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Lexikon der Mathematik: verallgemeinerte Funktion

Distribution, Konzept der Analysis, das die Differentiation von im klassischen Sinn nicht differenzierbaren Funktionen gestattet. Die Theorie der Distributionen wurde in den vierziger Jahren nach Vorarbeiten von Sobolew und anderen von L. Schwartz entwickelt.

Distributionen sind definitionsgemäß stetige lineare Funktionale auf gewissen Funktionenräumen. Es sei Ω ⊂ ℝn eine offene Menge, und \({\mathcal{D}}(\Omega)\) bezeichne den Raum aller beliebig häufig differenzierbaren Funktionen auf Ω mit kompaktem Träger (Testfunktionen), versehen mit der lokalkonvexen Topologie (Funktionenräume). Eine Distribution auf Ω ist ein Element des Dualraums \({{\mathcal{D}}}^{\prime}(\Omega)\), also eine stetige lineare Abbildung \(T:{\mathcal{D}}(\Omega)\to {\mathbb{C}}\). Die Stetigkeitsforderung an T kann wie folgt umschrieben werden: Es sei (ψn) eine Folge von Testfunktionen, so daß

  1. eine kompakte Teilmenge von Ω existiert, die den Träger jedes ψn enthält, und
  2. für jeden Multiindex α die Ableitungsfolge (Dαφn) gleichmäßig gegen 0 konvergiert; dann konvergiert auch (n) gegen 0.

Jede lokal integrierbare, insbesondere jede stetige Funktion f : Ω → ℂ gibt Anlaß zu einer regulären Distribution Tf gemäß \begin{eqnarray}{T}_{f}(\varphi)=\displaystyle \mathop{\int}\limits_{\Omega}f(x)\varphi (x)dx.\end{eqnarray} Ein Beispiel einer nichtregulären Distribution ist die δ-Distribution zu a ∈ Ω \begin{eqnarray}{\delta}_{a}(\varphi)=\varphi (a).\end{eqnarray} Würde man hier in Analogie zu (1) symbolisch Ωδa(x)φ(x)dx schreiben, so entspräche δa einer Funktion mit Integral 1, die außer bei a überall verschwindet (natürlich gibt es eine solche Funktion nicht); erst durch den Distributionenkalkül wird die Idee einer „Delta-Funktion“ auf ein mathematisch sicheres Fundament gestellt.

Sei α ein Multiindex. Die partielle Ableitung DαT einer Distribution \(T\in {{\mathcal{D}}}^{\prime}(\Omega)\) wird durch \begin{eqnarray}\left({{D}^{\alpha}}T \right)\left(\varphi \right)={{\left(-1 \right)}^{\left| \alpha \right|}}T\left({{D}^{\alpha}}\varphi \right),\,\,\,\varphi \in D\left(\Omega \right),\end{eqnarray} erklärt. Der Faktor (−1)|α| garantiert hier, daß der Ableitungsbegriff für Distributionen mit dem für Funktionen kompatibel ist; ist nämlich Tf die reguläre Distribution zu einer |α|-mal stetig differenzierbaren Funktion f, so gilt \begin{eqnarray}{D}^{\alpha}{T}_{f}={T}_{{D}^{\alpha}f\cdot}\end{eqnarray} Im Distributionensinn besitzen nun auch klassisch nicht differenzierbare Funktionen eine Ableitung, die aber i. allg. keine Funktion mehr ist, sondern eine Distribution. Zum Beispiel ist für die Heaviside-Funktion H(x) = 1 für x ≥ 0, H(x) = 0 für x< 0, \begin{eqnarray}T_H^{\prime}={\delta}_{0.}\end{eqnarray} Die Distributionentheorie ist zum unverzichtbaren Hilfsmittel beim Studium partieller Differentialgleichungen geworden. Sei etwa \begin{eqnarray}P(D)=\displaystyle \sum _{|\alpha |\le m}{\alpha}_{\alpha}{D}^{\alpha}\end{eqnarray} ein linearer partieller Differentialoperator mit konstanten Koeffizienten. Der fundamentale Satz von Ehrenpreis und Malgrange besagt, daß die Gleichung \begin{eqnarray}P(D)u={\delta}_{0}\end{eqnarray} stets eine Lösung in \({{\mathcal{D}}}^{\prime}(\Omega)\) besitzt, eine sogenannte Grundlösung für P(D). Daraus lassen sich Lösungen allgemeinerer Gleichungen P(D)u = f in \({{\mathcal{D}}}^{\prime}(\Omega)\) konstruieren. Ist P(D) ein elliptischer Operator, so folgt aus fC(Ω) für eine Lösung \(u\in {{\mathcal{D}}}^{\prime}(\Omega)\) von P(D)u = f automatisch uC(Ω); eine Distributionenlösung ist dann sogar eine klassische Lösung.

Außer der Ableitung lassen sich viele andere Operationen von Funktionen auf Distributionen übertragen. Für die Fourier-Transformation ist der Schwartz-Raum \({\mathcal{S}}({{\mathbb{R}}}^{n})\) der angemessene Testraum. Der Raum \({\mathcal{S}}({{\mathbb{R}}}^{n})\) besteht aus allen C-Funktionen φ, so daß für jedes k ≥ 0 und jede partielle Ableitung \(\mathop{\mathrm{lim}}\limits_{|x|\to \infty}{D}^{\alpha}\varphi (x)/|x{|}^{k}=0\) gilt. Die bezüglich der kanonischen lokalkonvexen Topologie von \({\mathcal{S}}({{\mathbb{R}}}^{n})\) stetigen Funktionale werden temperierte Distributionen genannt. Die Fourier-Transformierte \( {\mathcal F} T\) einer temperierten Distribution \(T\in {{\mathcal{S}}}^{\prime}({{\mathbb{R}}}^{n})\) ist durch \begin{eqnarray}\left(\mathcal{F}T \right)\left(\varphi \right)=T\left(\mathcal{F}\varphi \right),\,\,\,\varphi \in S\left({{\mathbb{R}}^{n}} \right),\end{eqnarray} erklärt. Da \( {\mathcal F} \) den Schwartz-Raum \({\mathcal{S}}({{\mathbb{R}}}^{n})\) bijektiv auf sich abbildet, trifft das auch für \({{\mathcal{S}}}^{\prime}({{\mathbb{R}}}^{n})\) zu. Zum Beispiel ist für eine Lp-Funktion f die reguläre Distribution Tf eine temperierte Distribution, und die Fourier-Transformierte \( {\mathcal F} f:= {\mathcal F} {T}_{f}\) von f ist als Element von \({{\mathcal{S}}}^{\prime}({{\mathbb{R}}}^{n})\) erklärt. In diesem Sinn ist die Fourier-Transformierte der konstanten L-Funktion 1 die Delta-Distribution δ0.

[1] Rudin, W.: Functional Analysis. McGraw-Hill, 1973.
[2] Schwartz, L.: Théorie des distributions. Herman, 1960.
[3] Trêves, F.: Topological Vector Spaces, Distributions and Kernels. Academic Press, 1967.

  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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