Lexikon der Mathematik: Nevanlinna-Theorie
R. Brück
Die Nevanlinna-Theorie, auch Wertverteilungstheorie genannt, untersucht die Frage, wie oft (in einem noch zu präzisierenden Sinne) eine ganze oder in ℂ meromorphe Funktionf einen Wert \(a\in \hat{{\mathbb{C}}}\) annimmt. Sie wurde um 1925 von Rolf Nevanlinna begründet. Später wurde sie erfolgreich zur Untersuchung von Eigenschaften der Lösungen gewöhnlicher Differentialgleichungen im Komplexen angewandt. Die Theorie ist nach wie vor ein aktuelles Forschungsgebiet.
Ganze Funktionen. Zunächst werden einige grundlegende Eigenschaften ganzer Funktionen behandelt, was dem Leser den Einstieg in die Theorie der meromorphen Funktionen erleichtern soll. Das Wachstum einer ganzen Funktion f wird mit Hilfe des Maximalbetrages
\begin{eqnarray}M(r,f):=\mathop{\max }\limits_{|z|=r}|f(z)|,\,0\le r\lt \infty \end{eqnarray}
gemessen. Es ist M(r, f) eine stetige Funktion von r. Ist f nicht konstant, so folgt aus dem Maximumprinzip, daß M(r, f) streng monoton wachsend ist, und der Satz von Liouville impliziert M(r, f) → ∞ (r → ∞). Weiter liefert der Drei-KreiseSatz von Hadamard (Hadamard, Drei-Kreise-Satz von), daß logM(r, f) eine konvexe Funktion von log r ist.Für ein Polynom P(z) = anzn + an−1zn−1 +...+ a1z + a0, n ∈ ℕ0, an ≠ 0 gilt
\begin{eqnarray}\mathop{\mathrm{lim}}\limits_{r\to \infty }\quad{r}^{-n}M(r,P)=|{a}_{n}|.\end{eqnarray}
Ist umgekehrt f eine ganze Funktion und existiert eine Zahl s ≥ 0 mit
\begin{eqnarray}\mathop{\mathrm{lim}\quad\inf }\limits_{r\to \infty }\quad{r}^{-s}M(r,f)\lt \infty ,\end{eqnarray}
so ist f ein Polynom vom Grad n ≤ s. Insbesondere ist f konstant, falls s< 1. Für eine ganz transzendente Funktion gilt also\begin{eqnarray}{r}^{-k}M(r,f)\to \infty \,\,(r\to \infty )\end{eqnarray}
für jede positive Zahl k.Die Menge aller ganzen Funktionen wird wie folgt in Wachstumsklassen eingeteilt. Borel (1897) definiert die Wachstumsordnung einer ganzen Funktion f durch
\begin{eqnarray}\varrho =\varrho (f):=\mathop{\mathrm{lim}\quad\sup }\limits_{r\to \infty }\frac{{\mathrm{log}}^{+}{\mathrm{log}}^{+}M(r,f)}{\mathrm{log}r}.\end{eqnarray}
Pringsheim (1904) benutzt die heute übliche Bezeichnung Ordnung. Dabei ist log+x ≔ log x für x ≥ 1 und log+x ≔ 0 für 0 < x< 1. Es gilt 0 ≤ ϱ ≤ ∞. Für Polynome ist ϱ = 0. Einige Beispiele transzendenter Funktionen:
(a) Ist f (z) = eP(z) mit einem Polynom P vom Grad n ∈ ℕ, so gilt ϱ = n.
(b) Für f (z) = cosz oder f (z) = sinz ist ϱ = 1.
(c) Für \(f(z)=\cos \sqrt{z}\) ist \(\varrho =\frac{1}{2}\).
(d) Für \(f(z)={e}^{{e}^{z}}\) ist ϱ = ∞.
Weitere Aussagen über die Ordnung sind unter dem Stichwort ganze Funktion zu finden.
Ist f eine ganze nullstellenfreie Funktion, so gilt bekanntlich f (z) = eg(z) mit einer ganzen Funktion g. Gilt zusätzlich ϱ(f) < ∞, so ist g ein Polynom vom Grad n und n = ϱ(f).
Eine Zahl a ∈ ℂ heißt Picardscher Ausnahmewert einer ganz transzendenten Funktion f, falls die Gleichung f (z) = a höchstens endlich viele Lösungen z ∈ ℂ besitzt. Die Funktion f (z) = ez hat den Picardschen Ausnahmewert 0. Dies gilt allgemeiner für Funktionen der Form f (z) = P(z)eg(z), wobei P ein Polynom und g eine nichtkonstante ganze Funktion ist. Die Funktionen f(z) = sin z bzw. f (z) = cos z haben keinen Picardschen Ausnahmewert. Nach dem großen Satz von Picard hat eine ganz transzendente Funktion f höchstens einen Picardschen Ausnahmewert. Ist ϱ(f) < ∞ und hat f einen Picardschen Ausnahmewert, so gilt notwendig ϱ(f) ∈ ℕ.
Erster Hauptsatz der Nevanlinna-Theorie. Im folgenden wird unter einer meromorphen Funktion f immer eine in C meromorphe Funktion verstanden, wobei ganze Funktionen eingeschlossen sind. Ist f keine ganze Funktion, so ist zur Beschreibung des Wachstums von f der Maximalbetrag ungeeignet. Man kann zwar f als Quotient \(f=\frac{g}{h}\) zweier ganzer Funktionen g und h schreiben, und diese Darstellung ist auch im wesentlichen eindeutig, sofern man dem Wachstum von g und h gewisse Beschränkungen auferlegt. Dennoch führt dieser Ansatz zu keiner systematischen Theorie. Die entscheidende Idee von Nevanlinna ist, den Maximalbetrag M(r,f) durch die Charakteristik T(r,f), die weiter unten definiert wird, zu ersetzen. Sein Ausgangspunkt ist die Jensensche Formel für meromorphe Funktionen. Dazu sei 0 < r< ∞ und Br = {z ∈ ℂ : |z| < r}. Weiter seien a1, a2,…,an die Null- und b1, b2,…, bm die Polstellen von f in Br. Dabei werde jede Null- bzw. Polstelle so oft aufgeführt wie ihre Nullstellenordnung bzw. Polstellenordnung angibt. Ist f (0) = 0 und f (0) ≠ ∞, so gilt
\begin{eqnarray}\begin{array}{llll}\mathrm{log}|f(0)| & = & \frac{1}{2\pi }\displaystyle \underset{0}{\overset{2\pi }{\int }}\mathrm{log}|f(r{e}^{it})|dt & \\ & & +\displaystyle \sum _{j=1}^{m}\mathrm{log}\frac{r}{|{b}_{j}|}-\displaystyle \sum _{k=1}^{n}\mathrm{log}\frac{r}{|{a}_{k}|}. & (\text{J})\end{array}\end{eqnarray}
Hierbei ist zu beachten, daß das Integral ein konvergentes uneigentliches Integral ist, sofern Nulloder Polstellen von f auf ∂Br liegen.
