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Lexikon der Mathematik: Vertauschung von Grenzwertbildung und Integration

die Aussage \begin{eqnarray}\mathop{\mathrm{lim}}\limits_{n\to \infty}\displaystyle \int {f}_{n}(x)dx=\displaystyle \int (\mathop{\mathrm{lim}}\limits_{n\to \infty}{f}_{n}(x))\,dx\end{eqnarray} unter geeigneten Voraussetzungen an eine Funktionenfolge (fn) bei gegebenem Integralbegriff.

Wir beschränken uns hier auf Folgen, die Übertragung auf Reihen ist offensichtlich. Die Minimalvoraussetzung ist, daß die einzelnen fn integrierbar sind und der Grenzwert \(f(x):={\mathrm{lim}}_{n\to \infty}{f}_{n}(x)\) für festes x (zumindest auf einer geeigneten Teilmenge) jeweils existiert.

Schon für reellwertige Funktionen auf einem kompakten Intervall ist (1) – etwa für das Riemann-Integral – nicht ohne Zusatzvoraussetzung richtig: Der punktweise gebildete Grenzwert einer Folge Riemann-integrierbarer Funktionen muß selbst nicht Riemann-integrierbar sein, und im Falle der Riemann-Integrierbarkeit der Grenzfunktion muß die Folge der Integrale der approximierenden Funktionen nicht gegen das Integral der Grenzfunktion streben. Integration und Grenzwertbildung sind also – bei nur punktweiser Konvergenz – nicht vertauschbar. Standardbeispiel für die erste Aussage ist: Auf [0, 1] die Funktion \(f:={\chi}_{{\mathbb{Q}}\cap [0,1]}\) also \begin{eqnarray}{f}_{n}(x):=\left\{\begin{array}{ll}1, & x\in {\mathbb{Q}}\cap [0,1],\\ 0, & \text{sonst,}\end{array}\right.\end{eqnarray} die sich mit einer Abzählung \(\{{x}_{\nu}:\nu \in {\mathbb{N}}\}\) von \({\mathbb{Q}}\cap [0,1]\) durch die durch \({f}_{n}(x):=\chi _{\{{x}_{1},\mathrm{\ldots},{x}_{2}\}}\) gegebenen Funktionen fn, also \begin{eqnarray}{f}_{n}(x):=\left\{\begin{array}{ll}1, & x\in \{{x}_{1},\mathrm{\ldots},{x}_{n}\},\\ 0, & \text{sonst,}\end{array}\right.\end{eqnarray} punktweise approximieren läßt. Die fn können dabei leicht noch stetig (um jedes \({x}_{\nu}\) ein hinreichend schmales ‚Dreieck‘) und sogar differenzierbar (glätten) gemacht werden.

Die zweite Aussage wird etwa durch f(x) := 0 auf [0,1] und fn, definiert durch \begin{eqnarray}{f}_{n}(x):=\left\{\begin{array}{ccl}{n}^{2}x &, & 0\le x\le \frac{1}{n}\\ 2n-{n}^{2}x &, & \frac{1}{n}\le x\le \frac{2}{n}\\ 0 &, & \text{sonst}\end{array}\right.\end{eqnarray} belegt. (Wählt man die ‚Spitze‘ des ‚Dreiecks‘ größer (in der Definition von fn jeweils n3 statt n2), so erhält man eine Folge (fn), bei der die Folge der Integrale (bestimmt) divergiert.) Ähnliche Beispiele findet man für das Integral von Regelfunktionen und das uneigentliche Riemann-Integral.

Derartige Pathologien treten bei gleichmäßiger Konvergenz nicht auf: Der gleichmäßige Grenzwert einer Folge Riemann-integrierbarer Funktionen ist Riemann-integrierbar, und die Folge der Integrale der approximierenden Funktionen konvergiert gegen das Integral der Grenzfunktion. Integration und Grenzwertbildung sind also bei gleichmäßiger Konvergenz vertauschbar. Diese Überlegung ist für viele Situationen jedoch nicht ausreichend, da eben keine gleichmäßige Konvergenz vorliegt.

Stärkere Aussagen, d. h. unter schwächeren Voraussetzungen, liefert für das Riemann-Integral der Konvergenzsatz von Arzelà-Osgood, der wiederum unmittelbar aus dem viel stärkeren Satz von Lebesgue über majorisierende Konvergenz folgt.

  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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