Lexikon der Neurowissenschaft: Bahnmarkierung
Bahnmarkierung, axonales Tracing, Etracing,tract-tracing, Verfahren zur Darstellung von axonalen Verbindungen (Axon) im Zentralnervensystem. Um den Verlauf von Bahnen aus dem schier undurchdringlichen Filz von Nervenzell-Verbindungen optisch herauszulösen, gibt es neben den klassischen Färbemethoden am fixierten Hirngewebe (Golgi-Imprägnation, Markscheidenfärbung) sehr effektive Verfahren, die am lebenden Organismus einzusetzen sind ( siehe Abb. ). Bei einer schon im 19. Jahrhundert eingeführten tierexperimentellen Technik durchtrennt man am lebenden Tier die jeweils interessierenden Bahnverbindungen. Die Folge ist eine Degeneration der betroffenen Struktur sowohl distal als auch proximal der Läsionsstelle. Nach einer Überlebenszeit von 2 bis 3 Wochen wird die läsionsbedingte Degeneration färberisch dargestellt, heute vorwiegend mit der Versilberungstechnik nach Nauta und Gygax. Selektiv heben sich dabei die degenerierenden Fasern einschließlich der Ursprungszellen bis hin zu ihren Projektionsgebieten heraus. Die modernen Tracing-Techniken bieten dazu eine wichtige Alternative. Eine Möglichkeit zum Beispiel ist, Markierungssubstanzen (Etracer) mit einer feinen Pipette, eventuell unter elektrophysiologischer Kontrolle, direkt in das Perikaryon einer Nervenzelle zu injizieren. Mit der Zeit breitet sich die Markierungssubstanz über die gesamte Zelle aus, einschließlich ihrer Fortsätze, und ergibt so ein Gesamtbild der zellulären Architektur. Zur Markierung bevorzugt werden der Fluoreszenzfarbstoff Lucifer Yellow, das Enzym Meerrettichperoxidase und Biocytin, ein biotinyliertes Lysin ( siehe Abb. ). Eine andere Möglichkeit ist, die Markierungssubstanz extrazellulär in die Nähe der zu untersuchenden Strukturen zu bringen und zum Einbau die aktiven Aufnahmemechanismen der Zelle zu nutzen. Je nach Region, in die injiziert wurde, werden die Markierungssubstanzen vom Perikaryon oder von den Axonterminalen aufgenommen und entweder in Richtung auf die Axonterminalen (anterogrades Tracing), oder in Richtung zum Perikaryon (retrogrades Tracing) transportiert. Oft verwendet wird in diesen Fällen Meerrettichperoxidase, die an Lektine (histochemische Methoden) gekoppelt ist, zum Beispiel an das Leuko-Agglutinin (PHA-L) der Gartenbohne Phaseolus vulgaris für den anterograden oder das Weizenkeimagglutinin (WHA) für den retrograden Transport. Der Nachweis der Peroxidase erfolgt über die Diaminobenzidin-H2O2-Reaktion und kann auch für die elektronenmikroskopische Analyse (Elektronenmikroskop) genutzt werden.
Bahnmarkierung
Zusammenstellung von Tracing-Techniken:
Die Markierungssubstanz wird einer vorgeschalteten Nervenzelle extra- oder intrazellulär appliziert und breitet sich darin aus (anterogrades Tracing). Alternativ wird das Axon durchtrennt; durch distale Degeneration läßt es sich selektiv anfärben. Das Zielneuron kann durch retrogrades Tracing mit einer anderen Substanz markiert werden.
Bahnmarkierung
1 Nervenzellen im Corpus geniculatum mediale des Thalamus wurden mit Biocytin retrograd markiert (braun). Zellkerne und Nissl-Substanz benachbarter Zellen sind durch Methylenblau violett gefärbt.
2 Mit Biocytin braun markierte Nervenzellen des auditorischen Cortex der einen Großhirnhemisphäre projizieren über den Balken in den auditorischen Cortex der anderen Hemisphäre.
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