Nun werden die grundlegenden Begriffe der Nevanlinna-Theorie eingeführt. Für \(a\in \hat{{\mathbb{C}}}\) und f (z) ≢ a bezeichne n(r, f, a) die Anzahl der aStellen von f in Br, wobei jede a-Stelle so oft gezählt wird wie ihre Vielfachheit angibt. Dabei ist n(r, f, ∞) die Anzahl der Polstellen von f in Br. Weiter heißt
\begin{eqnarray}\begin{array}{c}N(r,f,a):=\displaystyle \underset{0}{\overset{r}{\int }}\frac{1}{\varrho }[n(\varrho ,f,a)-n(0,f,a)]\quad d\varrho \\\quad\quad\quad\quad\quad\quad\quad\quad\quad\quad\quad+n(0,f,a)\mathrm{log}r\end{array}\end{eqnarray}
\begin{eqnarray}m(r,f):=\frac{1}{2\pi }\displaystyle \underset{0}{\overset{2\pi }{\int }}{\mathrm{log}}^{+}|f(r{e}^{it})|dt\end{eqnarray}
Schmiegungsfunktion von f. Für a ∈ ℂ und f (z) ≢ a setzt man noch
\begin{eqnarray}\begin{array}{lll}m(r,f,a) & := & m(r,\frac{1}{f-a})\\ & = & \frac{1}{2\pi }\displaystyle \underset{0}{\overset{2\pi }{\int }}{\mathrm{log}}^{+}\frac{1}{|f(r{e}^{it})-a|}dt.\end{array}\end{eqnarray}
Schließlich ist die Nevanlinna-Charakteristik von f definiert durch
\begin{eqnarray}T(r,f):=m(r,f)+N(r,f).\end{eqnarray}
Ist f eine ganze Funktion, so ist N(r,f) = 0 und daher T(r, f) = m(r, f).
Aus der Formel (J) ergibt sich mit diesen Bezeichnungen auf relativ einfache Weise der 1. Hauptsatz der Nevanlinna-Theorie.
1. Hauptsatz. Es sei f eine nichtkonstante mero- morphe Funktion und a ∈ ℂ. Dann gilt
\begin{eqnarray}m(r,f,a)+N(r,f,a)=T(r,f)+O(1).\end{eqnarray}
Dieses fundamentale Ergebnis besagt anschaulich, daß ein Gleichgewicht besteht zwischen der Anzahl der a-Stellen und der Annäherung der Funktion an den Wert a. Denn wird ein Wert a relativ selten angenommen, so wächst N(r, f, a) relativ langsam und daher muß m(r, f, a) schneller wachsen. Eine noch wesentlich genauere Aussage wird der 2. Hauptsatz liefern. Zunächst werden einige Beispiele und Eigenschaften der Charakteristik sowie erste Folgerungen aus dem 1. Hauptsatz behandelt.
Eigenschaften der Charakteristik. Eine unmittelbare Folgerung aus dem 1. Hauptsatz ist ein Analogon des Satzes von Liouville für ganze Funktionen.
Es sei f eine meromorphe Funktion und T(r, f) beschränkt. Dann ist f konstant.
Einige Beispiele:
(a) Für eine rationale Funktion
\begin{eqnarray}f(z)=\frac{{a}_{n}{z}^{n}+{a}_{n-1}{z}^{n-1}+\cdots +{a}_{1}z+{a}_{0}}{{b}_{m}{z}^{m}+{b}_{m-1}{z}^{m-1}+\cdots +{b}_{1}z+{b}_{0}}\end{eqnarray}
mit an, bm ≠ 0 und d ≔ max {m, n} gilt\begin{eqnarray}T(r,f)=d\mathrm{log}r+O(1).\end{eqnarray}
(b) Für f (z) = ez gilt \(T(r,f)=\frac{r}{\pi }\).
(c) Für f (z) = cosz gilt \(T(r,f)=\frac{r}{\pi }+O(1)\).
(d) Es sei P(z) = anzn + an−1zn−1 + ... + a1z + a0 ein Polynom mit an ≠ 0 und f (z) = eP(z). Dann gilt
\begin{eqnarray}T(r,f)=\frac{|{a}_{n}|}{\pi }{r}^{n}+O({r}^{n-1}).\end{eqnarray}
Diese Beispiele deuten bereits darauf hin, daß bei ganzen Funktionen T(r,f) und logM(r,f) von der gleichen Größenordnung sind, worauf noch genauer eingegangen wird.
Im folgenden Satz werden die grundlegenden Eigenschaften der Charakteristik zusammengestellt.
(a) Es seien n ∈ ℕ, f1,…,fn meromorphe Funktionen und r ≥ 1. Dann gilt
\begin{eqnarray}T\left(r,\displaystyle \prod _{k=1}^{n}{f}_{k}\right)\le \displaystyle \sum _{k=1}^{n}T(r,{f}_{k})\end{eqnarray}
und\begin{eqnarray}T\left(r,\displaystyle \sum _{k=1}^{n}{f}_{k}\right)\le \displaystyle \sum _{k=1}^{n}T(r,{f}_{k})+\mathrm{log}n.\end{eqnarray}
(b) Es sei f eine meromorphe Funktion und
\begin{eqnarray}M(z)=\frac{\alpha z+\beta }{\gamma z+\delta }\end{eqnarray}
eineMöbius-Transformation mit \(f(z)\rlap{/}{\equiv }-\frac{\delta }{\gamma }\). Dann gilt\begin{eqnarray}T(r,M\circ f)=T(r,f)+O(1).\end{eqnarray}
Insbesondere gilt
\begin{eqnarray}T(r,\frac{1}{f})=T(r,f)+O(1).\end{eqnarray}
(c) Es sei f eine meromorphe Funktion und P ein Polynom vom Grad n ∈ ℕ. Dann gilt
\begin{eqnarray}T(r,P\circ f)=nT(r,f)+O(1).\end{eqnarray}
Die Aussage (b) liefert für das Beispiel
\begin{eqnarray}f(z)=\tan z=\frac{\sin z}{\cos z}=\frac{-i{e}^{2iz}+i}{{e}^{2iz}+1}\end{eqnarray}
sofort \(T(r,f)=\frac{r}{\pi }+O(1)\).Nun wird die Charakteristik ganzer Funktionen behandelt.
Es sei f eine nichtkonstante ganze Funktion. Dann gelten folgende Aussagen:
(a) Es existiert ein r0 > 0 derart, daß für r0 ≤ r< R< ∞ gilt
\begin{eqnarray}T(r,f)\le \mathrm{log}M(r,f)\le \frac{R+r}{R-r}T(R,f).\end{eqnarray}
(b) Für die Ordnung ϱ von f gilt
\begin{eqnarray}\varrho =\mathop{\mathrm{lim}\quad\sup }\limits_{r\to \infty }\frac{{\mathrm{log}}^{+}T(r,f)}{\mathrm{log}r}.\end{eqnarray}
Aufgrund der Aussage (b) wird die Ordnung einer meromorphen Funktion durch diese Gleichung definiert. Für f (z) = tan z erhält man ϱ = 1. Weiter kann man zeigen, daß für jede nichtkonstante elliptische Funktionf gilt: ϱ = 2.
Nach obigen Beispielen gilt für eine rationale Funktion f vom Grad d
\begin{eqnarray}\mathop{\mathrm{lim}}\limits_{r\to \infty }\frac{T(r,f)}{\mathrm{log}r}=d.\end{eqnarray}
Ist umgekehrt f eine meromorphe Funktion und existiert eine Zahl s ≥ 0 mit
\begin{eqnarray}\mathop{\mathrm{lim}\quad\inf }\limits_{r\to \infty }\frac{T(r,f)}{\mathrm{log}r}\le s,\end{eqnarray}
so ist f eine rationale Funktion vom Grad d ≤ s. Insbesondere ist f konstant, falls s< 1. Hieraus erhält man folgende Charakterisierung rationaler bzw. transzendenter meromorpher Funktionen f mittels der Charakteristik:- T(r,f) = O(logr) ⇔ f ist rational.
