Lexikon der Mathematik: Riemann-Roch, Satz von
Riemann-Roch-Theorem, ein zentraler Satz der algebraischen Geometrie und verwandter Gebiete, der eine Aussage über die Dimensionen gewisser Räume meromorpher Funktionen und meromorpher Formen einer kompakten Riemannschen Fläche macht.
Von Riemann stammt die Ungleichung, daß es zu einem Divisor
In heutiger Terminologie besagt obiges:
Analoga von Riemanns Ungleichung für algebraische Flächen wurden Ende des 19. Jahrhunderts durch M. Noether erzielt, ebenso die Gleichung
Für den weiteren Fortschritt war die Einführung der Garbentheorie (Kodaira, Spencer für komplexe Mannigfaltigkeiten, Serre für algebraische Varietäten) und die Entwicklung der Theorie charakteristischer Klassen von Vektorbündeln in der Topologie (Whitney, Stiefel, Pontrjagin, Chern) von Bedeutung. Dies gipfelte dann in der Riemann-Roch-Hirzebruch-Formel.
Ein neuer Gesichtspunkt zum Riemann-RochProblem geht auf Grothendieck zurück und hat weitreichende Konsequenzen in der Entwicklung verschiedener Gebiete der Mathematik gehabt (K- Theorie, lokale Indexsätze):
Die Funktion \( {\mathcal F} \chi {\mathcal{X}}(X, {\mathcal F} )\)(X eine komplette algebraische Varietät oder ein kompakter komplexer Raum) ist eine additive Funktion, d. h., für exakte Folgen \(0\to { {\mathcal F} }{^{\prime}}\to {\mathcal F} \to { {\mathcal F} }{^{\prime\prime}}\to 0\)
Es gibt eine universelle additive Funktion mit Werten in einer abelschen Gruppe K0(X)(Grothendieck-Gruppe). Dies ist die Restklassengruppe der freien abelschen Gruppe F(X), die von allen kohärenten Garben auf X erzeugt wird, modulo der Untergruppe R(X), die von allen Elementen \( {\mathcal F} -{ {\mathcal F} }{^{\prime}}-{ {\mathcal F} }{^{\prime\prime}}\in F(x)\) erzeugt wird, für die eine exakte Folge \(0\to { {\mathcal F} }{^{\prime} }\to {\mathcal F} \to { {\mathcal F} }{^{\prime\prime} }\to 0\) existiert. Ist \([ {\mathcal F} ]\) die Klasse von \( {\mathcal F} \) mod R(X), so ist \( {\mathcal F} \mapsto [ {\mathcal F} ]\) universelle additive Funktion im folgenden Sinne: Für jede abelsche Gruppe A und jede additive Funktion α der Kategorie der kohärenten Garben auf Xmit Werten in A gibt es genau eine Fortsetzung zu einem Gruppenhomomorphismus \(\alpha :{K}_{0}(X)\to A\text{}\text{}\,\text{mit}\,\alpha ([ {\mathcal F} ])=\alpha ( {\mathcal F} ).\)
Beschränkt man sich in der Definition der Grothendieck-Gruppe auf lokal freie kohärente Garben \( {\mathcal F} \), so erhält man analog eine abelsche Gruppe K0(X), die durch das Tensorprodukt sogar zu einem kommutativen Ring mit Eins-Element wird. Es gibt einen kanonischen Homomorphismus K0(X)→ K0(X), der für glatte algebraische Varietäten ein Isomorphismus ist. (Zu jeder kohärenten Garbe gibt es eine exakte Folge
Die Zuordnung X ↦ K0(X) ist ein kontravarianter Funktor durch
Die Theorie der Chern-Klassen, genauer der Chern-Charakter, liefert einen Ringhomomorphismus ch :\({K}^{0}(X)\to A* (X)\otimes {\mathbb{Q}}\) (Schnitt-Theorie), und für glatte Varietäten ist \(X\mapsto A* (X)\) ebenfalls sowohl kontravariant als auch kovariant (für eigentliche Morphismen). Während für die Kontravarianz gilt: ch\((\varphi * (\xi ))=\varphi * ch(\xi )\,\text{f}\ddot{\mathrm u}{\text r}\,\xi \in {K}^{0}(Y)\)(als eine der Grundeigenschaften Chernscher Klassen), drückt die Grothendieck-Riemann-Roch-Formel die Kovarianzeigenschaft von ch aus: Für Morphismen glatter projektiver algebraischer Varietäten \(\varphi :X\to Y\) gilt in \(A* (Y)\otimes {\mathbb{Q}}\) die Formel
wobei Td die Todd-Klasse bezeichnet.
Wenn Y ein Punkt ist, so erhält man als Spezialfall die Riemann-Roch-Hirzebruch-Formel.
Ein Vorteil dieses Gesichtspunktes ergibt sich für die Beweisstrategie, die auch in späteren Verallgemeinerungen und analogen Situationen häufig angewandt wird: Für den Beweis von (1) genügt der Beweis folgender Spezialfälle:
- φ : X → Y ist eine abgeschlossene Einbettung.
- X = Y × Z, und φ ist die Projektion auf den Faktor Y.
Für abgeschlossene Einbettungen i : X ⊂ Y läßt sich eine genauere Formel angeben, die die ChernKlassen von \({i}_{* }( {\mathcal F} )\) in A*(Y) (und nicht nur in \(\text{A*}(Y)\otimes {\mathbb{Q}})\) ausdrückt als
Wenn \( {\mathcal F} \) Kodimension von X in Y bezeichnet, so ist P folgendes Polynom in den Unbestimmten s1,…,sn, t1,…,tr über \({\mathbb{N}}\).
Für 0 ≤ g ≤ n ist
Ein Beispiel: Für n = 2, r = 1 ist
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