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Lexikon der Mathematik: komplexe Mannigfaltigkeit

auch komplex-analytische Mannigfaltigkeit, grundlegender Begriff in der Funktionentheorie mehrerer Variabler.

Eine komplexe Mannigfaltigkeit ist eine differenzierbare Mannigfaltigkeit, deren Koordinatenkarten Werte in ℂn annehmen, und deren Übergangsabbildungen holomorph sind.

Eine komplexe Mannigfaltigkeit M der Dimension n ist ein Hausdorffraum, für den jeder Punkt eine Umgebung U besitzt, die homöomorph zu einer offenen Teilmenge V ⊂ ℂn ist. Ein solcher Homöomorphismus z : UV heißt eine komplexe (Koordinaten-)Karte. Zwei komplexe Karten zα : UαVα, zβ : UβVβ heißen biholomorph verträglich, wenn die sog. Übergangsabbildung \begin{eqnarray}{z}_{\beta }\circ {z}_{\alpha }^{-1}:{z}_{\alpha }({U}_{\alpha }\cap {U}_{\beta })\to {z}_{\beta }({U}_{\alpha }\cap {U}_{\beta })\end{eqnarray}

( biholomorph ist (im Fall UαUβ ≠ ∅). Man nennt z = (z1, …, zn) : UV auch lokale Koordinate.

Ein komplexer Atlas \(\mathcal{A}\) auf M ist eine Familie { Uα,zα} paarweise biholomorph verträglicher komplexer Karten, für die die Uα eine offene Überdeckung von M bilden. Zwei Atlanten \(\mathcal{A}\), \(\mathcal{A}^{\prime}\) auf M heißen biholomorph verträglich, falls jede Karte von \(\mathcal{A}\) biholomorph verträglich mit jeder Karte von \(\mathcal{A}^{\prime}\) ist. Die biholomorphe Verträglichkeit zwischen komplexen Atlanten ist eine Äquivalenzrelation.

Unter einer komplexen Struktur versteht man eine Äquivalenzklasse biholomorph äquivalenter Atlanten auf M. Jede komplexe Struktur auf M enthält einen eindeutig bestimmten maximalen komplexen Atlas \(\mathcal{A}^{\ast}\): Ist \(\mathcal{A}\) ein beliebiger Atlas der komplexen Struktur, dann besteht \(\mathcal{A}^{\ast}\) aus allen komplexen Karten, die mit jeder Karte von \(\mathcal{A}\) biholomorph verträglich sind. Eine komplexe Mannigfaltigkeit der Dimension n ist eine Mannigfaltigkeit der Dimension n mit einer komplexen Struktur.

Da das Konzept der Garben in der Funktionentheorie mehrerer Veränderlicher eine so zentrale Rolle spielt, ist die folgende Charakterisierung der Struktur einer komplexen Mannigfaltigkeit geeigneter, wobei X einen Hausdorffraum bezeichne und \({}_{X}\mathcal{O}\) eine Untergarbe der Garbe \({}_{X}\mathcal{C}\) der stetigen Funktionen auf X:

Ein geringter Raum (X, \({}_{X}\mathcal{O}\)) heißt komplexe Mannigfaltigkeit, wenn jedes xX eine Umgebung U besitzt, so daß (U, \({}_{X}\mathcal{O}\) |U) isomorph ist zu einem geringten Raum (V, \({}_{n}\mathcal{O}\) |V), wobei V ein offener Unterraum im ℂn ist und \({}_{n}\mathcal{O}\) die Garbe der Keime der holomorphen Funktionen auf X.

Unter einer Abbildung von geringten Räumen \begin{eqnarray}(X{,}_{X}{\mathscr{O}}),(Y{,}_{Y}{\mathscr{O}})\end{eqnarray}

versteht man dabei eine stetige Abbildung f :XY, so daß für jedes xX und \(h\in{}_{Y}\mathcal{O}_{f(x)}\) glit \(h\circ f\in{}_{X}\mathcal{O}_{f(x)}\). Man bezeichnet die Abbildung \({}_{Y}\mathcal{O}_{f(x)}\rightarrow{}_{X}\mathcal{O}_x\), hhf mit f*. Die Abbildung f ist ein Isomorphismus, wenn sie ein Homöomorphismus und eine Injektion ist (dann ist auch f−1 : YX eine Injektion, da (f−1) = (f)−1).

