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Lexikon der Mathematik: Parallelübertragung

die Verschiebung von Vektoren und Tensoren längs glatter oder stückweise glatter Kurven in Mannigfaltigkeiten M, die mit einem linearen Zusammenhang ∇ versehen sind.

Ist γ(t) eine auf dem Intervall [0, 1] ⊂ ℝ definierte glatte Kurve und \({\mathfrak{t}}(t)\) ein glattes Feld von Vektoren längs γ, d. h., für jedes t ∈ [0, 1] ist \({\mathfrak{t}}(t)\) ein Element des Tangentialraumes Tγ(t)(M), so wird \({\mathfrak{t}}\) längs γ parallel übertragen, wenn für die kovariante Ableitung von \({\mathfrak{t}}\) in bezug auf den Tangentialvektor γ′(t) der Kurve die Gleichung \({\nabla }_{\gamma \prime(t)}\,{\mathfrak{t}}(t)=0\) erfüllt ist.

Sind (x1(t), …, x1(t)) und (t1(t), …, t1(t)) die Darstellungen von γ(t) bzw \({\mathfrak{t}}(t)\) in einem lokalen Koordinatensystem, so ist diese Bedingung äquivalent zu \begin{eqnarray}\begin{array}{cc}\displaystyle\frac{d{t}_{k}}{dt}=\displaystyle \sum _{i=1}^{n}\displaystyle \sum _{j=1}^{n}{{\rm{\Gamma }}}_{ij}^{k}({x}_{1}(t),\ldots,{x}_{n}(t)){t}_{i}\frac{d{x}_{j}(t)}{dt}.\end{array}\end{eqnarray}

Diese gewöhnliche lineare Differentialgleichung hat zu gegebenen Anfangswerten \(({t}_{1}(0),\ldots,{t}_{1}(0))={{\mathfrak{t}}}_{\text{0}}\) genau eine Lösung (t1(t), …, t1 (t)), deren Wert \({{\mathfrak{t}}}_{\text{1}}=({t}_{1}(1),\ldots,{t}_{1}(1))\) ein Tangentialvektor der Mannigfaltigkeit M im Endpunkt γ(1) ist. Auf diese Weise erhält man eine bijektive lineare Abbildung \begin{eqnarray}{\pi }_{\gamma }:{{\mathfrak{t}}}_{0}\in {T}_{\gamma (0)}(M)\to {{\mathfrak{t}}}_{1}\in {T}_{\gamma (1)}(M),\end{eqnarray} die Parallelübertragung längs γ.

Die inverse Abbildung von πγ ist die Parallelübertragung \({\pi }_{\tilde{\gamma }}\) längs der in entgegengesetzter Richtung durchlaufenen Kurve \(\tilde{\gamma }(t)=\gamma (1-t)\), t ∈ [0,1].

Parallelübertragung ist als Zuordnung der Gestalt Kurvelineare Abbildung mit dem Zusammensetzen von Kurven verträglich. Ist γ1(t) eine zweite, auf [0,1] definierte Kurve mit γ1(0) = γ(1) und \({\gamma }_{1}^{^{\prime} }(0)=\gamma ^{\prime} (1)\), so ist durch \begin{eqnarray}{\gamma }_{1}\circ \gamma (t)=\left\{\begin{array}{ll}\gamma (2\,t) & \text{f}\mathrm{\ddot{u}}\text{r}\,0\le t\le 1/2\\ {\gamma }_{1}(2\,t-1) & \text{f}\mathrm{\ddot{u}}\text{r}\,1/2\le t\le 1\end{array}\right.\end{eqnarray} eine neue Kurve definiert. Unter der Voraussetzung, daß γ1γ wieder differenzierbar ist, stimmt die Verknüpfung der Parallelübertragungen längs γ und γ1 mit der Parallelübertragung längs γ1γ überein, d. h., es gilt \({\pi }_{{\gamma }_{1}{\circ \gamma }}={\pi }_{{\gamma }_{1}}\circ {\pi }_{\gamma }\).

Die Operation der Parallelübertragung wird auf Tensorfelder beliebiger Stufe ausgedehnt, die längs einer Kurve definiert sind. Sie wird auch für Hauptzusammenhänge in beliebigen Hauptfaserbündeln definiert. Hauptfaserbündel über einer n-dimensionalen Mannigfaltigkeit M sind Faserbündel Π : PM, deren Fasern Π−1 (x) ⊂ P die Orbits einer freien Wirkung einer Gruppe G, der Strukturgruppe von P, sind. Hauptzusammenhänge auf P sind G-invariante Felder von n-dimensionalen horizontalen Unterräumen \begin{eqnarray}z\in P\to {T}_{h,z}(P)\subset {T}_{z}(P).\end{eqnarray}

Die Eigenschaft ’horizontal’ bedeutet, daß das Differential \begin{eqnarray}{d}_{z}{\rm{\Pi }}:{T}_{z}(P)\to {T}_{{\rm{\Pi }}(z)}(M)\end{eqnarray} den horizontalen Raum Th,z(P) bijektiv auf den Tangentialraum TΠ(z)(M) abbildet.

Ist γ(t) eine auf [0, 1] definierte Kurve in M und z0 ∈ Π−1(γ (0)) ein festes Element der Faser über dem Anfangspunkt x0 = γ(0), so gibt es genau eine differenzierbare Kurve \(\tilde{\gamma }:[0,1]\to P\) mit \(\tilde{\gamma }({x}_{0})={z}_{0}\) derart, daß \begin{eqnarray}{\rm{\Pi }}\tilde{\gamma }(t)\frac{d\tilde{\gamma }(t)}{dt}\in {T}_{h,z}(P)\end{eqnarray} für alle t ∈ [0, 1] gilt. Die Kurve \(\tilde{\gamma }(t)\) heißt Lift oder Hebung von γ(t). Der Endpunkt \({z}_{1}=\tilde{\gamma }(1)\) ist als Element der Faser Π−1(γ(1)) durch den Zusammenhang, den Anfangspunkt z0 und die Kurve γ(t) eindeutig definiert.

Die Zuordnung πγ : z0z1 ist eine bijektive Abbildung der Faser Π−1 (γ(0)) auf die Faser Π−1(γ(1)). Sie heißt ebenfalls Parallelübertragung und besitzt ähnliche Eigenschaften wie die anfangs geschilderte Parallelübertragung von Vektoren.

  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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