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Lexikon der Mathematik: Minkowski-Funktional

spezielles Funktional auf reellen Vektorräumen.

Es seien V ein reeller Vektorraum und MV eine absorbierende Menge (absorbierende Menge eines Vektorraums). Dann heißt die Abbildung p : V → ℝ, definiert durch \begin{eqnarray}{p}_{M}(x)=\inf (\alpha \gt 0|x\in \alpha M)\end{eqnarray}

das Minkowski-Funktional der Menge M.

Das Minkowski-Funktional pU einer konvexen Nullumgebung U eines normierten Raumes V ist ein sublineares Funktional. Man verwendet Minkowski-Funktionale beim Beweis von Trennungssätzen.

Minkowski-Geometrie

H. Gollek

Der Begriff Minkowski-Geometrie bezeichnet zum einen

(1) die Geometrie des Minkowski-RaumesM4, sowie zum anderen

(2) die Geometrie eines normierten Vektorraumes endlicher Dimension, in dem die Rolle der Einheitssphäre von einem in bezug auf den Ursprung zentralsymmetrischen konvexen Körper übernommen wird.

Den 4-dimensionalen, mit einer Metrik g der Signatur (1, 3) versehenen pseudoeuklidischen Raum hat H. Minkowski 1908 als geometrisches Modell der speziellen Relativitätstheorie vorgeschlagen. Punkte von v = (t, x, y, z) ∈ M4 repräsentieren Ereignisse, die durch den Zeitpunkt, d. h., die erste Koordinate t, und den Ort ihres Eintretens, d. h., durch die übrigen drei Koordinaten x, y, z, charakterisiert sind. Ist Δ𝔯 = 𝔯2 − 𝔯1 = (Δt, Δx, Δy, Δz) der Verbindungsvektor der Ereignisse 𝔯1 und 𝔯2, so ist die Größe \(|\Delta {\rm{r}}{|}^{2}=g(\Delta {\mathfrak{r}},\Delta {\mathfrak{r}})=-{c}^{2}\Delta {t}^{2}+\Delta {x}^{2}+\Delta {y}^{2}+\Delta {z}^{2}\) ihr relativistisches Abstandsquadrat, das in Analogie zum Quadrat des Euklidischen Abstands definiert wird, aber abweichende Eigenschaften besitzt. Es kann z. B. negative Werte annehmen. Die vom Nullvektor verschiedenen Vektoren Δ𝔯 ∈ M4 werden nach dem Vorzeichen der Zahl g (Δ𝔯, Δ𝔯) in \begin{eqnarray}\begin{array}{ll}\nearrow \mathrm{raumartige:} & \Delta {x}^{2}+\Delta {y}^{2}+\Delta {z}^{2}\gt {c}^{2}\Delta {t}^{2},\\ \nearrow \mathrm{zeitartige:} & \Delta {x}^{2}+\Delta {y}^{2}+\Delta {z}^{2}\lt {c}^{2}\Delta {t}^{2},\\ \nearrow \mathrm{lichtartige:} & \Delta {x}^{2}+\Delta {y}^{2}+\Delta {z}^{2}={c}^{2}\Delta {t}^{2},\end{array}\end{eqnarray}

unterteilt.

Verzichtet man auf eine Raumkoordinate, etwa die Δz-Koordinate, so hat man es mit einem dreidimensionalen Minkowski-Raum zu tun und gelangt zu einer anschaulichen Vorstellung: Die Menge Ƶ der zeitartigen Vektoren erscheint im (Δt, Δx, Δy)-Raum als Menge aller Punkte, die die Ungleichung Δt2 > (Δx2 + Δy2)/c2 erfüllen. Ƶ ist somit das 4-dimensionale Analogon eines konvexen Vollkegels. Seine Randfläche besteht aus allen lichtartigen Vektoren. Diese bilden den Lichtkegel Ƶ des Minkowski-Raumes.

Ƶ ist die Vereinigung zweier disjunkter Halbkegel Ƶ+ und Ƶ, die die Zeitorientierungen von (M4, g) sind. Zwei Vektoren 𝔳, 𝔴 ∈ Ƶ gehören genau dann zur gleichen Zeitorientierung, wenn g(𝔳, 𝔴) < 0 ist.

Sehr viel inhaltsreicher wird die Geometrie des Minkowski-Raumes durch die zusätzliche Betrachtung physikalischer Phänomene. Unter einem Inertialsystem versteht man in der klassischen Mechanik und in der speziellen Relativitätstheorie ein Bezugssystem, in der das erste Newtonsche Axiom gilt, d. h., ein Inertialsystem ist eine sich gleichmäßig bewegende Basis des zugrundeliegenden Vektorraums. Der Begriff des Inertialsystems ist eine Idealisierung, jedoch existieren für eine große Klasse physikalischer Phänomene Bezugssysteme, die dem idealen Inertialsystem sehr nahe kommen. Jedes andere Bezugssystem, das sich in bezug auf ein Inertialsystem beschleunigungsfrei bewegt, ist ebenfalls ein Inertialsystem.

Je zwei Inertialsysteme bestimmen eine affine Abbildung, die das eine in das andere überführt. Die Inertialsysteme der klassischen Mechanik sind durch Galileische Transformationen, die der speziellen Relativitätstheorie durch Lorentztrans-formationen miteinander verbunden. Alle diese Transformationen bilden eine Gruppe. Eine Galileische Transformation ist durch \begin{eqnarray}\begin{array}{cc}{t}^{^{\prime} }=t,{x}^{^{\prime} }=x-{V}_{x}t,{y}^{^{\prime} }=y-{V}_{y}t,{z}^{^{\prime} }=z-{V}_{z}t & (1)\end{array}\end{eqnarray}

gegeben, worin (x, y,z, t) und (x, y, z, t) die Koordinaten in bezug auf die beiden Bezugssysteme bzw. und \(\overrightarrow{V}=({V}_{x},{V}_{y},{V}_{z})\) der Geschwindigkeitsvektor ihrer Bewegung relativ zueinander ist.