Liegt aX in einem offenen Unterraum UV ⊂ ℂn, dann heißt n die Dimension dima X von X an der Stelle a. Sie ist wohldefiniert, da die Funktion X → ℤ, x ↦ dimx X stetig und damit konstant auf jeder Zusammenhangskomponente von X ist.

Komplexe Mannigfaltigkeiten sind reduzierte komplexe Räume, die lokal „aussehen“ wie singularitätenfreie analytische Mengen.

Ist z = (z1, …, zn) eine komplexe Karte auf der offenen Menge UX und setzt man \({z}_{\nu}={x}_{\nu}+\sqrt{-1}{y}_{\nu}\), so ist \(({x}_{1},\ldots,{x}_{n},{y}_{1},\ldots,{y}_{n})\) eine Karte der zugrundeliegenden reell-analytischen Mannigfaltigkeit. Ist T(X) das reelle Tangentialbündel, so ist \((\frac{\partial }{\partial {x}_{1}},\ldots,\frac{\partial }{\partial {x}_{n}},\frac{\partial }{\partial {y}_{1}},\ldots,\frac{\partial }{\partial {y}_{n}})\) (eine Basis auf U. Durch \(J(\frac{\partial }{\partial {x}_{\nu}})=\frac{\partial }{\partial {y}_{\nu}}\) und \(J(\frac{\partial }{\partial {x}_{\nu}})=-\frac{\partial }{\partial {y}_{\nu}}\) erhält man eine lineare Abbildung J : T(X) → T(X) mit J2 = −1 (wegen der Cauchy-Riemannschen Differentialgleichung ist die Definition von J unabhängig von der Wahl der komplexen Karten). Dementsprechend definiert man eine fast komplexe Struktur auf einer C-Mannigfaltigkeit X als eine lineare Abbildung J : T(X) → T(X) des Tangentialbündels mit J2 = −1. Eine solche heißt integrabel, wenn es eine komplex-analytische Struktur auf X gibt mit X als zugrundeliegender C-Mannigfaltigkeit so, daß J durch diese komplexe Struktur induziert wird. Eine solche komplexe Struktur ist eindeutig bestimmt: J operiert auch auf dem Kotangentialbündel T(X), und ist für komplexwertige C∞-Funktionen \(\bar{\partial }f\) die Projektion von dfT(X) ⊗ ℂ auf den Eigenraum zum Eigenwert \(-\sqrt{-1}\) von J, so ist \({{\mathscr{O}}}_{X}=\text{Ker}(\bar{\partial })\).

Für (lokale) C-Vektorfelder v, w liefert \begin{eqnarray}[v,w]-[Jv,Jw]+J[Jv,w]+J[v,Jw]\end{eqnarray}

eine lineare Abbildung \begin{eqnarray}N:\mathop{\displaystyle \wedge }\limits^{2}T(X)\to T(X),\end{eqnarray}

genannt Nirenberg-Tensor. J ist genau dann integrabel, wenn N ≡ 0 auf X.

Eine komplexe Untermannigfaltigkeit ist eine singularitätenfreie analytische Menge AX. Besitzt A die Kodimension d, dann heißt das, daß es zu jedem x0A eine Umgebung U = U (x0) ⊂ X und holomorphe Funktionen f1, …, fd auf U gibt, so daß gilt:

1) AU = {xU : f1 (x) = … = fd (x) = 0}.

2) Rangx (f1, …, fd) = d für alle xU.

X induziert auf A in kanonischer Weise die Struktur einer (nd)-dimensionalen Mannigfaltigkeit, und die natürliche Einbettung jA : AX ist holomorph.

[1] Gunning, R.; Rossi, H.: Analytic Functions of Several Complex Variables. Prentice Hall Inc. Englewood Cliffs, N.J., 1965.
[2] Kaup, B.; Kaup, L.: Holomorphic Functions of Several Variables. Walter de Gruyter Berlin New York, 1983.

  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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