Lexikon der Neurowissenschaft: Balken
Balkenm, Corpus callosum, Großhirnbalken, E callosal body, forebrain commissure, Struktur der weißen Substanz im Telencephalon der Wirbeltiere und des Menschen, durch die fast ausschließlich Axone(Neurofibrae commissurales) ziehen, die eine Punkt-zu-Punkt-Verbindung gleichartiger (homotoper) Rindenfelder der Großhirnrinde beider Hemisphären (Großhirnhemisphären) herstellen. Der Balken ist die größte Kommissur im Gehirn des Menschen ( siehe Zusatzinfo ). Man unterscheidet an der Ansicht im Mediosagittalschnitt das Rostrumcorporis callosi (das wie ein Schnabel aussieht und rostral gelegen ist), das Genu corporis callosi (Balkenknie), den Truncus corporis callosi (Stamm), welcher den größten Anteil am Balkenvolumen hat, und das Splenium corporis callosi (occipitales Endstück des Balkens). Der Balken erscheint bei allen Sagittalschnitten als eine weiße, balkenartige Struktur, die am Grund der Fissura longitudinalis cerebri (Längsfurche) liegt. Fasert man die Struktur vorsichtig und ohne Zuhilfenahme eines Messers ab, erkennt man einen Strahlenkranz von Fasern, die Balkenfasern(Balkenstrahlung, Radiatio corporis callosi). Die durch das Balkenknie(Genu corporis callosi) ziehenden Fasern verbinden als Forceps minor (kleine Zange) die beiden Frontallappen, die durch das Splenium (verdickter Endabschnitt) ziehenden Fasern als Forceps major (große Zange) die beiden Occipitallappen. Die Balkenfasern verbinden in der Mehrzahl als homotope interhemisphärische Fasern gleiche Cortexabschnitte und zu einem geringen Anteil als heterotope interhemisphärische Fasern unterschiedliche Cortexabschnitte der beiden Hemisphären. Im Balken können auch einige wenige Assoziationsfasern (Neurofibrae associationes) verlaufen. Identische Areale beider Hemisphären sind mitunter ungleich stark miteinander verknüpft. Es gibt auch Areale, die überhaupt nicht miteinander verbunden sind (z.B. somatosensorische Regionen von Hand und Fuß oder die Sehrinde). – Die funktionelle Bedeutung des Balkens besteht im Informationsaustausch (Reizübertragung) zwischen beiden Hemisphären. Auf diesem Weg können u.a. auch epileptische Anfälle auf die andere Hirnhälfte übergreifen und dort einen Spiegelfokus bilden. Daher wird der Balken gelegentlich operativ durchtrennt, um die Symptome einer anders nicht behandelbaren Epilepsie zu lindern. Bei solchen Split-Brain-Patienten kommt es keineswegs zu massiven neurologischen Nebenwirkungen. Andererseits ist die funktionelle Asymmetrie der Hemisphären unumstritten (Asymmetrie des Gehirns). Neuere Theorien gehen davon aus, daß die Reizübertragung mittels des Balkens modulierend auf die Reize der Gegenseite wirkt und so eine Hemisphärendominanz (cerebrale Dominanz) hergestellt wird. Rindenfelder.
Balken
Der Balken des Menschen enthält etwa 200 Millionen Axone. Zum Vergleich: Die gesamte visuelle Information, die unser Gehirn erreicht, wird über etwa 2 Millionen Axone, 1 Million pro Auge, ins Gehirn geleitet. Ein aussagekräftiger Index für die Hirnevolution ist das Verhältnis der Anzahl der Axone im Balken zu den Axonen, die durch den unteren Hirnstamm (Bulbus encephali; verlängertes Mark) ziehen. Dieser Calloso-bulbäre Index gibt an, um wieviel mehr oder weniger die Großhirnhemisphären untereinander kommunizieren, als das Gehirn für die Koordination der Körperfunktionen aufwendet. Er beträgt beim Menschen 3,12, beim Schimpansen 1,79, beim Elefanten 1,11, beim Delphin 0,93, beim Hund 0,89, beim Pferd 0,70, bei der Katze 0,67, und bei den Lemuren 0,32. Die Gehirne von Reptilien, Singvögeln und Beuteltieren haben keinen Balken.
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