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Lexikon der Mathematik: Shimura-Varietäten

algebraische Varietäten, die über gewissen algebraischen Zahlkörpern definiert sind und vom analytischen Gesichtspunkt aus Komponenten der Form Xan = Γ \D bestehen.

Hierbei ist D ein beschränktes symmetrisches Gebiet in ℂn (d.h., zu jedem pD gibt es eine holomorphe Involution s : DD mit p als isoliertem Fixpunkt. Solche Gebiete sind von der Form G(ℕ)0/K, wobei G eine reduktive algebraische Gruppe, definiert über ℚ, ist, G(ℕ)0 die Zusammenhangskomponente der 1 und K eine maximale kompakte Untergruppe bezeichnet, und G(ℕ)0 durch holomorphe Diffeomorphismen auf D wirkt). Γ ist eine arithmetische Untergruppe von G(ℚ). Nach Baily und Borel hat Γ \D eine natürliche Struktur als quasiprojektive algebraische Varietät.

Eine Shimura-Varietät ist durch folgende Daten gegeben:

  1. Eine reduktive zusammenhängende algebraische Gruppe G, die über ℚ definiert ist.
  2. Einen über ℝ definierten Homomorphismus algebraischer Gruppen h : SG, wobei S die Gruppe aller \(K\subset G({{\mathbb{A}}}_{f})\).

Hierbei ist \({{\mathbb{A}}}_{f}\) die (lokal kompakte) ℚ-Algebra der endlichen Adélé von ℚ, d.h., \begin{eqnarray}{{\mathbb{A}}}_{f}=\left(^{}\prod _{{p}\,\text{Primzahl}}{{\mathbb{Z}}}_{p}\right)\otimes {\mathbb{Q}}.\end{eqnarray} (ℤp die ganzen p-adischen Zahlen).

Dabei sollen folgende Bedingungen erfüllt sein:

  • Die Einschränkung von h auf \({{\mathbb{G}}}_{m}\subset S\) (die Diagonalmatrizen) ist zentral in G.
  • Die auf der Lie-Algebra g von G induzierte Hodge-Struktur (durch Ad ∘ h, Ad :GGl(gℝ) die adjungierte Darstellung) ist vom Typ (−1, 1), (0, 0) (1, −1).
  • Die Konjugation mit h(i) induziert eine Cartan-Involution auf der adjungierten Gruppe (G/C) (C = Zentrum von G). (Eine Cartan-Involution einer über ℝ definierten linearen algebraischen Gruppe ist ein Automorphismus σ : GG, definiert über ℝ, mit σ2 = id, so daß die Gruppe der Fixpunkte von \(g\in G({\mathbb{C}})\mapsto \sigma (\overline{g})\in G({\mathbb{C}})\) kompakt ist.)

    G(ℝ) wirkt durch Konjugation auf h, und ist K die Isotropiegruppe von h, so ist die Konjugationsklasse X von h der homogene Raum G(ℝ)/K. Die Bedingung (i) zieht nach sich, daß X eine natürliche komplexe Struktur besitzt. (Durch die Hodge-Filtration, die durch die Konjugierten von h auf einer treuen rationalen Darstellung V von G über ℝ induziert wird, erhält man eine Einbettung von X in eine Fahnenmannigfaltigkeit \({\mathbb{F}}(V\otimes {\mathbb{C}})\), siehe Hodge-Struktur).

  • Bedingung (ii) hängt mit Varietäten von Hodge- Strukturen zusammen und garantiert, daß für jede rationale Darstellung V die induzierten Hodge-Strukturen eine Variation von Hodge-Strukturen bilden.

    Bedingung (iii) zieht nach sich, daß die Komponenten von X symmetrische Räume von nichtkompaktem Typ sind, also nach deren Klassifikation beschränkte symmetrische Gebiete in ℂn.

    Die zugehörige Shimura-Varietät ist SK(G, h) mit \begin{eqnarray}{S}_{K}{(G,h)}^{an}=G({\mathbb{Q}})\backslash (X\times G({{\mathbb{A}}}_{f})/K),\end{eqnarray} sie besteht aus endlich vielen Komponenten der Form Γ \ D (Γ ⊂ G(ℚ) Untergruppe).

    Ein Beispiel: Es sei G = GL(2) und h die Einbettung \(K=GL(2)(\hat{{\mathbb{Z}}})\subset GL(2)({{\mathbb{A}}}_{f})\) mit \begin{eqnarray}\hat{{\mathbb{Z}}}{=}\prod _{{p}\,\text{Primzahl}}{{\mathbb{Z}}}_{p}\subseteq {{\mathbb{A}}}_{f}.\end{eqnarray} Dann ist \(X= \unicode {x0210C}\coprod ^{}\unicode {x0210C}^{-}\) (die obere und untere Halbebene in ℂ) und \begin{eqnarray}{S}_{k}(G,h) & \cong & S{l}_{2}({\mathbb{Z}})\backslash \unicode {x0210C}\coprod ^{}S{l}_{2}({\mathbb{Z}})\backslash {\unicode {x0210C}}^{-}\\ & = & {{\mathbb{A}}}^{1}\coprod ^{}{{\mathbb{A}}}^{1}.\end{eqnarray} Wie in diesem Beispiel gibt es in vielen Fällen einen Zusammenhang mit Modulproblemen, sodaß die Varietäten als Modulräume auftreten; in diesen Fällen ist die Frage nach dem Definitionskörper geklärt. Im allgemeinen wird vermutet, daß ein Modell von SK(G, h) über einem bestimmten algebraischen Zahlkörper E = E(G, h) existiert (d.h., daß SK(G, h) durch ein Schema über diesen Körper definiert ist). Hierbei ist E(G, h) der Definitionskörper für die Konjugationsklasse der einparametrigen Untergruppe \({\lambda}_{h}:{{\mathbb{G}}}_{m{\mathbb{C}}}\to {G}_{{\mathbb{C}}}\), die durch h und die Einbettung \({{\mathbb{G}}}_{m{\mathbb{C}}}\to {G}_{{\mathbb{C}}}\), \begin{eqnarray}z\mapsto \displaystyle\frac{1}{2}\left(\begin{array}{cr}1+z & -(i-iz)\\ i-iz & 1+z\end{array}\right),\end{eqnarray} gegeben ist. In einer abgeschwächten Form gilt dies (Deligne), und das Schema besitzt „viele“ spezielle Punkte über E.

    Weiterhin gibt es allgemeine Vermutungen über die Zetafunktion dieser Varietäten und ihren Zusammenhang mit L-Funktionen von automorphen Formen auf G, die in Fällen, wo sich Shimura-Varietäten als Modulräume interpretieren lassen, bekannt sind.

    • Die Autoren
    - Prof. Dr. Guido Walz

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