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Lexikon der Mathematik: Ultraprodukt

kartesisches Produkt von algebraischen Strukturen gleicher Signatur, faktorisiert nach einem Ultrafilter.

Es sei I eine Indexmenge und {Mi : iI} ein Mengensystem. Das kartesische Produkt \(\displaystyle {\prod}_{i\in I}{M}_{i}\) ist die Menge aller Funktionen \(f:I\to {\bigcup}_{i\in I}{M}_{i}\) mit f(i) ∈ Mi. Bezeichnet Pot(I) die Potenzmenge von I (Menge aller Teilmengen von I) und \({\mathcal{F}}\) eine nichtleere Teilmenge von Pot(I), dann ist \({\mathcal{F}}\) ein Filter über I, falls die folgenden Bedingungen erfüllt sind:

(1) Wenn \(X,\ Y\in {\mathcal F} \), so \(X\cap Y\in {\mathcal F} \).

(2) Wenn \(X\in {\mathcal F} \) und XY ∈ Pot(I), so \(Y\in {\mathcal F} \). Das Filter heißt echt, wenn \(\varnothing \notin {\mathcal{F}}\); dies ist gleichbedeutend damit, daß \({\mathcal{F}}\) eine echte Teilmenge von Pot(I) ist.

Ist beispielsweise I die Menge ℕ der natürlichen Zahlen und \({\mathcal{N}}\subseteq \mathrm{Pot}({\mathbb{N}})\) so, daß \(X\in {\mathcal{N}}\iff {\mathbb{N}}\backslash \ X\) endlich ist, dann ist \({\mathcal{N}}\) ein echtes Filter über ℕ (Filter der koendlichen Mengen).

Gilt für ein Filter \({\mathcal{F}}\) zusätzlich die Bedingung:

(3) Für jede Teilmenge XI ist entweder \(X\in {\mathcal F} \) oder I\\(X\in {\mathcal F} \),

dann heißt \({\mathcal{F}}\) Ultrafilter über I.

Gewisse einfache Ultrafilter lassen sich sofort angeben. Ist z. B. a ∈ I und \begin{eqnarray}{\mathcal{F}}=\{X\subseteq I:\{a\}\subseteq X\},\end{eqnarray} dann ist \({\mathcal{F}}\) ein Ultrafilter, welches von der Einermenge {a} erzeugt und daher auch Haupt-Ultrafilter genannt wird. Mit Hilfe des Zornschen Lemmas (oder des Auswahlaxioms der Mengenlehre) läßt sich nachweisen, daß es über unendlichen Mengen I stets Ultrafilter gibt, die nicht Hauptfilter sind.

Es sei \(\{{{\mathcal{A}}}_{i}:i\in I\}\) eine Familie von algebraischen Strukturen gleicher Signatur, wobei Ai die Trägermenge von \({{\mathcal{A}}}_{i}\) ist. Es wird zunächst das kartesische Produkt \(A:=\displaystyle {\prod}_{i\in I}{A}_{i}\) der Mengen Ai gebildet. Ist \({\mathcal{F}}\) ein Filter über I, dann wird durch \begin{eqnarray}f\sim g\ \mathrm{mod}\ {\mathcal{F}}\iff \{i\in I:f(i)=g(i)\}\in {\mathcal{F}}\end{eqnarray} eine Äquivalenzrelation definiert. Die Menge der entsprechenden Äquivalenzklassen bezeichnen wir mit \begin{eqnarray}A/{\mathcal{F}}:=\displaystyle \prod _{i\in I}{A}_{i}/{\mathcal{F}}.\end{eqnarray}

In naheliegender Weise lassen sich (entsprechend der Signatur der Strukturen \({{\mathcal{A}}}_{i}\)) Relationen und Funktionen über \(A/ {\mathcal F} \) definieren, so daß \(A/ {\mathcal F} \) zu einer algebraischen Struktur \({\mathcal{A}}/ {\mathcal F} \) wird, die die gleiche Signatur besitzt wie die \({{\mathcal{A}}}_{i}\). Sind Ri sich entsprechende n-stellige Relationen in den Strukturen \({{\mathcal{A}}}_{i}\), dann wird eine n-stellige Relation R über \(A/ {\mathcal F} \) wie folgt definiert:

