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Lexikon der Mathematik: Transformation einer Potenzreihe

Entwicklung einer Potenzreihe \begin{eqnarray}\displaystyle \sum _{n=0}^{\infty}{a}_{n}{(x-{x}_{0})}^{n}\end{eqnarray} um einen neuen Mittelpunkt x1\begin{eqnarray}\displaystyle \sum _{n=0}^{\infty}{b}_{n}{(x-{x}_{1})}^{n}\end{eqnarray} für einen geeigneten Punkt x1. Dies ist – in ℝ und in ℂ – stets möglich für x1 aus dem Inneren des Konvergenzbereiches der gegebenen Potenzreihe. Ist 0 < R ≤ ∞ deren Konvergenzradius, so ist der Konvergenzradius der transformierten Potenzreihe mindestens R − |x0x1| (> 0). Die neuen Koeffizienten bn ergeben sich – etwa über den grosen Umordnungssatz – als absolut konvergente Reihen \begin{eqnarray}{b}_{n}=\displaystyle \sum _{v=n}^{\infty}{a}_{n}\left(\begin{array}{c}v\\ n\end{array}\right){({x}_{1}-{x}_{0})}^{v-n}.\end{eqnarray}

Wegen \(\left(\begin{array}{c}v\\ n\end{array}\right) = 0\) für v< n kann hier auch ab v = 0 summiert werden. Die Transformation einer Potenzreihe gibt ein Mittel an die Hand, den ursprunglichen Definitionsbereich einer durch eine Potenzreihe definierten Funktion \begin{eqnarray}f(x)=\displaystyle \sum _{n=0}^{\infty}{a}_{n}{(x-{x}_{0})}^{n}\end{eqnarray} eventuell zu erweitern (analytische Fortsetzung). Im folgenden Beispiel für \begin{eqnarray}f(x):=\frac{1}{1-x}\ \ \ (x\in {\mathbb{R}}\backslash \{1\})\end{eqnarray} sei der Einfachheit halber der reelle Fall mit x0 = 0 betrachtet: \begin{eqnarray}\frac{1}{1-x}=\displaystyle \sum _{n=0}^{\infty}{x}^{n}\ \ \ (|x|\lt 1=R)\end{eqnarray}

Für x1 ≔ 1/2 berechnet man \begin{eqnarray}\frac{1}{1-x}=\frac{2}{1-2(x-\frac{1}{2})}=2\displaystyle \sum _{n=0}^{\infty}{2}^{n}{\left(x-\frac{1}{2}\right)}^{n}\end{eqnarray} und erhält eine Potenzreihe (geometrische Reihe), die genau in 0 < x< 1 konvergent ist. Dieser Konvergenzbereich ist also Teilmenge des ursprünglichen. Wählt man hingegen x1 ≔ −1/2, so ergibt sich wegen \begin{eqnarray}\frac{1}{1-x}=\frac{2/3}{1-\frac{2}{3}(x+\frac{1}{2})}=\frac{2}{3}\displaystyle \sum _{n=0}^{\infty}{\left(\frac{2}{3}\right)}^{n}{\left(x+\frac{1}{2}\right)}^{n}\end{eqnarray} eine Potenzreihe, die genau in \(|x+\frac{1}{2}|\lt \frac{3}{2}\) konvergiert. Durch die neue Potenzreihe wird also die gegebene Funktion auch außerhalb des ursprünglichen Intervalls (−1, 1), eben in (−2, 1), dargestellt. In diesem speziellen Beispiel ist das natürlich nicht verwunderlich, da man die Funktion f ja für x ≠ 1 schon kennt. Die Überlegungen sind aber von prinzipieller Bedeutung – insbesondere in der Funktionentheorie –, wenn Funktionen über Potenzreihen erklärt sind, deren analytische Fortsetzung man nicht sofort ‚sieht‘.

  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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