- \(\mathop{\mathrm{lim}}\limits_{r\to \infty }\frac{\mathrm{log}r}{T(r,f)}=0\) ist transzendent.
Eine weitere interessante Eigenschaft der Charakteristik liefert folgender Satz von Cartan (1929).
Es sei f eine nichtkonstante meromorphe Funktion und f (0) ≠ ∞. Dann gilt für 0 < r< ∞
\begin{eqnarray}T(r,f)=\frac{1}{2\pi }\displaystyle \underset{0}{\overset{2\pi }{\int }}N(r,f,{e}^{it})\, dt+{\mathrm{log}}^{+}|f(0)|\end{eqnarray}
und\begin{eqnarray}\frac{1}{2\pi }\displaystyle \underset{0}{\overset{2\pi }{\int }}m(r,f,{e}^{it})\, dt\le \mathrm{log}2.\end{eqnarray}
Als Folgerung erhält man, daß N(r,f, a) und T(r,f) monoton wachsende und bezüglich logr konvexe Funktionen sind. Insbesondere sind N(r, f, a) und T(r, f) stetig auf [0, ∞).
Zweiter Hauptsatz der Nevanlinna-Theorie. Nach dem 1. Hauptsatz ist für jedes \(a\in \hat{{\mathbb{C}}}\) die Summe
\begin{eqnarray}m(r,f,a)+N(r,f,a)\end{eqnarray}
von der gleichen Größenordnung. Eine genauere Analyse zeigt, daß die Anzahlfunktion in der Regel überwiegt.2. Hauptsatz. Es sei f eine nichtkonstante meromorphe Funktion und a1, a2,…,aq ∈ ℂ paarweise verschieden mit q ≥ 2. Dann gilt
\begin{eqnarray}\begin{array}{ll}m(r,f)+\displaystyle \sum _{n=1}^{q}m(r,\frac{1}{f-{a}_{n}})\le & \\ 2T(r,f)-{N}_{1}(r,f)+S(r,f)\end{array}\end{eqnarray}
mit\begin{eqnarray}{N}_{1}\left(r,f\right)=N(r,\frac{1}{{f}^{\text{'}}})+2N(r,f)-N(r,{f}^{;})\ge 0,\, r\ge 1\end{eqnarray}
und\begin{eqnarray}S(r,f)=m(r,\frac{{f}^{\text{'}}}{f})+\displaystyle \sum _{n=1}^{q}m(r,\frac{{f}^{\text{'}}}{f-{a}_{n}})+O(1).\end{eqnarray}
Weiter gilt
\begin{eqnarray}S(r,f)=O(\mathrm{log}r)+O(\mathrm{log}T(r,f)),\quad\quad\quad\, r\notin E,\end{eqnarray}
wobei E ⊂ [0, ∞) eine Menge von endlichem linearem Maß ist, d. h. es existiert eine Folge von Intervallen [an, bn], 0 ≤ an ≤ bn< ∞ mit\begin{eqnarray}E\subset \displaystyle \underset{n=1}{\overset{\infty }{\cup }}[{a}_{n},{b}_{n}]\quad\quad\quad\text{und}\quad\quad\quad\displaystyle \sum _{n=1}^{\infty }({b}_{n}-{a}_{n})\lt \infty .\end{eqnarray}
Falls ϱ(f) < ∞, so gilt S(r, f) = O(logr) für aller ≥ 1.
Ist f eine rationale Funktion, so zeigt man leicht, daß \(m(r,\frac{{f}^{\text{'}}}{f})=o(1)\) und daher S(r, f) = O(1). In allen Fällen gilt insbesondere S(r, f) = o(T(r, f)) für r ∉ E .
Die Ungleichung (1) wird oft in folgender Form benutzt. Sind \({a}_{1},{a}_{2},\ldots ,{a}_{q}\in \hat{{\mathbb{C}}}\) paarweise verschieden und q ≥ 3, so gilt
\begin{eqnarray}\begin{array}{c}(q-2)T(r,f)\le \\ \displaystyle \sum _{n=1}^{q}N(r,f,{a}_{n})-{N}_{1}(r,f)+S(r,f).\end{array}\end{eqnarray}
Die Hauptarbeit beim Beweis des 2. Hauptsatzes besteht in der Abschätzung des Fehlerterms S(r, f), d. h. der Schmiegungsfunktion der logarithmischen Ableitung \(\frac{{f}^{\text{'}}}{f}\) von f. Ursprünglich wurde vermutet, daß die Ausnahmemenge E nur durch die benutzte Beweistechnik bedingt ist. Diese Menge kann aber tatsächlich auftreten.
Nevanlinnasche Defektrelation. Für eine meromorphe Funktion f und \(a\in \hat{{\mathbb{C}}}\) mit f (z) ≢ a bezeichne \(\bar{n}(r,f,a)\) die Anzahl der verschiedenen a-Stellen von f in Br, d. h. jede mehrfache a-Stelle wird nur einfach gezählt. Die zugehörige Anzahlfunktion wird mit \(\bar{N}(r,f,a)\) bezeichnet. Dann heißen
\begin{eqnarray}\begin{array}{lll}\delta (f,a) & := & 1-\mathop{\mathrm{lim}\quad\sup }\limits_{r\to \infty }\frac{N(r,f,a)}{T(r,f)}\\ & = & \mathop{\mathrm{lim}\quad\inf }\limits_{r\to \infty }\frac{m(r,\frac{1}{f-a})}{T(r,f)}\end{array}\end{eqnarray}
der Defekt von a,\begin{eqnarray}\vartheta (f,a):=\mathop{\mathrm{lim}\quad\inf }\limits_{r\to \infty }\frac{N(r,f,a)-\bar{N}(r,f,a)}{T(r,f)}\end{eqnarray}
der Verzweigungsindex von a, und\begin{eqnarray}{\rm{\Theta }}(f,a):=1-\mathop{\mathrm{lim}\quad\sup }\limits_{r\to \infty }\frac{\bar{N}(r,f,a)}{T(r,f)}\end{eqnarray}
die Verzweigtheit von a. Für den Defekt gilt\begin{eqnarray}0\le \delta (f,a)\le 1.\end{eqnarray}
Er ist ein genaues Maß für die relative Dichte der a-Stellen, d. h. je größer der Defekt ist, desto spärlicher sind die a-Stellen. Weiter gilt
\begin{eqnarray}\delta (f,a)+\vartheta (f,a)\le {\rm{\Theta }}(f,a).\end{eqnarray}
Aus dem 2. Hauptsatz erhält man folgende Abschätzungen für die Verzweigtheit und den Defekt.
Es sei f eine nichtkonstante meromorphe Funktion. Dann ist die Menge derjenigen \(a\in \hat{{\mathbb{C}}}\)mit Θ(f, a) > 0 höchstens abzählbar, und es gilt
\begin{eqnarray}\displaystyle \sum _{a\in \hat{{\mathbb{C}}}}{\rm{\Theta }}(f,a)\le 2.\end{eqnarray}
Insbesondere ist die Menge derjenigen \(a\in \hat{{\mathbb{C}}}\)mit δ (f, a) > 0 höchstens abzählbar, und es gilt
\begin{eqnarray}\displaystyle \sum _{a\in \hat{{\mathbb{C}}}}\delta (f,a)\le 2.\end{eqnarray}
Die zweite Aussage dieses Satzes nennt man Nevanlinnasche Defektrelation.
