Lexikon der Neurowissenschaft: ATP-Rezeptoren
ATP-Rezeptoren,Abk.ATPR, E ATP receptors, purine receptors, Membranrezeptoren, die das Purinnucleotid Adenosin-5'-triphosphat (ATP; Adenosintriphosphat) binden, das neben seiner Rolle als Energie-Donor im Zellstoffwechsel heute weitgehend als Neurotransmitter akzeptiert ist. ATP übt seine Wirkungen über eine spezielle Familie von Membranrezeptoren, die sogenannten P2-Rezeptoren aus ( siehe Zusatzinfo ). Hiervon zu unterscheiden sind P1-Rezeptoren, die durch das ATP-Abbauprodukt Adenosin aktiviert werden (Adenosinrezeptoren). Die P2(ATP)-Rezeptoren selbst zerfallen in 2 Unterfamilien mit jeweils weiteren Subtypen. P2Y-Rezeptoren (5 unterschiedliche humane Subtypen sind bis heute kloniert) sind typische G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (G-Proteine). Einige dieser P2Y-Rezeptor-Subtypen können nicht nur durch das Adeninnucleotid ATP sondern auch durch das Pyrimidinnucleotid Uridin-5'-triphosphat aktiviert werden. Sie vermitteln im Organismus so unterschiedliche Reaktionen wie Gefäßmuskelerschlaffung, Thrombocytenaggregation und Sekretion über das Epithel der Atemwege. Die zweite Unterfamilie sind die P2X-Rezeptoren, Ionenkanäle, die sich durch ATP-Bindung öffnen (ATP-Rezeptorkanäle, Abk. ATPRK). Das erste Gen für ein P2X-Protein wurde 1994 kloniert, heute sind 7 unterschiedliche Subtypen bekannt. Diese sind aus 399-595 Aminosäuren aufgebaut und besitzen alle zwei Zellmembran-durchspannende Regionen. Jeder dieser Subtypen kann für sich alleine, wenn er in sogenannten Nullzellinien (die selbst keine P2X-Rezeptoren besitzen) exprimiert wird, funktionelle homomere (nur aus einem Subtyp bestehende) Kationenkanäle bilden. Die Frage, aus wie vielen dieser Proteine ein einzelner ATPRK zusammengebaut wird, ist noch nicht endgültig geklärt. Es deutet sich aber an, daß Trimere aus 3 Proteinuntereinheiten genügen, um funktionelle Kanäle ausbilden zu können (nicotinische Acetylcholinrezeptoren sind dagegen z.B. Pentamere aus 5 Proteinuntereinheiten). Da viele Zellen gleichzeitig mRNA für verschiedene P2X-Subtypen exprimieren, ist anzunehmen, daß die ATPRK in der Natur wahrscheinlich mindestens als Heterotrimere (aufgebaut aus unterschiedlichen P2X-Subtyp Proteinen) vorliegen. ATP-Rezeptoren sind im Organismus weit verbreitet. Man findet sie unter anderem an Glattmuskelzellen von Blutgefäßen und Eingeweiden, an Nervenzellen, Drüsenzellen, im Nebennierenmark und an Immunzellen. Dementsprechend breit sind die ihnen zugeschriebenen Funktionen. Diese reichen von der Kontrolle der Gefäßmuskelspannung über die Fortleitung sensorischer Impulse bis zur Beeinflußung des Immunsystems.
Der ATP-Rezeptor P2X3, der unter anderem in Nervenzellmembranen vorkommt, scheint dort in der Wahrnehmung bestimmter Schmerzen eine wichtige Rolle zu spielen; so reagieren P2X3-knockout-Mäuse fast überhaupt nicht auf Schmerzen, die durch die Chemikalie Formalin induziert werden, und sind auch recht unsensibel gegenüber leichter Erwärmung der Haut, jedoch reagieren sie übersensitiv auf Hautentzündungen. Auch in dem Funktionskreis der Blasenentleerung scheint P2X3 eine Rolle zu spielen. Die Epithelzellschicht der Blase gibt ATP ab, wenn die Blase voll ist, woraufhin das Tier uriniert; die P2X3-knockout-Mäuse urinieren jedoch viel seltener als gesunde Mäuse, was darauf schließen läßt, daß der Rezeptor an der Induktion der Urinabgabe beteiligt ist.
ATP-Rezeptoren
Membranrezeptoren, über die ATP seine biologischen Wirkungen vermittelt, gehören zu einer Rezeptorfamilie, die ursprünglich als Purinozeptoren bezeichnet wurden. Nachdem sich herausstellte, daß einige der Familienmitglieder (s.u.) aber bevorzugt durch das Pyrimidinnucleotid Uridin-5'-triphosphat (UTP)und kaum durch ATP aktiviert werden, wurde der Begriff Purinozeptoren durch P-Rezeptoren ersetzt. Diese werden unterteilt in P1-Rezeptoren, an denen Adenosin stärker wirkt als ATP, und P2-Rezeptoren, an denen ATP und/oder UTP wirksamere Agonisten sind. – In den späten 70er Jahren entstand das Konzept, daß neben den P1-Rezeptoren separate Rezeptoren für ATP, P2-Rezeptoren, existieren müssen. Aufgrund der differentiellen Wirkungen von P2-Rezeptor-Agonisten wurden ab Mitte der 80er Jahre die Subtypen P2x-Rezeptoren, P2Y-Rezeptoren, P2z- oder ATP4-Rezeptoren und P2T- oder ADP-Rezeptoren unterschieden. Ferner wurden P2u-Rezeptoren, auch Pyrimidinrezeptoren genannt, beschrieben, die durch Uridin-5'-triphosphat und ATP gleichermaßen aktiviert werden. Die Erkenntnis, daß ATP seine biologischen Wirkungen über zwei unterschiedliche Signaltransduktionsmechanismen ausübt – Liganden gesteuerte Ionenkanäle und G-Protein gekoppelte Rezeptoren – zusammen mit der Klonierung der ersten P2-Rezeptoren (1993/94) führte Mitte der 90er Jahre zu einer Neuordnung der Terminologie: Unabhängig von ihren pharmakologischen Eigenschaften werden nun alle ATP-sensitiven Liganden-gesteuerten Ionenkanäle als P2X-, alle ATP (oder UTP)-sensitiven G-Protein gekoppelte Rezeptoren als P2Y-Rezeptoren bezeichnet.
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