Bewegt sich hingegen in der speziellen Relativitätstheorie in Richtung der x-Achse mit der Geschwindigkeit Vx, so hat die zugehörige Lorentz-transformation die Gestalt \begin{eqnarray}\begin{array}{cc}{t}^{^{\prime} }=\frac{t-{V}_{x}x/{c}^{2}}{\sqrt{1-\frac{{V}_{x}^{2}}{{c}^{2}}}},{x}^{^{\prime} }=\frac{x-{V}_{x}t}{\sqrt{1-\frac{{V}_{x}^{2}}{{c}^{2}}}},\begin{array}{c}{y}^{^{\prime} }=y,\\ {z}^{^{\prime} }=z.\end{array} & (2)\end{array}\end{eqnarray}

Dabei wird vorausgesetzt, daß die Ursprungspunkte von und zum Zeitpunkt t = 0 gleich sind, und die Uhr von B zu diesem Zeitpunkt die Zeit t = 0 anzeigt.

Setzt man zur Abkürzung \(f=1/\sqrt{1-\frac{{V}_{x}^{2}}{{c}^{2}}},\) so

kann die Transformation (2) auch durch die Matrix \begin{eqnarray}L=\left(\begin{array}{llll}f & \frac{-f{V}_{x}}{{c}^{2}} & 0 & 0\\ -f{V}_{x} & f & 0 & 0\\ 0 & 0 & 1 & 0\\ 0 & 0 & 0 & 1\end{array}\right)\end{eqnarray}

dargestellt werden. Aus dieser Form ist direkt ersichtlich, daß L eine Isometrie von M4 in bezug auf die Metrik g ist, denn es gilt LgL = g, wenn man g als Diagonalmatrix mit den Diagonalelementen −c2, 1, 1, 1 ansieht. Führt man noch die Größe ψ = arsinh \(\left({V}_{x}/\sqrt{{c}^{2}-{V}_{x}^{2}}\right)\) ein, so gilt \begin{eqnarray}L=\left(\begin{array}{llll}\cosh \psi & 1/c\sinh \psi & 0 & 0\\ c\sinh \psi & \cosh \psi & 0 & 0\\ 0 & 0 & 1 & 0\\ 0 & 0 & 0 & 1\end{array}\right).\end{eqnarray}

In ähnlicher Weise sind die Matrizen der Lorentztransformationen aufgebaut, die den Bezugssystemen entsprechen, welche sich parallel zur y-Achse oder z-Achse bewegen. Die gesamte Lorentzgruppe wird von diesen und den orthogonalen Transformationen des ℝ3 erzeugt.

Das relativistische Additionsgesetz der Geschwindigkeiten ergibt sich aus der Formel (2) für die Lorentztransformation wie folgt: Bewegt sich ein Teilchen in B mit der Geschwindigkeit v in Richtung der x-Achse, dann hat dasselbe Teilchen in B die Geschwindigkeit \begin{eqnarray}{v}^{^{\prime} }=\frac{v-V}{1-\frac{vV}{{c}^{2}}}.\end{eqnarray}

Setzt man hier v = c, so ergibt sich auch v = c. Dieses Additionsgesetz ist demnach mit dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit verträglich.

Andere gravierende Abweichungen von der klassischen Mechanik, die sich aus (2) ergeben, sind die Relativierung des Begriffs der Gleichzeitigkeit, die Zeitdilatation und die Verkürzung des bewegten Objekts in seiner Bewegungsrichtung.

Sind A und B zwei Ereignisse mit den Koordinaten (xA, yA, zA, tA) bzw. (xB, yB, zB, tB) im System , so ist die Gleichzeitigkeit von A und B durch die Gleichung tA = tB erklärt. Die obige Formel der Lorentztransformation ergibt aber für deren Zeitpunkte tA, tB im System B die Differenz \begin{eqnarray}{{t}^{^{\prime} }}_{A}-{{t}^{^{\prime} }}_{B}=({x}_{A}-{x}_{B})\frac{{V}^{2}}{{c}^{2}}\sqrt{1-\frac{{V}^{2}}{{c}^{2}}},\end{eqnarray}

die nur für V = 0 oder xA = xB verschwindet.

Zeigt eine Uhr, die sich im System am Punkt mit den Koordinaten (0, 0, 0) befindet, die Zeit t an, so zeigt die Uhr von in dem Moment, in dem Sie sich am selben Punkt befindet, die Zeit \begin{eqnarray}{t}^{^{\prime} }=\frac{t}{\sqrt{1-\frac{{V}^{2}}{{c}^{2}}}}\end{eqnarray}

an. Das ist der Effekt der Zeitdilatation, demzufolge aus der Perspektive eines Beobachters in die Zeit in langsamer läuft. Schließlich verkürzt sich ein Körper, der sich in in Ruhe befindet, bei Messung seiner Länge im System um den Faktor \(\sqrt{1-\frac{{V}^{2}}{{c}^{2}}}\).

Literatur

[1] Minkowski, H.: Das Relativitätsprinzip. Jahresber. d. Deutschen Mathematikervereinigung, 1915.

  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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