Scientifique (CNRS) unterstützt. Nach Aufenthalten an den Universitäten in Sao Paulo und Lawrence (Kansas) nahm er 1959 eine Professur am Institute des Hautes Etudes Scientifiques, Bures-sur-Yvette an. Mit dem berühmten Seminar zur algebraischen Geometrie baute er dort in kurzer Zeit ein führendes Zentrum der Forschungen auf diesem Teilgebiet auf. 1970 gab er diese Stellung auf, um sich stärker pazifistischen Aktivitäten zu widmen. Er nahm jedoch 1970–1972 eine Gastprofessur am College de France in Paris sowie 1972/73 in Orsay wahr und wirkte ab 1973 als Professor in Montpellier sowie 1984–1988 als Forschungsdirektor am CNRS. 1988 wurde er emeritiert.
Grothendieck hat eine Fülle hervorragender Ergebnisse zu verschiedenen Gebieten der Mathematik erzielt und damit die Mathematikentwicklung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts maßgeblich geprägt. Beginnend mit seiner Dissertation schuf er eine umfassende Theorie der topologischen Tensorprodukte und der von ihm eingeführten nuklearen Räume. Ende der 50er Jahre wandte er sich der algebraischen Geometrie zu, die durch ihn und seine Schüler eine grundlegende Umgestaltung erfuhr. Mit der Theorie der Schemata gab er der algebraischen Geometrie einen neuen Rahmen, der viele der bisherigen Forschungen verallgemeinerte und unter einheitlichen Gesichtspunkten zusammenführte. Mit Hilfe dieser Theorie bewies er einige zahlentheoretische Vermutungen von Weil, und Deligne gelang schließlich 1973 auf dieser Basis die Bestätigung von Weils „verallgemeinerter Riemannscher Vermutung“. Weitere wichtige Leistungen Grothendiecks waren ein algebraischer Beweis des Riemann-Roch-Theorems und der Aufbau der K-Theorie.
Neben den Grothendieck-Seminar zur algebraischen Geometrie (1960–1968) dienten vor allem Vorträge im Bourbaki-Seminar (1957–1962) und die mit J. Dieudonné herausgegebenen „Elements der géometrie algébrique“ der Verbreitung des neuen Aufbaus der algebraischen Geometrie. Grothendieck ist es mit seinem Arbeiten gelungen, vereinheitlichende Aspekte zwischen Geometrie, Zahlentheorie, Topologie und der Theorie komplexer Funktionen auf sehr allgemeiner Basis hervorzuheben und fruchtbar zu machen.
Für seine Leistungen wurde Grothendieck 1966 mit der Fields-Medaille geehrt, die er auch annahm; verschiedene andere Auszeichnungen hat er jedoch abgelehnt.
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