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Lexikon der Neurowissenschaft: adrenocorticotropes Hormon

adrenocorticotropes Hormons [von latein. ad = zu, renes = Nieren, latein. cortex = Rinde, griech. tropos = zugewandt], Corticotropin, Abk. ACTH, Ecorticotropin, glandotropes Hormon der Adenohypophyse (Hypophysenvorderlappen), ein Neuropeptid aus 39 Aminosäuren (Struktur siehe Zusatzinfo ), das erstmals 1961 von Hofmann synthetisiert wurde. Die Aminosäuren 1-24 sind in allen Tierarten gleich. Die Bildung erfolgt in den β-Zellen der Adenohypophyse, die Ausschüttung wird über das Corticoliberin (Abk. CRF, CRH) und das Vasopressin aus dem Hypothalamus gesteuert. Synthese und Sekretion sind eng mit der des melanocytenstimulierenden Hormons (MSH; Melanocortine) und des β-Endorphins (Endorphine) gekoppelt, insofern diese Hormone sich aus einem gemeinsamen Vorläufermolekül, dem Proopiomelanocortin (POMC) ableiten. MSH entspricht weitgehend der Sequenz 1-13 des ACTHs. Die Konzentration im Plasma unterliegt tagesperiodischen Schwankungen mit maximalen Werten (>25 pg/ml) morgens und minimalen Werten (<8 pg/ml) abends ( siehe Zusatzinfo ). Die Halbwertszeit im Plasma beträgt ca. 8 Minuten. Das adrenocorticotrope Hormon steuert die Synthese und Sekretion der Glucocorticoide in der Nebennierenrinde, insbesondere des Cortisols, und nimmt damit indirekt Einfluß auf den Proteinstoffwechsel. Außerdem übt es eine Reihe von Wirkungen auf nicht-endokrine Zielorgane (extraadrenale Wirkung) aus, z.B. mobilisiert es Lipasen im Fettgewebe. Überproduktion bewirkt in der Nebennierenrinde eine Hyperplasie sowie unter anderem eine Stimulierung der Hautpigmentierung (Addison-Krankheit; Cushing-Syndrom). Ausfall des Hormons führt zu einer Nebennierenrindenatrophie und Senkung des Glucocorticoidspiegels. Im Zentralnervensystem wirken ACTH- bzw. MSH-Peptide wohl als Peptidtransmitter und werden hauptsächlich in Nervenzellen des Nucleus arcuatus des Hypothalamus synthetisiert. Diese Neurone projizieren zu umliegenden hypothalamischen Kernen sowie zu Regionen des Hirnstamms, des septo-hippocampalen Systems und des frontalen Cortex. Von besonderer Bedeutung für die zentralnervösen Wirkungen des ACTHs scheint die Sequenz 4-10 des Moleküls zu sein (die es mit MSH teilt). ACTH/MSH sind zentral an der hypothalamischen Regulation des Fettgehalts des Körpers (als Lipostaten) beteiligt. Gabe von ACTH4-10 führt zu einer Reduktion des Körpergewichts und insbesondere des Fettanteils im Gewebe. ACTH4-10 führt außerdem beim Menschen, möglicherweise über frontocorticale Mechanismen vermittelt, zu einer verminderten Fokussierung von Aufmerksamkeitsprozessen und erhöht die dynamische Komplexität der Aktivität im Elektroencephalogramm. Bei Ratten verzögert ACTH4-10 die Extinktion konditionierter Vermeidungsreaktionen. Das adrenocorticotrope Hormon hat ferner therapeutische Bedeutung für die Hormonbehandlung rheumatischer und allergischer Leiden. Corticosteroide, Lipotropine, Streß.

adrenocorticotropes Hormon

Struktur des menschlichen ACTH

Ser-Tyr-Ser-Met-Glu-His-Phe-Arg-Try-Gly-
Lys-Pro-Val-Gly-Lys-Lys-Arg-Arg-Pro-
Val-Lys-Val-Tyr-Pro-Asp-Ala-Gly-Glu-Asp-
Glu-Ser-Ala-Glu-Ala-Phe-Pro-Leu-Glu-Phe

adrenocorticotropes Hormon

Es wurde nachgewiesen, daß der Zeitpunkt des Anstiegs des ACTH-Spiegels am Morgen durch eine entsprechende Erwartungshaltung der Versuchsperson beeinflußt werden kann. Ungefähr eineinhalb Stunden vor der erwarteten Aufwachzeit (z.B. durch den gestellten Wecker) beginnt die vermehrte Ausschüttung des Hormons, wodurch der Stoffwechsel langsam "angekurbelt" wird, um den Körper auf das Aufwachen vorzubereiten (Chronophysiologie). Unter Umständen funktioniert diese innere Uhr so gut, daß der Schläfer wenige Minuten vor dem eigentlichen Weckerklingeln von alleine aufwacht. Personen, die tagelang zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgestanden sind, haben Schwierigkeiten, ausnahmsweise einmal länger zu schlafen, da der ACTH-Anstieg weiterhin zur "gewohnten" Zeit beginnt und mit dem Erwachen zum "richtigen" Zeitpunkt endet.

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