Lexikon der Mathematik: Thabit (Tabit) Ibn Qurra, Abu’l-Hasan
Universalgelehrter, geb. um 834/35 Harran (Türkei), gest. 18.2.901 Bagdad.
Über den Lebensweg des Thabit ist wenig bekannt. Er stammte wahrscheinlich aus einer vornehmen Familie in Harran. In seiner Jugend war er Geldwechsler. Wohl der Schwierigkeiten wegen, die er mit der Harran beherrschenden Sekte der Sabier hatte, zog er nach Kafartutha. Dort traf er einen der berühmten Musa-Brüder, der ihn mit nach Bagdad nahm. Bei den Banu Musa studierte er Mathematik, Astronomie und Medizin. Thabit war wissenschaftlich und politisch als Freund des Kalifen außerordentlich einflußreich. Seinen Lebensunterhalt bestritt er durch seine Übersetzertätigkeit und durch sein Wirken als Arzt und Astronom.
Thabit Ibn Qurra verfaßte Schriften über Mathematik, Astronomie, Geographie, Musik, Medizin, Veterinärmedizin, Geschichte, Philosophie, Theologie und Grammatik. Die mathematischen und astronomischen Arbeiten dominierten in seinem Gesamtwerk. Er griff die Prinzipien der Inhaltsbestimmungen des Archimedes auf, leitete das Bildungsgesetz für befreundete Zahlen her, diskutierte das Parallelenpostulat des Euklid und versuchte in zwei Werken es zu beweisen, dabei Ideen von G. Saccheri vorgreifend. Er erweiterte den Zahlbegriff der Antike auf reelle Zahlen und arbeitete über den Sinussatz der sphärischen Trigonometrie. Er summierte Reihen, so z. B. die ungeraden Quadratzahlen, und entwickelte daraus selbständig eine Art „Integrationskalkül“, der ihm die Bestimmung von \(\displaystyle \int {x}^{n}\ dx\) (n positiv rational), die Bestimmung spezieller Grenzwerte, und die Gewinnung von Formeln für die Volumina von Rotationsparaboloiden ermöglichte.
Thabit gab einen (neuen) Beweis des „Satzes des Pythagoras“. Er übersetzte Werke des Ptolemaios ins Arabische und versuchte, dessen Weltsystem zu reformieren. Auch Schriften von Euklid, Archimedes und Galen übertrug er ins Arabische. Von Aristoteles ausgehend begründete er Elemente der Statik (statisches Moment, virtuelle Verschiebungen). Thabits philosophische Schriften sind von mathematischem Interesse geprägt, besonders durch Spekulationen über das Unendliche und die Idee der Kardinalzahl der Menge der natürlichen Zahlen („vollständige Zahl“).
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