Lexikon der Mathematik: Trennungsaxiome
Trennungsaxiome beschreiben, wie gut sich in einer gegebenen Topologie Punkte bzw. disjunkte Mengen durch Umgebungen trennen lassen. So lassen sich z. B. in der trivialen Topologie Punkte x, y ∈ X nie trennen, da jede Umgebung von y (es gibt nur eine, nämlichX selbst) auch x enthält. Dagegen besitzt in X bezüglich der diskreten Topologie (topologischer Raum) jeder Punkt y eine Umgebung hat (nämlich sich selbst), welche die Umgebung {x} eines Punktes x ≠ y nicht schneidet. Die Qualität solcher “Trennungen” ist nun Gegenstand der Trennungsaxiome; im Laufe der Zeit hat sich herausgestellt, daß die folgenden Situationen am häufigsten auftreten:
T0: Für alle x, y ∈ X mit x ≠ y gibt es eine Umgebung U von x mit y ∉ U oder eine Umgebung V von y mit x ∉ V.
T1: Für alle x, y ∈ X mit x ≠ y gibt es eine Umgebung U von x mit y ∉ U und eine Umgebung V von y mit x ∉ V.
T2: Für alle x, y ∈ X mit x ≠ y gibt es Umgebungen U von x und V von y mit U ∩ V = ∅.
T2a: Für alle x, y ∈ X mit x ≠ y gibt es abgeschlossene Umgebungen U von x und V von y mit U ∩ V = ∅.
T3: Für alle abgeschlossenen A ⊆ X und für alle x ∈ X \ A gibt es offene Mengen \(U,V\in {\mathcal{O}}\) mit A ⊆ U, x ∈ V und U ∩ V = ∅.
T3a: Für alle abgeschlossenen Mengen A ⊆ X und für alle x ∈ X \ A gibt es eine stetige Abbildung f : X → [0, 1] mit f (x) = 0 und f (a) = 1 für alle a ∈ A.
T4: Für alle abgeschlossenen Mengen A, B ⊆ X mit A ∩ B = ∅ gibt es offene Mengen \(U,V\in {\mathcal{O}}\) mit A ⊆ U, B ⊆ V und U ∩ V = ∅.
T5: Für alle getrennten Mengen A, B ⊆ X (das sind solche mit A ∩ Cl(B) = Cl(A) ∩ B = ∅) existieren offene Mengen \(U,V\in {\mathcal{O}}\) mit A ⊆ U, B ⊆ V und U ⊆ V = ∅.
Einen topologischen Raum, der die Trennungseigenschaft Ti besitzt, nennt man einen Ti-Raum. In einem T2-Raum lassen sich also disjunkte Punkte, in einem T4-Raum disjunkte abgeschlossene Mengen durch offene Mengen trennen. Ein topologischer Raum \((X,{\mathcal{O}})\) ist genau dann T1-Raum, wenn seine Punkte abgeschlossen sind, und genau dann T5-Raum, wenn jeder Teilraum ein T4-Raum ist.
Ein Raum heißt auch Kolmogorow-, Fréchet- bzw. Hausdorff-Raum, wenn er ein T0-, T1 bzw. T2-Raum ist. Ein topologischer Raum heißt
- regulär, wenn er T3 und T1 ist,
- vollständig regulär, wenn er T3a und T1 ist,
- normal, wenn er T4 und T1 ist,
- vollständig normal, wenn er T5 und T1 ist.
Metrische Räume sind vollständig normal.
Man muß hier beachten, daß auch andere Konventionen als die obigen verwendet werden. So nennen manche Autoren (insbesondere im angloamerikanischen Sprachraum) einen topologischen Raum regulär, wenn er T3-Raum ist, während ein T3-Raum dann regulärer T0-Raum ist (und damit, wie man zeigen kann, sogar regulärer T2-Raum). Entsprechende Variationen sind für die Begriffe vollständig regulär (oder auch Tychonow-Raum), normal und vollständig normal gebräuchlich.
Die Indizes der Tj sind ein grobes Maß für die Güte der Trennung: so gelten die Implikationen normal ⇒ regulär ⇒ T2a ⇒ T2 ⇒ T1 ⇒ T0 und T3a ⇒ T3; in T1-Räumen schließlich gilt sogar T5 ⇒ T4 ⇒ T3 ⇒ T2. Für Beispiele, die zeigen, daß sich diese Implikationen i. allg. nicht umkehren lassen, sei auf [1] und [4] verwiesen.
Gegenstand der Untersuchungen sind auch Fragen wie die Vererbung der Trennungsaxiome auf Teilräume (gilt für Tj, j = 0, 1, 2, 3) oder Quotientenräume (gilt i. a. nur unter Zusatzvoraussetzungen).
Literatur
[1] Preuss, G.: Allgemeine Topologie. Springer-Verlag Berlin, 1975.
[2] von Querenburg, B.: Mengentheoretische Topologie. Springer-Verlag Berlin, 1979.
[3] Rinow, W.: Lehrbuch der Topologie. VEB, 1975.
[4] Steen, L.A.; Seebach, J.A. Jr: Counterexamples in topology. Dover New York, 1995.
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