Ein Wert \(a\in \hat{{\mathbb{C}}}\) mit δ(f, a) > 0 heißt defekter Wert oder Nevanlinnascher Ausnahmewert von f. Ist a ein Picardscher Ausnahmewert einer transzendenten meromorphen Funktion f, d.h., die Gleichung f (z) = a besitzt höchstens endlich viele Lösungen z ∈ ℂ, so ist a ein defekter Wert mit Defekt δ(f, a) = 1. Für a = ∞ bedeutet dies, daß f nur endlich viele Polstellen hat. Dies zeigt, daß der große Satz von Picard ein Spezialfall der Defektrelation ist: Eine transzendente meromorphe Funktion f besitzt höchstens zwei Picardsche Ausnahmewerte. Es kann vorkommen, daß eine solche Funktion zwei Picardsche Ausnahmewerte besitzt, denn beispielsweise f (z) = ez hat die Picardschen Ausnahmewerte 0 und ro. Die Funktion \(f(z)=\frac{1}{{e}^{z}+1}\) hat unendlich viele Polstellen und die Picardschen Ausnahmewerte 0 und 1. Diese Beispiele zeigen, daß die Abschätzung der Defektsumme bestmöglich ist.
Es sollen noch einige interessante Folgerungen und Beispiele zur Defektrelation betrachtet werden, wobei f stets eine nichtkonstante meromorphe Funktion ist.
(1) Ist \(a\in \hat{{\mathbb{C}}}\) mit
\begin{eqnarray}N(r,f,a)=o(T(r,f)),\end{eqnarray}
so gilt δ(f, a) = 1. Nach der Defektrelation kann es höchstens zwei solche Werte a geben. Genauer gibt es höchstens zwei Werte a mit \(\delta (f,a)\gt \frac{2}{3}\). Ist f eine ganze Funktion, so ist δ(f, ∞) = 1 und daher gibt es höchstens einen Wert a ∈ ℂ mit \(\delta (f,a)\gt \frac{1}{2}\).(2) Ein \(a\in \hat{{\mathbb{C}}}\) heißt ein vollständig verzweigter Wert von f, falls für die Vielfachheit v(f, z0) jeder a-Stellez0 von f gilt v(f, z0) ≥ 2. Dann ist
\begin{eqnarray}\bar{N}(r,f,a)\le \frac{1}{2}N(r,f,a)\le \frac{1}{2}T(r,f)+O(1),\end{eqnarray}
also \({\rm{\Theta }}(f,a)\ge \frac{1}{2}\). Daher kann es höchstens vier solche Werte a geben. Die Höchstzahl 4 kann tatsächlich auftreten, denn für die Weierstraßsche ℘-Funktion gilt\begin{eqnarray}{({\wp }^{\text{'}}(z))}^{2}=(\wp (z)-a)(\wp (z)-b)(\wp (z)-c)\end{eqnarray}
mit paarweise verschiedenen a, b, c ∈ ℂ. Die Werte a, b, c und ∞ werden stets mit Vielfachheit 2 angenommen. Ist f eine ganze Funktion, so gibt es wegen Θ(f, ∞) = 1 höchstens zwei vollständig verzweigte Werte a ∈ ℂ von f. Die Höchstzahl tritt z. B. bei f (z) = sinz auf, denn die Werte ±1 werden immer mit Vielfachheit 2 angenommen. Es gibt jedoch keine defekten Werte.(3) Es sei
\begin{eqnarray}\phi (w):=\displaystyle \underset{0}{\overset{w}{\int }}{(\omega -a)}^{\frac{1}{m}-1}{(\omega -b)}^{\frac{1}{n}-1}{(\omega -c)}^{\frac{1}{p}-1}\, d\omega ,\end{eqnarray}
wobei a, b, c ∈ ℂ paarweise verschieden und m, n, p ∈ ℕ mit\begin{eqnarray}\frac{1}{m}+\frac{1}{n}+\frac{1}{p}=1.\end{eqnarray}
Liegen die Punkte a, b, c nicht auf einer Geraden, so liefert φ nach der Schwarz-Christoffelschen Abbildungsformel eine konforme Abbildung des Inneren der Kreislinie durch a, b, c auf das Innere eines Dreiecks mit den Winkeln \(\frac{\pi }{m}\), \(\frac{\pi }{n}\), \(\frac{\pi }{p}\).
Die Umkehrabbildung f = φ−1 kann mit Hilfe des Schwarzschen Spiegelungsprinzips in die gesamte Ebene fortgesetzt werden, und es entsteht eine elliptische Funktion f. Man kann zeigen, daß f die Werte a, b, c immer mit den Vielfachheiten m, n, p annimmt. Weiter gilt \({\rm{\Theta }}(f,a)=1-\frac{1}{m}\), \({\rm{\Theta }}(f,b)=1-\frac{1}{n}\), \({\rm{\Theta }}(f,c)=1-\frac{1}{p}\), Θ(f, z) = 0 für alle \(z\in \hat{{\mathbb{C}}}\backslash \{a,b,c\}\), und δ(f, z) = 0 für alle \(z\in \hat{{\mathbb{C}}}\). Bis auf Permutationen sind für das Tripel (m, n, p) nur drei Fälle möglich, nämlich (2, 3, 6), (2, 4, 4) und (3, 3, 3).
