Direkt zum Inhalt

Lexikon der Mathematik: Hardy-Raum

ein vollständiger metrischer Raum von in \([\mathbb{E}=\left\{ z\in \mathbb{C}:\left| z \right| \lt 1 \right\}]\) holomorphen Funktionen.

Hardy-Räume sind von großer Bedeutung in der komplexen und reellen Analysis. Zur genauen Definition sei \([0 \lt p\le \infty ]\). Ist f holomorph in \(\mathbb{E}\) und 0 \([0 \lt r \lt 1]\), so setzt man für p< ∞ \begin{eqnarray}M_{p}(r,f):=\Biggl(\frac{1}{2\pi}\int\limits_{0}^{2\pi}\vert f(re^{it})\vert^{p}dt\Biggr)^{1/p}\end{eqnarray} und für p = ∞ \begin{eqnarray}M_{p}(r,f):=\max\limits_{t\in [0,2\pi)}\vert f(re^{it})\vert .\end{eqnarray} Dann ist Mp(r, f) eine monoton wachsende Funktion von r und logMp(r, f) eine konvexe Funktion von logr. Der Hardy-Raum Hp ist nun die Menge aller \([f\in \mathcal{O}\left( \mathbb{E} \right)]\) derart, daß \begin{eqnarray}\Vert f\Vert_{p}:=\sup\limits_{0< r< 1}M_{p}(r,f)=\lim\limits_{r\rightarrow 1}M_{p}(r,f)<\infty.\end{eqnarray} Eine Funktion fHp nennt man auch Hp-Funktion. Mit der punktweisen Skalarmultiplikation und Addition von Funktionen ist Hp ein komplexer Vektorraum. Für p ≥ 1 ist || · ||p eine Norm auf Hp, und Hp damit ein Banachraum. Sind f, gH, so ist auch fgH und daher H eine Banach-Algebra. Für fH gilt \([\|f{{\|}_{\infty }}={{\sup }_{z\in \mathbb{E}}}\left| f\left( z \right) \right|]\).

Es gilt \begin{eqnarray}H^{\infty}\subset H^{q}\subset H^{p}\subset H^{1}\end{eqnarray} für 0 < pq ≤ ∞. Dabei sind alle diese Inklusionen echt, d. h. für pq gilt HpHq. Für 0 < p< 1 ist ||f||p keine Norm mehr, aber durch \begin{eqnarray}d(f,g)=\Vert f-g\Vert_{p}^{p}\end{eqnarray} wird eine Metrik auf Hp definiert, und Hp ist damit ein vollständiger metrischer Raum.

Einige Beispiele:

  1. Für f(z) = 1/(1 − z) gilt fHp für 0 < p< 1, aber fH1.
  2. <?PageNum _368
  3. Ist c > 1 und \begin{eqnarray}f(z)=\frac{1}{1-z}\Biggl(\frac{1}{z}\log\frac{1}{1-z}\Biggr)^{-c},\end{eqnarray} so ist fH1.
  4. Für \begin{eqnarray}f(z)=i\log\frac{1+z}{1-z}\end{eqnarray} gilt fHp für 1 ≤ p< ∞.
  5. Ist f holomorph in \(\mathbb{E}\) und das Bildgebiet f(\(\mathbb{E}\)) in einem Winkelraum mit Öffnungswinkel \([\alpha \,\in \,(0,\,2\pi ]]\) enthalten, so ist fHp für \([0

Der Raum H2 ist sogar ein Hilbertraum mit dem Skalarprodukt \begin{eqnarray}\langle f,g\rangle=\frac{1}{2\pi}\int\limits_{0}^{2\pi}f(re^{it})\overline{g(re^{it})}dt.\end{eqnarray} Ist \([f(z)=\sum_{n=0}^{\infty}\,{{a}_{n}}{{z}^{n}}]\) die Taylor-Reihe von \([f\in \mathcal{O}\left( \mathbb{E} \right)]\), so gilt fH2 genau dann, wenn \begin{eqnarray}\sum\limits_{n=0}^{\infty}\vert a_{n}\vert^{2}<\infty.\end{eqnarray} In diesem Fall gilt \begin{eqnarray}\Vert f\Vert_{2}^{2}=\sum\limits_{n=0}^{\infty}\vert a_{n}\vert^{2}.\end{eqnarray} Für p ≠ 2 kann man die Zugehörigkeit von f zu Hp nicht so einfach an den Taylor-Koeffizienten an ablesen. Es gilt folgender Satz.

