Lexikon der Mathematik: Minkowski-Geometrie
Der Begriff Minkowski-Geometrie bezeichnet zum einen
- die Geometrie des Minkowski-Raumes M4,
- die Geometrie eines normierten Vektorraumes endlicher Dimension, in dem die Rolle der Einheitssphäre von einem in bezug auf den Ursprung zentralsymmetrischen konvexen Körper übernommen wird.
Den 4-dimensionalen, mit einer Metrik g der Signatur (1, 3) versehenen pseudoeuklidischen Raum hat H. Minkowski 1908 als geometrisches Modell der speziellen Relativitätstheorie vorgeschlagen. Punkte von v = (t, x, y, z) ∈ M4 repräsentieren Ereignisse, die durch den Zeitpunkt, d. h., die erste Koordinate t, und den Ort ihres Eintretens, d. h., durch die übrigen drei Koordinaten x, y, z, charakterisiert sind. Ist △r = r2 – r1 = (△t, △x, △y, △z) der Verbindungsvektor der Ereignisse r1 und r2, so ist die Größe
Verzichtet man auf eine Raumkoordinate, etwa die △z-Koordinate, so hat man es mit einem dreidimensionalen Minkowski-Raum zu tun und gelangt zu einer anschaulichen Vorstellung: Die Menge Z der zeitartigen Vektoren erscheint im (△t, △x, △y)-Raum als Menge aller Punkte, die die Ungleichung △t2 > △x2 + △y2/c2 erfüllen. Z ist somit das 4-dimensionale Analogon eines konvexen Vollkegels. Seine Randfläche besteht aus allen lichtartigen Vektoren. Diese bilden den Lichtkegel Z des Minkowski-Raumes.
Z ist die Vereinigung zweier disjunkter Halbkegel Z+ und Z-, die die Zeitorientierungen von (M4, g) sind. Zwei Vektoren v, w ∈ Z gehören genau dann zur gleichen Zeitorientierung, wenn g(v, w) < 0 ist.
Sehr viel inhaltsreicher wird die Geometrie des Minkowski-Raumes durch die zusätzliche Betrachtung physikalischer Phänomene. Unter einem Inertialsystem versteht man in der klassischen Mechanik und in der speziellen Relativitätstheorie ein Bezugssystem, in der das erste Newtonsche Axiom gilt, d. h., ein Inertialsystem ist eine sich gleichmäßig bewegende Basis des zugrundeliegenden Vektorraums. Der Begriff des Inertialsystems ist eine Idealisierung, jedoch existieren für eine große Klasse physikalischer Phänomene Bezugssysteme, die dem idealen Inertialsystem sehr nahe kommen. Jedes andere Bezugssystem, das sich in bezug auf ein Inertialsystem beschleunigungsfrei bewegt, ist ebenfalls ein Inertialsystem.
Je zwei Inertialsysteme bestimmen eine affine Abbildung, die das eine in das andere überführt. Die Inertialsysteme der klassischen Mechanik sind durch Galileische Transformationen, die der speziellen Relativitätstheorie durch Lorentztransformationen miteinander verbunden. Alle diese Transformationen bilden eine Gruppe. Eine Galileische Transformation ist durch
Bewegt sich hingegen B' in der speziellen Relativitätstheorie in Richtung der x-Achse mit der Geschwindigkeit Vx, so hat die zugehörige Lorentztransformation die Gestalt
Setzt man zur Abkürzung
In ähnlicher Weise sind die Matrizen der Lorentztransformationen aufgebaut, die den Bezugssystemen entsprechen, welche sich parallel zur y-Achse oder z-Achse bewegen. Die gesamte Lorentzgruppe wird von diesen und den orthogonalen Transformationen des ℝ3 erzeugt.
Das relativistische Additionsgesetz der Geschwindigkeiten ergibt sich aus der Formel (2) für die Lorentztransformation wie folgt: Bewegt sich ein Teilchen in B mit der Geschwindigkeit v in Richtung der x-Achse, dann hat dasselbe Teilchen in B' die Geschwindigkeit
Setzt man hier v = c, so ergibt sich auch v' = c. Dieses Additionsgesetz ist demnach mit dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit verträglich.
Andere gravierende Abweichungen von der klassischen Mechanik, die sich aus (2) ergeben, sind die Relativierung des Begriffs der Gleichzeitigkeit, die Zeitdilatation und die Verkürzung des bewegten Objekts in seiner Bewegungsrichtung.
Sind A und B zwei Ereignisse mit den Koordinaten (xA, yA, zA, tA) bzw. (xB, yB, zB, tB) im System B, so ist die Gleichzeitigkeit von A und B durch die Gleichung tA = tB erklärt. Die obige Formel der Lorentztransformation ergibt aber für deren Zeitpunkte t'A, t'B im System B' die Differenz
Zeigt eine Uhr, die sich im System B am Punkt mit den Koordinaten (0, 0, 0) befindet, die Zeit t an, so zeigt die Uhr von B' in dem Moment, in dem Sie sich am selben Punkt befindet, die Zeit
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