(4) Das letzte Beispiel ist auch von theoretischem Interesse. Dazu sei mn ∈ ℕ mit mn ≥ 2 und \({a}_{n}\in \hat{{\mathbb{C}}}\) derart, daß für die Vielfachheit v(f, z0) jeder an-Stelle z0 von f gilt v(f, z0) ≥ mn. Hierbei sind auch Werte an zugelassen, die von f nie angenommen werden; es ist dann mn = ∞ zu setzen. Man beachte, daß es höchstens abzählbar viele solcher Werte an geben kann. Dann gilt
\begin{eqnarray}\bar{N}(r,f,{a}_{n})\le \frac{1}{{m}_{n}}N(r,f,{a}_{n})\le \frac{1}{{m}_{n}}T(r,f)+O(1),\end{eqnarray}
also\begin{eqnarray}{\rm{\Theta }}(f,{a}_{n})\ge 1-\frac{1}{{m}_{n}}\ge \frac{1}{2}.\end{eqnarray}
Weiter folgt
\begin{eqnarray}\displaystyle \sum _{n}(1-\frac{1}{{m}_{n}})\le 2,\end{eqnarray}
und daher kann es höchstens vier solcher Werte an geben. Falls es genau vier gibt, so gilt m1 = m2 = m3 = m4 = 2. Man vergleiche hierzu Beispiel (2). Nun gebe es genau drei solcher Werte. Dann gilt\begin{eqnarray}\frac{1}{{m}_{1}}+\frac{1}{{m}_{2}}+\frac{1}{{m}_{3}}\ge 1,\end{eqnarray}
und man erhält die möglichen Tripel (2, 2, m), m ≥ 2 beliebig, (2, 3, 3), (2, 3, 4), (2, 3, 5), (2, 3, 6), (2, 4, 4) und (3, 3, 3). Für die Tripel (2, 3, 6), (2, 4, 4) und (3, 3, 3) vergleiche man Beispiel (3), während die Tripel (2, 3, 3), (2, 3, 4) und (2, 3, 5) in (2, 3, 6) enthalten sind. Der Fall (2, 2, m) wird durch das Beispiel f(z) = sinz abgedeckt, wobei a1 = 1, a2 = −1 und a3 = ∞.(5) Es existieren Funktionen mit mehr als zwei defekten Werten. Dazu sei q ∈ ℕ mit q ≥ 2 und
\begin{eqnarray}f(z):=\displaystyle \underset{0}{\overset{z}{\int }}{e}^{-{\zeta }^{q}}\, d\zeta .\end{eqnarray}
Dann ist f eine ganze Funktion mit ϱ(f) = q. Setzt man
\begin{eqnarray}{a}_{0}:=\displaystyle \underset{0}{\overset{\infty }{\int }}{e}^{-{x}^{q}}dx\end{eqnarray}
und\begin{eqnarray}{a}_{k}:={a}_{0}{e}^{2\pi ki/q},\quad\quad\quad\quadk=1,\ldots ,q-1,\end{eqnarray}
so kann man zeigen, daß f die defekten Werte a0, a1,…,aq und ∞ besitzt. Für die Defekte gilt \(\delta (f,{a}_{k})=\frac{1}{q}\), k = 0, 1,…,q − 1, und δ(f, ∞) = 1.Es existieren sogar meromorphe Funktionen mit unendlich vielen defekten Werten. Das erste solche Beispiel wurde von Goldberg (1954) konstruiert. Weiter zeigte Arakeljan (1966), daß es zu jedem \(\varrho \gt \frac{1}{2}\) eine ganze Funktion f der Ordnung ϱ mit unendlich vielen defekten Werten gibt.
Noch vollständiger und äußerst tiefliegend sind Resultate von Drasin (1977), der das sog. Umkehrproblem von Nevanlinna löste.
Es seien höchstens abzählbar viele reelle Zahlen δn, ϑn ≥ 0 mit
\begin{eqnarray}0\lt {\delta }_{n}+{\vartheta }_{n}\le 1\end{eqnarray}
und\begin{eqnarray}\displaystyle \sum _{n}({\delta }_{n}+{\vartheta }_{n})\le 2,\end{eqnarray}
sowie paarweise verschiedene \({a}_{n}\in \hat{{\mathbb{C}}}\)gegeben.Dann existiert eine meromorphe Funktion f mit genau den Defekten δ(f, an) = δnund genau den Verzweigungsindizes ϑ(f, an) = vn.
Das Umkehrproblem von Nevanlinna ist im allgemeinen nicht mehr lösbar, falls man ϱ(f) < ∞ fordert, denn es gilt folgender Satz.
Es sei f eine meromorphe Funktion mit ϱ(f) < ∞ und \(\alpha \ge \frac{1}{3}\). Dann gilt
\begin{eqnarray}\displaystyle \sum _{a\in \hat{{\mathbb{C}}}}{(\delta (f,a))}^{\alpha }\lt \infty .\end{eqnarray}
Dieses Ergebnis wurde bewiesen von Fuchs (1958) für \(\alpha =\frac{1}{2}\), von Hayman (1964) für \(\alpha \gt \frac{1}{3}\) und von Weitsman (1972) für \(\alpha =\frac{1}{3}\). Hayman (1964) konstruierte ein Beispiel dafür, daß die Aussagesage für \(\alpha \lt \frac{1}{3}\) im allgemeinen falsch ist. Ist z. B. \({\delta }_{n}=\frac{1}{{n}^{2}}\) und ϑn = 0, so ist
\begin{eqnarray}\displaystyle \sum _{n=1}^{\infty }{\delta }_{n}=\frac{{\pi }^{2}}{6}\lt 2\end{eqnarray}
und\begin{eqnarray}\displaystyle \sum _{n=1}^{\infty }{\delta }_{n}^{1/3}=\displaystyle \sum _{n=1}^{\infty }{k}^{-2/3}=\infty .\end{eqnarray}
Sind \({a}_{n}\in \hat{{\mathbb{C}}}\) paarweise verschieden, so existiert nach dem Satz von Drasin eine meromorphe Funktion f mit genau den Defekten \(\delta (f,{a}_{n})=\frac{1}{{n}^{2}}\), und es gilt ϱ(f) = ∞.
Fordert man neben ϱ(f) < ∞ für die Defektsumme noch
\begin{eqnarray}{\rm{\Delta }}(f):=\displaystyle \sum _{a\in \hat{{\mathbb{C}}}}\delta (f,a)=2,\end{eqnarray}
so kann f höchstens endlich viele defekte Werte haben, denn es gilt folgender Satz von Drasin (1987), der eine Vermutung von F. Nevanlinna (ein Bruder von R. Nevanlinna) aus dem Jahre 1930 beweist.Es sei f eine meromorphe Funktion, ϱ(f) < ∞, Δ (f) = 2, und v(f) die Anzahl der defekten Werte von f.
Dann gilt v(f) ≤ 2ϱ(f).
Weiter existieren Zahlen n, k ∈ ℕ, n ≥ 2 mit
\begin{eqnarray}\varrho (f)=\frac{n}{2}\quad\quadund\quad\quad\delta (f,a)=\frac{k}{\varrho (f)}\end{eqnarray}
für jeden defekten Wert a von f.Verallgemeinerung des 2. Hauptsatzes. Eine wesentliche Verallgemeinerung des 2. Hauptsatzes gelang Steinmetz (1986). Dazu ist ein weiterer Begriff notwendig. Ist f eine meromorphe transzendente Funktion, so heißt eine meromorphe Funktion a eine kleine Funktion bezüglich f, falls T(r, a) = o(T(r, f)). Die Menge Kf aller kleinen Funktionen bezüglich f ist ein Körper, der die rationalen Funktionen enthält. Für eine rationale Funktion f ist der Begriff der kleinen Funktion uninteressant, da dann Kf nur aus konstanten Funktionen besteht. Eine kleine Funktion a bezüglich f heißt defekte Funktion von f, falls
\begin{eqnarray}\delta (f,a):=\mathop{\mathrm{lim}\quad\inf }\limits_{r\to \infty }\frac{m(r,\frac{1}{f-a})}{T(r,f)}\gt 0.\end{eqnarray}
Mit diesen Bezeichnungen lautet das Ergebnis von Steinmetz wie folgt.
Es sei f eine transzendente meromorphe Funktion unda1, a2,…,aq ∈ Kf paarweise verschieden mit q ≥ 2. Dann gilt für jedesϵ > 0
\begin{eqnarray}\begin{array}{cc}m(r,f)+\displaystyle \sum _{n=1}^{q}m(r,\frac{1}{f-{a}_{n}})\le (2+\varepsilon )T(r,f), & (2)\end{array}\end{eqnarray}
r ∉ Eϵ, wobeiEϵ ⊂ [0, ∞) eine von ϵ abhängige Menge von endlichem linearem Maß ist.Hieraus erhält man folgende verallgemeinerte Defektrelation.