Für Elemente \({f}_{1}/ {\mathcal F},\ldots,{f}_{n}/ {\mathcal F} \in A/ {\mathcal F} \) gelte: begin{eqnarray}\begin{array}{l}R({f}_{1}/{\mathcal{F}},\ldots,{f}_{n}/{\mathcal{F}})\iff \\ \quad \quad \quad \ \{i\in I:{R}_{i}({f}_{1}(i),\ldots,{f}_{n}(i))\}\in {\mathcal{F}}.\end{array}\end{eqnarray}

Analog verfährt man mit n-stelligen Funktionen Fi über Ai: \begin{eqnarray}\begin{array}{l}F({f}_{1}/{\mathcal{F}},\ldots,{f}_{n}/{\mathcal{F}})=g/{\mathcal{F}}\iff \\ \quad \quad \quad \ \{i\in I:{F}_{i}({f}_{1}(i),\ldots,{f}_{n}(i))=g(i)\}\in {\mathcal{F}}.\end{array}\end{eqnarray}

Die so entstehende Struktur wird mit \({{\mathcal{A}}}^{*}={\mathcal{A}}/ {\mathcal F} \) bezeichnet und Filterprodukt oder reduziertes Produkt der Strukturen \({{\mathcal{A}}}_{i}\) bezüglich des Filters \({\mathcal{F}}\) genannt. Ist \({\mathcal{F}}\) ein Ultrafilter, dann heißt \({\mathcal{A}}/ {\mathcal F} \)Ultraprodukt; sind alle \({{\mathcal{A}}}_{i}\) untereinander gleich, etwa \({{\mathcal{A}}}_{i}= {\mathcal B} \), dann heißt \begin{eqnarray}{{\mathcal{A}}}^{*}=\displaystyle \prod _{i\in I}{\mathcal{B}}/{\mathcal{F}}\end{eqnarray} auch Ultrapotenz von \( {\mathcal B} \) über \({\mathcal{F}}\). Ist beispielsweise I = ℕ und \({{\mathcal{A}}}_{i}={\mathbb{Z}}\) (ℤ der geordnete Ring der ganzen Zahlen, also ℤ = (Z, +, ·, <)), und \({\mathcal{U}}\) ein Ultrafilter über ℕ, dann ist \(\displaystyle {\prod}_{i\in I}Z\) die Menge aller Folgen ganzer Zahlen, und \begin{eqnarray}({a}_{i})=({b}_{i})\ \mathrm{mod}\ {\mathcal{U}}\iff \{i\in {\mathbb{N}}:{a}_{i}={b}_{i}\}\in {\mathcal{U}}.\end{eqnarray}

Die Addition wird in \({{\mathbb{Z}}}^{*}=\displaystyle {\prod}_{i\in {\mathbb{N}}}{\mathbb{Z}}/{\mathcal{U}}\) wie folgt definiert: \begin{eqnarray}({a}_{i})/{\mathcal{U}}+({b}_{i})/{\mathcal{U}}=({c}_{i})/\ {\mathcal{U}}\iff \\ \{i\in {\mathbb{N}}:{a}_{i}+{b}_{i}={c}_{i}\}\in {\mathcal{U}},\end{eqnarray} die Definition der Multiplikation erfolgt analog. Schließlich ist \begin{eqnarray}({a}_{i})/{\mathcal{U}}\lt ({b}_{i})/{\mathcal{U}}\iff \{i\in I:{a}_{i}\lt {b}_{i}\}\in {\mathcal{U}}.\end{eqnarray}

Es läßt sich zeigen, daß ℤ* ein geordneter Ring ist, in dem die gleichen Aussagen der Arithmetik Erster Ordnung gelten wie in ℤ. ℤ* ist also ein Modell der Peanoarithmetik (Arithmetik Erster Ordnung) und ℤ und ℤ* sind nicht isomorph, falls \({\mathcal{U}}\) kein Hauptfilter ist. ℤ* heißt dann Nichtstandardmodell der Arithmetik.

  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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