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Lexikon der Mathematik: nichteuklidische Geometrie

im weiteren Sinne Oberbegriff für Geometrien, die von der euklidischen Geometrie verschieden sind, d. h. also sowohl für die Elliptische Geometrie als auch für die Hyperbolische Geometrie. Während es in der hyperbolischen Geometrie zu jeder Geraden durch jeden nicht auf ihr liegenden Punkt mindestens zwei parallele Geraden gibt, existieren in der elliptischen Geometrie überhaupt keine parallelen Geraden.

Häufig wird der Begriff „nichteuklidische Geometrie“ jedoch (in engerem Sinne) für die auch als Lobatschewski-Geometrie oder hyperbolische Geometrie bezeichnete Theorie verwendet, die auf den Axiomen der absoluten Geometrie und der Verneinung des Parallelenaxioms des Euklid aufbaut. Diese ging aus den jahrhundertelangen Bemühungen vieler Mathematiker hervor, das Parallelenaxiom auf Grundlage der anderen Axiome der Geometrie zu beweisen (Parallelenproblem). In den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts gelangten die drei Mathematiker Janos Bolyai, Carl Friedrich Gauß und Nikolai Iwanowitsch Lobatschewski weitgehend unabhängig voneinander zu der Erkenntnis, daß eine Geometrie existiert, in der die Axiome der absoluten Geometrie und die Verneinung des euklidischen Parallelenaxioms gelten, in der also durch gegebene Punkte zu gegebenen Geraden nicht in allen Fällen eindeutig bestimmte Parallelen existieren, es somit Punkte gibt, durch die zu bestimmten gegebenen Geraden zwei oder mehr verschiedene Parallelen verlaufen. Diese – der Anschauung nur schwer zugängliche – Erkenntnis zog gewaltige philosophische Konsequenzen nach sich, die Gauß davon abhielten, seine diesbezüglichen Erkenntnisse zu Lebzeiten zu veröffentlichen. Er schrieb 1830 in einem Brief an Bessel:

Wir müssen in Demuth zugeben, dass, wenn die Zahl bloss unseres Geistes Product ist, der Raum auch ausser unserem Geiste eine Realität hat, der wir a priori ihre Gesetze nicht vollständig vorschreiben können.…Inzwischen werde ich wohl noch lange nicht dazu kommen, meine sehr ausgedehnten Untersuchungen darüber zur öffentlichen Bekanntmachung auszuarbeiten und vielleicht wird diess auch bei meinen Lebzeiten nie geschehen, da ich das Geschrei der Böotier scheue, wenn ich meine Ansicht ganz aussprechen wollte.

Als erster veröffentlichte 1829 Lobatschewski seine Arbeiten zur nichteuklidischen Geometrie, woraus sich der bereits erwähnte Name „Lobatschewski-Geometrie“ erklärt. Allerdings war das Echo auf seine Arbeiten zunächst gering. Der erste führende Mathematiker, der die Bedeutung der neuen Geometrie erkannte, war Bernhard Riemann. Dieser beschäftigte sich auch mit der sphärischen Geometrie unter völlig neuem Aspekt und entwickelte diese zu einer eigenständigen nichteuklidischen Geometrie (Elliptische Geometrie bzw. Riemann-Geometrie). Vor allem aber schuf er mit seiner allgemeinen Theorie der Mannigfaltigkeiten (1854) ein theoretisches Gebäude, das zu einer Systematisierung der bereits bestehenden Geometrien führte und weitere geometrische Systeme hervorbrachte.

Ausgangspunkt dafür ist der bereits von Gauß eingeführte Begriff der inneren Geometrie einer Fläche. Riemann untersuchte die Geometrien auf Flächen konstanter Krümmung, die sich in drei Kategorien einordnen lassen:

  1. Riemannsche bzw. elliptische Geometrie als Geometrie auf einer Fläche konstanter positiver Krümmung,
  2. Euklidische Geometrie als Geometrie auf einer Fläche der Krümmung Null,
  3. Lobatschewskische bzw. hyperbolische Geometrie als Geometrie auf einer Fläche konstanter negativer Krümmung.
Siehe auch Elliptische Geometrie, Euklidische Geometrie, Hyperbolische Geometrie.
  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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