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Lexikon der Mathematik: Ruintheorie

Konzept aus der Versicherungsmathematik, welches sich mit der Frage nach der Wahrscheinlichkeit und ggf. dem Umfang eines Ruins in Abhängigkeit von einer Ausgangsreserve beschäftigt. Dabei wird als Ruin der vollständige Verlust der Reserven entweder bei endlichem oder unendlichem Zeithorizont verstanden.

Das grundlegende Modell für die Ruintheorie geht auf Filip Lundberg (1903) zurück. Diesem liegt ein stochastischer Prozeß S(t) zugrunde, der den aggregierten GesamtschadenS(t) einer Versicherung beschreibt. Die Ruintheorie untersucht den zugehörigen Risikoprozeß \begin{eqnarray}U(t)={U}_{0}+\beta t-S(t)\end{eqnarray} mit der Anfangsreserve U0 und einer konstanten Prämie β.

Für endliche Zeiten T bezeichnet \begin{eqnarray}\tau =\text {inf}\{t|U(t)\lt 0\}\end{eqnarray} die Ruinzeit, und die Ruinwahrscheinlichkeit ist definiert durch \begin{eqnarray}\psi ({U}_{0}, T)=P[\tau < T];\end{eqnarray} bei unendlichem Zeithorizont ist \begin{eqnarray}{\psi }_{\infty }({U}_{0})=P[\exists t\gt 0:U(t)\lt 0].\end{eqnarray}ψ(0, T) kann unter bestimmten Voraussetzungen aus der momenterzeugenden Funktion für die Verteilung von S(t) abgeleitet werden, daraus ergibt sich die Ruinwahrscheinlichkeit ψ(U0, T) implizit über eine Integralgleichung (Seals Formel).

Für ψ(U0) erlaubt die Asymptotik weitergehende analytische Aussagen. Das klassische Ergebnis ist die Formel von Cramer-Lundberg: Man modelliert die Schadenfall-Anzahl durch einen homogenen Poisson-Prozeß mit \begin{eqnarray}P[N(t)=k]={e}^{-\lambda t}\frac{{(\lambda t)}^{k}}{k!},\end{eqnarray} setzt μ für den Erwartungswert und \begin{eqnarray}\hat{q}(r)=\mathop{\mathop{\int }\limits^{\infty }}\limits_{0}{e}^{rx}q(x)dx\end{eqnarray} für die momenterzeugende Funktion der Verteilung der Schadenhöhen Yi.

Für β >λμ existiert dann eine eindeutige positive Lösung r der Gleichung \(\hat{q}(r)=\beta /\lambda \), der Anpassungskoeffizient (Lundberg-Exponent), und es gilt:

Die Ruinwahrscheinlichkeit \begin{eqnarray}{\psi }_{\beta }({U}_{0})=P[\exists t\gt 0:U(t)\lt 0]\end{eqnarray} ist beschränkt durch \begin{eqnarray}{\psi }_{\beta }({U}_{0})\le {e}^{-rU0}\lt 1.\end{eqnarray} Im Fällen, in denen die Schadenhöhe Yi durch eine Großschadenverteilungen gegeben ist, versagt der Zugang über den Anpassungskoeffizienten, da das Integral zur Bestimmung von \(\hat{q}(r)\) divergiert. Die analytische Behandlung bei Verteilungen mit Großschäden ist eine aktuelles Forschungsgebiet der Ruintheorie, wobei für die Praxis auf Näherungsverfahren zurückgegriffen werden kann.

[1] Asmussen, S.: Ruin Probabilities. World Scientific Singapore, 1997.
[2] Embrechts, P.; Klüppelberg, C.; Mikosch, T.: Modelling Extremal Events. Springer-Verlag Heidelberg/Berlin, 1997.
[3] Gerber, H.U.: An Introduction to Mathematical Risk Theory. Philadelphia, 1979.

  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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