Es sei f eine transzendente meromorphe Funktion. Dann ist die Menge der defekten Funktionen a ∈ Kf höchstens abzählbar, und es gilt
\begin{eqnarray}\delta (f,\infty )+\displaystyle \sum _{a\in {K}_{f}}\delta (f,a)\le 2.\end{eqnarray}
Für rationale Funktionen an wurde der Satz von Steinmetz von Frank und Weißenborn (1986) bewiesen, während der Fall einer ganz transzendenten Funktion f bereits 1964 von Chuang behandelt wurde. Ein vollkommen anderer Beweis mittels zahlentheoretischer Methoden wurde von Osgood (1985) geliefert.
Eindeutigkeitssätze. Ein Hauptanwendungsgebiet der Nevanlinna-Theorie sind sog. Eindeutigkeitssätze. Untersuchungen hierzu wurden bereits von Nevanlinna (1926) begonnen. Zur Formulierung der Ergebnisse wird folgende Sprechweise eingeführt. Zwei meromorphe Funktionen f und g teilen einen Wert \(a\in \hat{{\mathbb{C}}}\), falls
\begin{eqnarray}\{z\in {\mathbb{C}}:f(z)=a\}=\{z\in {\mathbb{C}}:g(z)=a\}=A.\end{eqnarray}
Sie teilen ihn mit Vielfachheit, falls für jedes z0 ∈ A gilt v(f, z0) = v(g, z0). Insbesondere teilen f und g einen Wert a mit Vielfachheit, falls beide ihn nie annehmen. Zwei ganze Funktionen teilen also stets den Wert ∞. Mit diesen Bezeichnungen gilt der sog. Fünf-Punkte-Satz von Nevanlinna (1926).
Es seien f und g meromorphe Funktionen, die fünf verschiedene Werte \({a}_{k}\in \hat{{\mathbb{C}}}\), k = 1,..., 5, teilen. Dann gilt f = g, oder beide Funktionen sind konstant.
Die Voraussetzungen dieses Satzes können nicht abgeschwächt werden, denn die Funktionen f (z) = ez und g(z) = e−z teilen die vier Werte 0, 1, − 1 und ∞ (sogar mit Vielfachheit).
Falls vier Werte mit Vielfachheit geteilt werden, so liefert der sog. Vier-Punkte-Satz von Nevanlinna folgende Aussage.
Es seien f und g meromorphe Funktionen, die vier verschiedene Werte \({a}_{k}\in \hat{{\mathbb{C}}}\), k = 1,..., 4, mit Vielfachheit teilen.
Dann existiert eine Möbius-Transformation M mit f = M ○ g, oder beide Funktionen sind konstant. Ist f ≠ g, so sind z. B. a1, a2Picardsche Ausnahmewerte von f und g, und es gilt fürz ∈ ℂ
\begin{eqnarray}\text{DV}\quad(f(z),g(z),{a}_{3},{a}_{4})=\text{DV}\quad({a}_{1},{a}_{2},{a}_{3},{a}_{4})=-1.\end{eqnarray}
Dabei bezeichnet DV das Doppelverhältnis von vier Punkten in \(\hat{{\mathbb{C}}}\) (Möbius-Transformation). Das Beispiel f(z) = ez, g(z) = e−z zeigt, daß der Fall f ≠ g vorkommen kann.
Die Aussage des Vier-Punkte-Satzes gilt im allgemeinen nicht mehr, falls f und g nur drei verschiedene Werte mit Vielfachheit teilen. Dies zeigt das Beispiel
\begin{eqnarray}f(z)=\frac{1-{e}^{-\beta (z)}}{{e}^{-\alpha (z)}-{e}^{-\beta (z)}},\quad\quad\quad\quad\quadg(z)=\frac{1-{e}^{\beta (z)}}{{e}^{\alpha (z)}-{e}^{\beta (z)}},\end{eqnarray}
wobei α und β nichtkonstante ganze Funktionen mit eα(z) ≢ eβ(z) sind. Es gilt nämlich\begin{eqnarray}\frac{f(z)}{g(z)}={e}^{\alpha (z)},\quad\quad\quad\quad\frac{f(z)-1}{g(z)-1}={e}^{\beta (z)}\end{eqnarray}
und daher teilen f und g die Werte 0, 1, ∞ mit Vielfachheit.Gundersen (1983) konnte jedoch zeigen, daß die Aussage des Vier-Punkte-Satzes gültig bleibt, falls von den vier geteilten Werten nur zwei mit Vielfachheit geteilt werden. Ob sogar ein solcher Wert genügt, ist unbekannt. Falls keiner der vier Werte mit Vielfachheit geteilt wird, so ist die Aussage im allgemeinen nicht mehr richtig. Dies zeigt folgendes Beispiel von Gundersen (1979)
\begin{eqnarray}f(z)=\frac{{e}^{\gamma (z)}+c}{{({e}^{\gamma (z)}-c)}^{2}},\quad\quad\quadg(z)=\frac{{({e}^{\gamma (z)}+c)}^{2}}{8{c}^{2}({e}^{\gamma (z)}-c)},\end{eqnarray}
wobei c ∈ ℂ \{0} und γ eine nichtkonstante ganze Funktion ist. Diese Funktionen teilen die vier Werte 0, ∞, \(\frac{1}{c}\), \(-\frac{1}{8c}\) ohne Vielfachheit.Diese Eindeutigkeitssätze gelten insbesondere für den Spezialfall g = f′. Hier lassen sich jedoch genauere Aussagen machen. Zunächst gilt folgender Satz, der unabhängig von Mues und Steinmetz (1979) und von Gundersen (1980) gefunden wurde.
Es sei f eine nichtkonstante meromorphe Funktion derart, daß f und f′ drei verschiedene Werte a1, a2, a3 ∈ ℂ teilen. Dann gilt f′ = f.
Man beachte, daß f und f′ stets den Wert x teilen. Die Gleichung f′ = f impliziert sofort, daß f (z) = cez mit einer Konstanten c ∈ ℂ. Die Voraussetzungen dieses Satzes können nicht abgeschwächt werden. Dies zeigt das Beipiel
\begin{eqnarray}f(z)=\frac{2a{e}^{2z}}{{e}^{2z}-b},\quad\quad\quad{f}^{\text{'}}(z)=-\frac{4ab{e}^{2z}}{{({e}^{2z}-b)}^{2}},\end{eqnarray}
wobei a, b ∈ ℂ \{0}, denn f und f′ teilen die Werte 0 und a.Für ganze Funktionen genügen sogar zwei geteilte Werte, wie folgender Satz von Mues und Steinmetz (1979) zeigt.
Es sei f eine nichtkonstante ganze Funktion derart, daß f und f′ zwei verschiedene Werte a, b ∈ ℂ teilen. Dann gilt f′ = f.
Auch die Voraussetzungen dieses Satzes können nicht abgeschwächt werden. Dies zeigt das Beipiel
\begin{eqnarray}f(z)={e}^{{e}^{z}}\displaystyle \underset{0}{\overset{z}{\int }}{e}^{-{e}^{\zeta }}(1-{e}^{\zeta })\, d\zeta ,\end{eqnarray}
denn es gilt\begin{eqnarray}\frac{{f}^{\text{'}}(z)-1}{f(z)-1}={e}^{z},\end{eqnarray}
und daher teilen f und f′ den Wert 1 (sogar mit Vielfachheit).Berücksichtigt man wieder die Vielfachheit, so gilt folgender Satz, der 1983 unabhängig von Gundersen und von Mues und Steinmetz gefunden wurde.