  1. (a) Ist fH1, so gilt \(\underset{{n\to\infty}}\lim{{a}_{n}}=0\).
  2. (b) Ist 1 < p ≤ 2 und fHp, so gilt \begin{eqnarray}\sum\limits_{n=0}^{\infty}\vert a_{n}\vert^{q}<\infty,\end{eqnarray}wobei\begin{eqnarray}\frac{1}{p}+\frac{1}{q}=1.\end{eqnarray}
  3. (c) Ist 1 ≤ q ≤ 2 und \({\sum}_{n=0}^{\infty }{{\left| {{a}_{n}} \right|}^{q}}\lt \infty\), so ist fHp, wobei \(\frac{1}{p}+\frac{1}{q}=1\), falls q > 1 und p = ∞, falls q = 1.
  4. (d) Ist 0 < p ≤ 2 und fHp, so gilt\begin{eqnarray}\sum\limits_{n=0}^{\infty}n^{p-2}\vert a_{n}\vert^{p}<\infty.\end{eqnarray}
  5. (e) Ist 2 ≤ p< ∞ und \(\sum_{n=0}^{\infty}{{n}^{p-2}}{{\left| {{a}_{n}} \right|}^{p}}<\infty\), so ist fHp.

Die Funktion \begin{eqnarray}f(z)=\frac{1}{1-z}\log\frac{1}{1-z}\end{eqnarray} gehört zu Hp für alle p< 1, hat aber unbeschränkte Taylor-Koeffizienten.

Eine wichtige Eigenschaft von Hp-Funktionen ist die Existenz radialer Randwerte.

Es sei 0 < p ≤ ∞ und fHp. Dann existiert für fast alle t ∈ [0, 2π) der radiale Grenzwert\begin{eqnarray}f^{*}(e^{it}):=\lim\limits_{r\rightarrow 1}f(re^{it}),\end{eqnarray}und es gilt \(f*\in {{L}^{p}}\left( \mathbb{T} \right)\)und (falls \(f\left( z \right)\ \unicode{x02262}\ 0\)) \(\log \left| f* \right|\in {{L}^{1}}\left( \mathbb{T} \right)\), wobei \(\mathbb{T}=\partial \mathbb{E}=\left\{ z:\left| z \right|=1 \right\}\). Es gilt \(\|f{{\|}_{p}}=\|f*{{\|}_{p}}\), wobei H \(\|f*{{\|}_{p}}\)die Norm vonf* im Raum \({{L}^{p}}(\mathbb{T})\)bezeichnet.

Weiter gilt für p ≥ 1 und z ∈ \(\mathbb{E}\)die Cauchysche Integralformel\begin{eqnarray}f(z)=\frac{1}{2\pi i}\int\limits_{\mathbb{T}}\frac{f^{*}(\zeta)}{\zeta-z}d\zeta\end{eqnarray}und die Poissonsche Integralformel\begin{eqnarray}f(z)=\int\limits_{\mathbb{T}}P(\zeta,z)f^{*}(\zeta)\vert d\zeta\vert.\end{eqnarray}Dabei istP(ζ, z) der reelle Poisson-Kern, d. h.\begin{eqnarray}P(\zeta,z)=\frac{1}{2\pi}\frac{1-\vert z\vert^{2}}{\vert\zeta-z\vert^{2}}=\frac{1}{2\pi}\ \text{Re}\ \frac{\zeta+z}{\zeta-z}.\end{eqnarray}Für 0 < p< ∞ gilt noch\begin{eqnarray}\lim\limits_{r\rightarrow 1}\int\limits_{0}^{2\pi}\vert f(re^{it})\vert^{p}dt=\int\limits^{2\pi}_{0}\vert f^{*}(e^{it})\vert^{p}dt\end{eqnarray}und\begin{eqnarray}\lim\limits_{r\rightarrow 1}\int\limits_{0}^{2\pi}\vert f(re^{it})=f^{*}(e^{it}\vert^{p}dt=0.\end{eqnarray}

Die zu fHp gehörige Funktion \(f*\in {{L}^{p}}\left( \mathbb{T} \right)\) nennt man auch Randfunktion von f. Für die Frage, welche Funktionen \(f*\in {{L}^{p}}\left( \mathbb{T} \right)\) als Randfunktionen von Hp-Funktionen vorkommen, spielen die Fourierkoeffizienten \(\hat{\varphi }\left( n \right)\) von Funktionen \(\varphi \in {{L}^{1}}\left( \mathbb{T} \right)\) eine entscheidende Rolle. Diese sind definiert durch \begin{eqnarray}\hat{\phi}(n):=\frac{1}{2\pi}\int\limits_{0}^{2\pi}\varphi(e^{it})e^{-int}dt,\ \ n\in \mathbb{Z}.\end{eqnarray} Damit gilt folgender Satz.

