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Lexikon der Mathematik: Laplace, Pierre Simon

französischer Mathematiker, geb. 28.3.1749 Beaumont-en-Auge (Normandie), gest. 5.3.1827 Paris.

Laplace war der Sohn eines niederen Verwaltungsbeamten und Apfelweinhändlers. Er wurde erst an einer Schule der Benediktiner in Beaumonten-Auge, dann bei den Jesuiten ausgebildet. Eigentlich wollte er Geistlicher werden, seine hervorragenden mathematischen Fähigkeiten veranlaßten seine Lehrer jedoch, ihn 1768 zu d’Alembert nach Paris zu schicken. Eine kleine Arbeit zur Mechanik und die Lösung verschiedener von d’Alembert vorgelegter Aufgaben brachten Laplace ein Lehramt für Mathematik an der Militärakademie in Paris ein. Zu den Schülern Laplaces zählte auch Napoleon I. Bereits seit 1773 an der Akademie fest angestellt, seit 1785 Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Paris und damit materiell unabhängig, wurde er Examinator der Kadetten des Königlichen Artilleriekorps und kam dadurch in Kontakt mit einflußreichsten politischen Kreisen. Seine Mitarbeit in verschiedenen Kommissionen, so für Krankenhausangelegenheiten, führten ihn auf das Problem der Sterbewahrscheinlichkeit in verschiedenen Hospitälern. In der Revolutionszeit sich von allen politischen Geschehnissen fernhaltend, wurde Laplace 1794 Professor für Mathematik an der École Polytechnique, lehrte auch an der École Normale und war Vorsitzender der wichtigen Kommission für Maße und Gewichte. Laplace förderte maßgeblich die Einführung des dezimalen Maß- und Gewichtssystems in Frankreich und damit die rasche Entwicklung von Industrie und Handel. Napoleon I. ernannte ihn 1799 zum Innenminister, jedoch erwies sich Laplace in dieser Position als völlig unfähig und wurde seines Amtes nach kurzer Zeit enthoben, dafür aber in den Senat berufen, und 1803 sogar Kanzler des Senats. Nach dem Sturz Napoleons bot Laplace sofort seine Dienste König Ludwig XVIII an. Von Napoleon war Laplace 1804 zum Grafen erhoben worden, setzte sich ab 1814 für die Wiedereinsetzung der Bourbonen ein und wurde von diesen 1817 zum Marquis und Pair von Frankreich ernannt.

In der ersten Phase seiner wissenschaftlichen Tätigkeit beschäftigte sich Laplace vorwiegend mit Wahrscheinlichkeitsrechnung. Ab 1774 veröffentlichte er dazu Arbeiten, faßte aber seine Resultate erst 1812 in der „Théorie analytique de probabilités“ zusammen. Das Werk stellte die erste systematische Behandlung von Problemen der Wahrscheinlichkeitsrechnung dar. Hier findet man seine Theorie der erzeugenden Funktionen ebenso wie die Methode der rekurrenten Reihen, einen Sonderfall des zentralen Grenzwertsatzes der Wahrscheinlichkeitsrechnung (Grenzwertsatz von de Moivre-Laplace), eine Theorie der Glücksspiele, geometrische Wahrscheinlichkeiten, eine Darstellung der Methode der kleinsten Quadrate und die Laplace-Transformation. Der zweiten Auflage der „Théorie analytique…“ (1814) stellte Laplace ein einleitendes Essay voran. Dieses, später auch separat erschienen, bestimmte für mehr als hundert Jahre die (philosophischen) Vorstellungen von „Wahrscheinlichkeit“. Die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses wird bestimmt durch „Zurückführung aller Ereignisse derselben Art auf eine gewisse Anzahl gleichmöglicher Fälle, d. h. solcher, über deren Existenz wir in gleicher Weise unschlüssig sind, und durch Bestimmung der dem Ereignis günstigen Fälle“. Laplace erläuterte auch den Begriff „Erwartung“ und das Gesetz der großen Zahlen, das auf Jakob Bernoulli zurückgeht. Vielleicht am bedeutungsvollsten für die Entwicklung der Wahrscheinlichkeitsrechnung und der Philosophie wurde jedoch der „Laplacesche Dämon“ (der Begriff stammt von E. Du Bois-Reymond). Diese „Intelligenz“ wäre in der Lage, den Zustand der Welt zu jedem Zeitpunkt ihrer Geschichte (und Zukunft) zu berechnen, wenn nur zu einem Zeitpunkt Lage und Geschwindigkeiten sämtlicher Partikel im Weltraum bekannt sind. Damit war der klassische mechanische Determinismus festgelegt.

Seit 1773 veröffentlichte Laplace auch zu astronomischen Themen. Im Jahre 1796 erschien die „Exposition du systéme du monde“, die die Laplacesche Nebularhypothese der Entstehung der Himmelskörper enthielt. Diese Schrift war die Einleitung zu den von 1799 bis 1825 erschienenen fünf Bänden der „Mécanique celeste“, eine Zusammenfassung aller bislang gefundenen Gesetzmäßigkeiten der Bewegungen der Himmelskörper. Laplace ließ als Ursache dieser Gesetzmäßigkeiten nur die Gravitation zu. Er konnte die Stabilität unseres Sonnensystems beweisen (Nachweis der Unveränderlichkeit der großen Halbachsen der Planetenbahnen), untersuchte die Mondbewegung und beschäftigte sich mit Ebbe und Flut. Zum Zwecke astronomischer Berechnungen führte er die Kugelfunktionen zweiter Art ein, behandelte partielle Differentialgleichungen und Potentialtheorie. Laplace arbeite auch zur Kapillartheorie, zur Lichttheorie, zur Akustik (Schallgeschwindigkeit), über den Aufbau der Atmosphäre und zur frühen Thermodynamik. Mit Lavoisier (1743–1794) führte er chemische Experimente aus.

  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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