Es sei f eine nichtkonstante meromorphe Funktion derart, daß f und f′ zwei verschiedene Werte a, b ∈ ℂ \ {0} mit Vielfachheit teilen. Dann gilt f′ = f.
Für höhere Ableitungen gilt noch folgender Satz von Frank, Ohlenroth und Weißenborn (1986).
Es sei f eine nichtkonstante meromorphe Funktion derart, daß f und f(k), k ≤ 2, zwei verschiedene Werte a, b ∈ ℂ mit Vielfachheit teilen. Dann gilt f(k) = f.
Einige weitere Anwendungen. Mit Hilfe der Nevanlinna-Theorie kann ein einfacher Beweis eines Eindeutigkeitssatzes von Pólya und Saxer (1923) geführt werden.
Es sei f eine ganze Funktion derart, daß f, f′ und f″ keine Nullstellen besitzen.
Dann gilt
\begin{eqnarray}f(z)={e}^{az+b}\end{eqnarray}
mit Konstanten a, b ∈ ℂ.Die Aussage ist im allgemeinen nicht mehr gültig, falls man nur fordert, daß f und f′ keine Nullstellen besitzen. Dies zeigt schon das einfache Beispiel \(f(z)={e}^{{e}^{z}}\). Ein wesentlich allgemeineres Resultat lautet:
Es sei f eine meromorphe Funktion derart, daß f und f(k)für ein k ≥ 2 keine Nullstellen besitzen. Dann gilt f (z) = eaz+boder f (z) = (Az + B)−m, wobei m ∈ ℕ und a, b, A, B ∈ ℂ Konstanten sind.
Dieser Satz wurde für k > 2 von Frank (1976) und für k = 2 von Langley (1993) bewiesen.
Als weitere Anwendung werden Fixpunkte ganzer Funktionen betrachtet. An dem elementaren Beispiel f (z) = z + ez erkennt man, daß eine ganze Funktion keine Fixpunkte haben muß. Zur Formulierung eines positiven Ergebnisses sei f eine ganze Funktion, und für n ∈ ℕ sei fn die n-te iterierte Abbildung von f. Ein ζ ∈ ℂ heißt Fixpunkt der Ordnung n von f, falls fn(ζ) = ζ. Man nennt ζ einen Fixpunkt der genauen Ordnung n, falls ζ ein Fixpunkt der Ordnung n, aber kein Fixpunkt der Ordnung k für jedes k< n ist. Mit diesen Bezeichnungen gilt folgender Satz von Baker (1960).
Es sei f eine ganz transzendente Funktion. Dann besitzt f unendlich viele Fixpunkte der genauen Ordnung n für alle n ∈ ℕ mit höchstens einer Ausnahme.
Genauer gilt: Bezeichnet \({N}_{n}^{* }(r,f)\)die Anzahlfunktion der verschiedenen Fixpunkte der genauen Ordnung n von f, so existiert eine Menge E ⊂ [0, ∞) von endlichem linearem Maß derart, daß für r ∉ E gilt
\begin{eqnarray}\mathop{\mathrm{lim}}\limits_{r\to \infty }\frac{{N}_{n}^{* }(r,f)}{T(r,{f}^{n})}=1\end{eqnarray}
für alle n >k, falls ein k ∈ ℕ existiert derart, daß f nur endlich viele Fixpunkte der genauen Ordnung k besitzt. Insbesondere gilt\begin{eqnarray}{\rm{\Theta }}({f}^{n}-z,0)=\delta ({f}^{n}-z,0)=0.\end{eqnarray}
Schließlich sei noch folgender Satz von Polya (1926) über das Wachstum zusammengesetzter ganzer Funktionen erwähnt.
Es seien f und g ganze Funktionen, φ ≔ g ○ f undϱ(φ) < ∞. Dann ist f ein Polynom oderϱ(g) = 0.
Eine ausführliche Diskussion zum Wachstum zusammengesetzter Funktionen ist in [2] zu finden.
Differentialgleichungen im Komplexen. Die Ne- vanlinna-Theorie hat weitreichende Anwendungen in der Theorie der gewöhnlichen Differentialgleichungen im Komplexen. Aus Platzgründen können hier nur einige dem Autor besonders interessant erscheinende Ergebnisse behandelt werden. Eine ausführliche Diskussion dieses Themenkreises ist in [3] zu finden.
Zunächst werden homogene lineare Differentialgleichungen betrachtet, d. h.
\begin{eqnarray}\begin{array}{cc}{w}^{(n)}+{a}_{n-1}(z){w}^{(n-1)}+\cdots +{a}_{0}(z)w=0, & (\text{L})\end{array}\end{eqnarray}
wobei n ∈ ℕ und die Koeffizienten a0, a1,…, an−1 ganze Funktionen sind mit a0(z) ≢ 0. Dann ist jede Lösung w von (L) eine ganze Funktion. Sind a0, a1,…, an−1 Polynome, so zeigte Wittich (1952), daß jede Lösung w von (L) endliche Ordnung hat. Weiter gilt in diesem Fall für jede transzendente Lösung w von (L), daß ϱ(w) ∈ ℚ und \(\varrho (w)\ge \frac{1}{n}\). Außerdem existiert stets eine Lösung mit ϱ(w) ≥ 1. Es ist möglich, aufgrund der Grade von a0, a1 ,…, an−1 genauere Aussagen über die möglichen Ordnungen der Lösungen zu treffen, worauf hier nicht näher eingegangen wird. Insbesondere gilt ϱ(w) = 1 für jede Lösung w von (L) genau dann, wenn a0, a1, …, an−1 Konstanten sind. Ist einer der Koeffizienten von (L) eine transzendente Funktion, so zeigte Frei (1961), daß eine Lösung w mit ϱ(w) = ∞ existiert. Genauer gilt: Ist aj transzendent und sind aj+1, …, an Polynome, so existieren höchstens j linear unabhängige Lösungen w mit ϱ(w) < ∞.Nun sollen noch einige Ergebnisse über die Wertverteilung der Lösungen von (L) behandelt werden. Ist w eine Lösung von (L) derart, daß a0, a1,…,an−1 kleine Funktionen bezüglich w sind, so gilt δ(w, c) = 0 für alle c ∈ ℂ \ {0}. Diese Aussage gilt insbesondere, falls a0, a1,…, an−1 Polynome sind, und w eine transzendente Lösung ist. Weiter gilt in diesem Fall
\begin{eqnarray}\mathop{\mathrm{lim}}\limits_{r\to \infty }\frac{N(r,w,b)}{N(r,w,c)}=1\end{eqnarray}
für alle b, c ∈ ℂ \ {0} und δ(w, 0) = δ(w′, 0). Aussagen über die Nullstellen der Lösungen w von (L) zu erhalten, ist wesentlich schwieriger.Als nächstes werden binomische Differentialgleichungen behandelt, d. h.