Es sei fH1und \(f\left( z \right)=\sum_{n=0}^{\infty}\,{{a}_{n}}{{z}^{n}}\). Dann gilt \(\widehat{f*}(n)={{a}_{n}}\)für \(n\in {{\mathbb{N}}_{0}}\)und \(\widehat{f*}(n)=0\)für n< 0.

Ist 1 ≤ p ≤ ∞ und f \(f*\in {{L}^{p}}\left( \mathbb{T} \right)\)gegeben, so existiert eine Funktion fHp derart, daß (1) genau dann gilt, wenn \(\widehat{f*}(n)=0\)für alle n< 0.

Im Fall 1 < p< ∞ ist die Riesz-Projektion \begin{eqnarray}\underset{n=-\infty }{\overset{\infty }{\mathop \sum }}\,\hat{\phi }(n){{e}_{n}}\mapsto \underset{n=0}{\overset{\infty }{\mathop \sum }}\,\hat{\phi }(n){{e}_{n}},\end{eqnarray}<?PageNum _369wobei en(t) = eint, stetig auf Lp(\(\mathbb{T}\)), und Hp(\(\mathbb{T}\)) istein sog. komplementierter Unterraum von Lp(\(\mathbb{T}\)),der zu Lp (\(\mathbb{T}\)) isomorph ist (Isomorphie vonBanachräumen); hierbei ist wieder \(\mathbb{T}\) = {z: |z| = i}.

Analoge Aussagen gelten in der oberen Halbebene {x + iy : y > 0}, wenn man von \begin{eqnarray}M_{p}(F,y)=\Biggl(\int\limits_{-\infty}^{\infty}\vert F(x+iy)\vert^{p}dx\Biggr)^{1/p}\end{eqnarray} ausgeht; man erhält dann die Hardy-Räume Hp(ℝ). Stein und Weiss haben daraus eine Theorie der „reellen“ Hardy-Räume \(\mathcal{H}\)p(ℝd) entwickelt. Für d = 1 besteht \(\mathcal{H}\)p(ℝ) aus denjenigen Funktionen, die Realteil einer Funktion aus Hp(ℝ) sind. Es stellt sichheraus, daß für p > 1 mit dieser Definition \(\mathcal{H}\)p(ℝ) = Lp(ℝ) gilt. Für p = 1 erhält man einen echtenTeilraum von L1(ℝ), der folgendermaßen mittelsder Hilbert-Transformation T charakterisiert werden kann: \begin{eqnarray}f\in \mathcal{H}^{1}(\mathbb{R})\Longleftrightarrow f\in L^{1}(\mathbb{R})\ \&\ Tf\in L^{1}(\mathbb{R}).\end{eqnarray}

Analog definiert man \(\mathcal{H}\)1(ℝd) mittels der höherdi-mensionalen Analoga der Hilbert-Transformation, nämlich der Riesz-Transformationen. \(\mathcal{H}\)1(ℝd) wirddann zu einem Banachraum. Der tiefliegende Dualitätssatz von Fefferman und Stein beschreibt denDualraum von \(\mathcal{H}\)1 als den John-Nirenberg-RaumBMO (BMO-Raum).

Zur Konstruktion weiterer Beispiele von Hp-Funktionen sei zunächst \begin{eqnarray}B(z)=z^{m}\prod\limits_{n}\frac{\vert a_{n}\vert}{a_{n}}\frac{a_{n}-z}{1-\bar{a}_{n}z}\end{eqnarray} ein Blaschke-Produkt, wobei m ∈ ℕ0, 0 < |an| < 1 und \begin{eqnarray}\sum\limits_{n}(1-\vert a_{n}\vert)\lt \infty.\end{eqnarray} Dabei kann die Menge der Zahlen an (die nicht notwendig paarweise verschieden sein müssen) auchendlich oder sogar leer sein. Im letzteren Fall ist B(z) = zm. Dann ist BH. Genauer gilt |B(z)| < 1 für z ∈ \(\mathbb{E}\) und B*(eit) = 1 für fast alle t ∈ [0, 2π).Eine Funktion fH mit |f(z)| < 1 für z ∈ \(\mathbb{E}\) und f*(eit) = 1 für fast alle t ∈ [0, 2π) nennt manauch innere Funktion. Blaschke-Produkte sind alsospezielle innere Funktionen.

