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Lexikon der Mathematik: verallgemeinerte Riemannsche Vermutung

Ausdruck, der für verschiedenartige Verallgemeinerungen der Riemannschen Vermutung benutzt wird.

Die Riemannsche ζ-Funktion ist durch die Reihe \begin{eqnarray}\xi (S)=\displaystyle \sum _{n=1}^{\infty}\frac{1}{{n}^{2}},\end{eqnarray} die für alle komplexen Zahlen s mit Realteil s > 1 konvergiert, definiert. Sie besitzt eine meromorphe Fortsetzung auf ℂ mit einem einzigen Pol an der Stelle s = 1. Man bezeichnet die Menge \begin{eqnarray}S=\{s\in {\mathbb{C}}\text{}\ :0\lt \text{Res}\le 1\end{eqnarray} als kritischen Streifen, und die durch \begin{eqnarray}g=\left\{s\in \mathbb{C}:\text{Re}\,s\le \frac{1}{2}\right\}\end{eqnarray} gegebene Mittelsenkrechte als kritische Gerade. Man sagt, eine zumindest auf S definierte Funktion f habe die Riemann-Eigenschaft, wenn alle in S befindlichen Nullstellen von f auf der kritischen Geraden g liegen.

Ein erste Verallgemeinerung der ζ-Funktion war von Dirichlet vorgeschlagen worden, nämlich die Dirichletsche L-Reihe\begin{eqnarray}L(s,\chi)=\displaystyle \sum _{n=1}^{\infty}\frac{\chi(n)}{{n}^{s}},\end{eqnarray} wobei χ ein Diriehlet-Gharakter oder Charakter modulo m ist. Ist χ = χ0 der Haupteharakter, so ist L(s, χ0) = ζ(s) die Riemannsehe ζ-Funktion, andernfalls konvergiert diese Summe auf {Re s > 0}. Damit kommt man zur ersten verallgemeinerten Riemannsehen Vermutung:

Für jeden Dirichlet-Charakter χ besitzt die Dirichletsche L-Funktion s ↦ L(s, χ) die Riemann-Eigenschaft.

Hätte man einen Beweis dieser Vermutung, so hätte dies Konsequenzen für die Gültigkeit einiger in der Kryptographie angewandter Primzahltests.

Dedekind verallgemeinerte die ζ-Funktion zur sog. Dedekindschen ζ-Funktion zu einem algebraischen Zahlkörper K, die durch die auf {Re s > 1} konvergente Reihe \begin{eqnarray}{\zeta}_{K}(s)=\displaystyle \sum _{a}^{\infty}\frac{1}{{\mathfrak{N}}(a)}\end{eqnarray} definiert ist, wobei über alle ganzen Ideale \({\mathfrak{a}}\ne 0\) summiert wird; setzt man K = ℚ, so erhält man wieder die Riemannsche ζ-Funktion ζ (s) = ζ (s).

Auch ζK läßt sich als meromorphe Funktion über den kritischen Streifen hinweg eindeutig fortsetzen, sodaß die zweite verallgemeinerte Riemannsche Vermutung Sinn macht:

Für jeden algebraischen Zahlkörper K besitzt die Dedekindsche ζ-Funktion sζK(s) die Riemann-Eigenschaft.

Diese Verallgemeinerung der Riemannschen Vermutung war eine wichtige Motivation zur Entwicklung der arithmetischen Geometrie.

Eine Variante dieser Vermutung für Funktionenkörper mit endlichem Konstantenkörper wurde 1974 von Deligne bewiesen.

  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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