Lexikon der Neurowissenschaft: bakterielle Infektionskrankheiten
bakterielle Infektionskrankheiten w [Mehrzahl; von griech. bakterion = Stäbchen], E bacterial infectous diseases, durch eingedrungene Bakterien hervorgerufene Erkrankungen eines Organismus. Das Ausmaß der Erkrankung hängt dabei vom Ansiedlungsort der Erreger, von deren Menge und von ihren infektiösen (Übertragbarkeit, Haftfähigkeit, Eindringungsvermögen, Vermehrungsvermögen) und pathogenen Eigenschaften (Virulenz) ab sowie von der Empfänglichkeit des Makroorganismus, vorgegeben durch dessen Grundimmunität und seiner Reaktionsbereitschaft. Trotz des Schutzes, den die Blut-Hirn-Schranke dem Gehirn, dem Rückenmark und den dazugehörigen Hirnhäuten bietet, gelingt es einen Vielzahl von Bakterien, in diese Räume einzudringen. Die Infektion erfolgt meist durch Keimverschleppung auf dem Blutweg (hämatogen), durch Verletzungen (z.B. offene Schädelfrakturen) oder Übergreifen (Fortleitung) von Infektionen, z.B. aus den Nasennebenhöhlen oder dem Mittelohr. – Die bakterielle Meningitis (eitrige Entzündung der weichen Hirn- und/oder Rückenmarkshäute mit hohem Fieber und Nackensteifigkeit) wird durch Bakterien verschiedener Gattungen (z.B. Pneumokokken, Staphylokokken, Streptokokken, Meningokokken, Listerien, Enterobakterien, Mycobakterien) verursacht. Manche Vorerkrankungen prädestinieren zur Meningitis mit bestimmten Keimen; beispielsweise treten im Zusammenhang mit Infektionen des Hals-Nasen-Ohrenbereichs und Alkoholismus gehäuft Pneumokokken als Erreger auf, bei immunsupprimierten Patienten liegen oft Listerien oder Enterokokken vor (z.B. opportunistische Erkrankungen bei AIDS). In Mitteleuropa treten 5-10 Erkrankungsfälle pro 100000 Einwohner auf. Die Meningitiserkrankungen im Kindesalter haben durch die Einführung der Impfungen gegen das Bakterium Haemophilus influenza Typ B (HIB) in den letzten Jahren deutlich abgenommen, während die tuberkulöse Meningitis (hervorgerufen durch Mycobacterium tuberculosis) in Mitteleuropa wegen veränderter sozialer und ökonomischer Bedingungen wieder zunimmt. – Hirnabszesse (Abszeß), umschriebene Eiteransammlungen im Gehirn, bilden sich nach Entzündungen des Hirngewebes durch eingedrungene Krankheitserreger (Staphylokokken, Streptokokken). – Eine Streuung von Krankheitserregern, ausgehend von einem weitgehend abgekapselten, erregerhaltigen Krankheitsherd kann zu einer Herdencephalitis (Encephalitis) führen. Die embolische Herdencephalitis tritt beispielsweise durch die Verschleppung septischer Partikel und folgender Embolie der kleinen Hirngefäße als Komplikation einer Endokarditis (Entzündung der Herzinnenhaut durch Strepto- oder Staphylokokken) auf. – Unter dem Begriff Neurosyphilis faßt man die Spätformen der Syphilis mit Befall des Zentralnervensystems durch den Erreger Treponema pallidum zusammen, die 5-10% der unbehandelten Syphilispatienten ausbilden. Das durch die Zecke (Ixodes ricinus) übertragene Bakterium Borrelia burgdorferi verursacht die Lyme-Borreliose, eine Erkrankung, die unbehandelt auch zu neurologischen Symptomen (u.a. lymphocytäre Meningitis, Hirnnervenlähmung) führt. Clostridium tetani (Erreger des Tetanus) und Clostridium botulinum (Erreger des Botulismus) setzen Toxine frei, die die synaptische Übertragung (Synapsen) im motorischen Nervensystem durch Blockade der präsynaptischen Transmitterausschüttung beeinträchtigen. Beide Erkrankungen können tödlich enden. Des weiteren können Vertreter der Gattungen Brucella (Neurobrucellosen), Actinomyces, Nocardia, Legionella und das Whipple-Bakterium (Tropheryma Whippelii, Erreger des cerebralen Morbus Whipple) Erkrankungen des Nervensystems hervorrufen.
Sa.K.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.