\begin{eqnarray}\begin{array}{cc}{({w}^{\text{'}})}^{n}=R(z,w), & (\text{B})\end{array}\end{eqnarray}
wobei n ∈ ℕ und R(z, w) ≢ 0 eine rationale Funktion in z und w ist. Differentialgleichungen dieser Art besitzen im allgemeinen keine meromorphen Lösungen. Eine genauere Aussage liefert der Satz von Malmquist-Yosida (1932).Falls (B) eine transzendente meromorphe Lösung w besitzt, so istR(z, w) von der Form
\begin{eqnarray}R(z,w)=\displaystyle \sum _{j=0}^{2n}{a}_{j}(z){w}_{j},\end{eqnarray}
wobeia0, a1, …, a2nrationale Funktionen sind.Im Spezialfall n = 1 ergibt sich, daß (B) eine Riccatische Differentialgleichung
\begin{eqnarray}\begin{array}{cc}{w}^{\text{'}}=a(z)+b(z)w+c(z){w}^{2} & (\text{R})\end{array}\end{eqnarray}
mit rationalen Koeffizienten a, b, c ist. Diese Aussage wurde 1913 von Malmquist ohne Benutzung von Nevanlinna-Theorie bewiesen. Eine wesentliche Verschärfung des Satzes von Malmquist-Yosida erzielte Steinmetz (1978).Falls (B) eine transzendente meromorphe Lösung w besitzt, so läßt sich (B) mit Hilfe einer Möbius-Transformation
\begin{eqnarray}w=\frac{\alpha v+\beta }{\gamma v+\delta }\end{eqnarray}
in genau eine der folgenden Normalformen oder eine Potenz davon überführen:\begin{eqnarray}\begin{array}{rclr}{v}^{\text{'}} & = & a(z)+b(z)v+c(z){v}^{2}, & (\text{R})\\ {({v}^{\text{'}})}^{2} & = & d(z){(v-e(z))}^{2}(v-{\tau }_{1})(v-{\tau }_{2}), & (\text{H})\\ {({v}^{\text{'}})}^{2} & = & d(z)(v-{\tau }_{1})(v-{\tau }_{2})(v-{\tau }_{3})(v-{\tau }_{4}), & (\text{E}1)\\ {({v}^{\text{'}})}^{3} & = & d(z){(v-{\tau }_{1})}^{2}{(v-{\tau }_{2})}^{2}{(v-{\tau }_{3})}^{2}, & (\text{E}2)\\ {({v}^{\text{'}})}^{4} & = & d(z){(v-{\tau }_{1})}^{2}{(v-{\tau }_{2})}^{3}{(v-{\tau }_{3})}^{3}, & (\text{E}3)\\ {({v}^{\text{'}})}^{6} & = & d(z){(v-{\tau }_{1})}^{3}{(v-{\tau }_{2})}^{4}{(v-{\tau }_{3})}^{5}. & (\text{E}4)\end{array}\end{eqnarray}
Dabei sindτ1, τ2, τ3, τ4 ∈ ℂ paarweise verschieden und a, b, c, d, ∈ rationale Funktionen mit d(z) ≢ 0, e(z) ≢ τ1unde(z) ≢ τ2.
Alle diese Differentialgleichungen können transzendente meromorphe Lösungen besitzen, sodaß die Aussage des Satzes nicht mehr verbessert werden kann.
Im folgenden werden noch einige Ergebnisse über das Wachstum und die Wertverteilung der Lösungen dieser Differentialgleichungen angegeben.
Sind die Koeffizienten a, b, c von (R) ganze Funktionen, so ist jede Lösung w eine meromorphe Funktion. Man kann sich leicht überlegen, daß z. B. w′ = 1 + zw2 nur transzendente Lösungen besitzt. Über das Wachstum der Lösungen gilt folgender Satz von Wittich (1954).
Es seien a, b, c rationale Funktionen mitc(z) ≢ 0 und w eine transzendente meromorphe Lösung von (R).
Dann existiert ein k ∈ ℕ mit \(\varrho (w)=\frac{k}{2}\). Insbesondere ist
\begin{eqnarray}\frac{1}{2}\le \varrho (w)\lt \infty .\end{eqnarray}
Ebenfalls können Aussagen über die Wertverteilung von Lösungen getroffen werden.
Es seien a, b, c rationale Funktionen mitc(z) ≢ 0 und w eine transzendente meromorphe Lösung von (R).
Dann giltδ(w, ∞) = 0 undδ(w, α) = 0 für alleα ∈ ℂ mita(z) + αb(z) + α2c(z) ≢ 0.
Ista(z) + αb(z) + α2c(z) ≡ 0, so gilt Θ(w, α) = 1.
Ähnliche Ergebnisse gelten für Differentialgleichungen vom Typ (H), wobei hier auf eine genaue Formulierung verzichtet wird.
Differentialgleichungen vom Typ (E1)–(E4) treten in der Theorie der konformen Abbildungen auf. Sucht man z. B. alle konformen Abbildungen w des Inneren eines n-Ecks auf die untere Halbebene {z ∈ ℂ : Im z< 0 }, die zu einer in C mero- morphen Funktion fortgesetzt werden können, so findet man leicht, daß dies nur für Rechtecke und gewisse Dreiecke möglich ist. In allen Fällen ist w eine elliptische Funktion und daher transzendent. Für Rechtecke erfüllt w die Differentialgleichung (E1). Schreibt man im Fall eines Dreiecks die Innenwinkel in der Form \(\frac{\pi }{m}\), \(\frac{\pi }{n}\), \(\frac{\pi }{p}\), so ergeben sich für (m, n, p) nur die Tripel (3, 3, 3), (2, 4, 4) und (2, 3, 6), und diese entsprechen den Differentialgleichungen (E2), (E3) und (E4).
Der folgende Satz gibt Auskunft über das Wachstum der meromorphen Lösungen von (E1)–(E4). Dabei wird die Kurzschreibweise (w′)n = d(z)P(w) mit n ∈ {2, 3, 4, 6} verwendet.
Die Funktion d sei rational und habe für |z| >r0 > 0 eineLaurent-Entwicklung der Form
\begin{eqnarray}d(z)={A}_{0}{z}^{k}+{A}_{1}{z}^{k-1}+\cdots \end{eqnarray}
mit k ∈ ℤ und A0 = 0. Dann gilt für jede meromorphe Lösung w einer der Differentialgleichungen (E1)–(E4):(a) Für k > −n ist \(\varrho (w)=2+\frac{2k}{n}\)
(b) Für k = −n ist w transzendent und ϱ(w) = 0.
(c) Für k< −n ist w rational.
Schließlich ist noch folgendes Ergebnis über die Wertverteilung der meromorphen Lösungen von (E1)–(E4) von Interesse.
Es sei d eine rationale Funktion und w eine meromorphe Lösung einer der Differentialgleichungen (E1)–(E4). Dann gilt δ(w, α) = 0 für alle \(\alpha \in \hat{{\mathbb{C}}}\)und δ(w′, 0) = 0. Weiter steht in der Ungleichung (1) des 2. Hauptsatzes das Gleichheitszeichen.
Literatur
[1] Hayman, W.K.: Meromorphic Functions. Clarendon Press Oxford, 1975.
[2] Jank, G.; Volkmann, L.: Einführung in die Theorie der ganzen und meromorphen Funktionen mit Anwendungen auf Differentialgleichungen. Birkhäuser Verlag Basel, 1985.
[3] Laine, I.: Nevanlinna Theory and Complex Differential Equations. Walter de Gruyter Berlin, 1992.
[4] Nevanlinna, R.: Eindeutige analytische Funktionen. Springer-Verlag Berlin, 1953.
[5] Wittich, H.: Neuere Untersuchungen über eindeutige analytische Funktionen. Springer-Verlag Berlin, 1955.
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