Weitere innere Funktionen erhält man durch \begin{eqnarray}S(z):=\exp\Biggl(-\int\limits_{0}^{2\pi}\frac{e^{it}+z}{e^{it}-z}d\mu(t)\Biggr),\end{eqnarray} wobei μ : [0, 2π) → ℝ eine beschränkte monoton wachsende Funktion ist, die μ′(t) = 0 für fast alle t ∈ [0, 2π) erfüllt. Das Integral ist als Riemann-Stieltjes-Integral zu verstehen. Ist z. B. μ(t) = 0 für t = 0 und μ(t) = 1 für 0 < t< 2π, so ergibt sich \begin{eqnarray}S(z)=\exp\Biggl(-\frac{1+z}{1-z}\Biggr).\end{eqnarray} Funktionen S der Gestalt (3) besitzen keine Nullstellen in \(\mathbb{E}\), und man nennt sie auch singuläre innere Funktionen.

Eine äußere Funktion FHp, 0 < p ≤ ∞ ist eine Funktion der Gestalt \begin{eqnarray}F(z):=e^{i\gamma}\exp\Biggl(\frac{1}{2\pi}\int\limits_{0}^{2\pi}\frac{e^{it}+z}{e^{it}-z}\log\psi(t)dt\Biggr).\end{eqnarray} Dabei ist γ ∈ ℝ, und die Funktion ψ : [0, 2π) → [0, ∞) erfüllt die Bedingungen log ψL1[0, 2π) und ψLp[0, 2π). Äußere Funktionen besitzen ebenfalls keine Nullstellen in \(\mathbb{E}\). Eine in \(\mathbb{E}\) holomorphe Funktion F mit Re F(z) > 0 für alle z ∈ \(\mathbb{E}\) ist eine äußere Funktion in Hp für alle p< 1.

Ist B ein Blaschke-Produkt, S eine singuläre innere Funktion und F eine äußere Funktion in Hp, so ist f : = BSFHp. Umgekehrt kann jede Funktion fHp faktorisiert werden in der Form f = BSF. Dabei besitzt das Blaschke-Produkt B dieselben Nullstellen mit denselben Nullstellenordnungen wie f. Sind also a1, a2, … die Nullstellen von fHp in \(\mathbb{E}\) \{0} (wobei jede Nullstelle so oft aufgeführt wird, wie ihre Ordnung angibt), so gilt \begin{eqnarray}\sum\limits_{n=1}^{\infty}(1-\vert a_{n}\vert)<\infty.\end{eqnarray}H1-Funktionen können zum Beispiel in der Theorie der konformen Abbildungen angewandt werden. Dazu sei f eine konforme Abbildung von \(\mathbb{E}\) auf ein Gebiet G ⊂ ℂ, dessen Rand ∂G eine Jordan-Kurve ist. Dann ist ∂G rektifizierbar genau dann, wenn f′ ∈ H1.

Hieraus lassen sich noch zwei Folgerungen ableiten.

  1. Ist \(f(z)=\sum_{n=0}^{\infty}{{a}_{n}}{{z}^{n}}\) und \(\sum_{n=0}^{\infty}\left| {{a}_{n}} \right|<\infty\), so ist ∂G rektifizierbar.
  2. Ist ∂G rektifizierbar und L die Länge von ∂G, so ist das Bild jedes Durchmessers von \(\mathbb{E}\) unter f rektifizierbar und hat eine Länge von höchstens \(\frac{L}{2}\).

Ist f eine schlichte Funktion in \(\mathbb{E}\), so ist fHp für alle p< \(\frac{1}{2}\), und für den singulären Faktor von f gilt S(z) ≡ 1. Für die Koebe-Funktion\begin{eqnarray}k(z)=\frac{z}{(1-z)^{2}}\end{eqnarray} gilt kH1/2.

[1] Duren, P. L.: Theory of Hp Spaces. Academic Press London/Orlando, 1970.
[2] Garnett, J. B.: Bounded Analytic Functions. Academic Press London/Orlando, 1981.
[3] Rudin, W.: Real and Complex Analysis. McGraw-Hill New York, 3. Auflage 1987.
[4] Stein, E. M.: Harmonic Analysis. Princeton University Press Princeton, 1993.

  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.