Lexikon der Neurowissenschaft: Charcot-Marie-Tooth-Syndrom
Charcot-Marie-Tooth-Syndrom s, Charcot-Krankheit, Charcot-Marie-Tooth-Neuropathie,Charcot-Marie-Tooth-Hoffmann-Syndrom, Dystrophia musculorum neuralis,neurale Muskelatrophie, Tooth-Muskelatrophie, Abk. CMT, ECharcot-Marie muscular atrophy, nach den beiden französischen Neurologen Jean Martin Charcot und Pierre Marie (1853-1940) sowie dem englischen Arzt Howard Tooth (1856-1925) benannte Gruppe klinisch und genetisch heterogener Erkrankungen des peripheren Nervensystems. CMT hat eine Häufigkeit von 1:2500 und manifestiert sich klinisch durch fortschreitende Schwäche und Atrophie distaler Muskeln der oberen und unteren Extremitäten. Muskellähmungen und Spastik führen innerhalb einiger Jahre zum Tod. Heute wird das Charcot-Marie-Tooth-Syndrom zu den hereditären motorischen und sensiblen Neuropathien (Abk. HMSN) gezählt. – Mit Hilfe neurophysiologischer und histopathologischer Methoden unterscheidet man hauptsächlich drei Typen: 1) Charcot-Marie-Tooth-Syndrom Typ 1 (CMT1; hereditäre motorische und sensible Neuropathie I [HMSN I]) ist als die hypertrophische Form von CMT bekannt, weil bei peripheren Nervenbiopsien segmentweise enorme De- und Remyelinisierung nachgewiesen werden kann. 2) CMT Typ 2 (CMT2; HMSN II) ist die neuronale Form von CMT, die durch Axondegeneration ohne Demyelinisierung charakterisiert ist. 3) Daneben kennt man eine spinale Form von CMT (distale HMSN). – Bei etwa 10% der Patienten beruht die Muskelkrankheit auf autosomal dominanter Vererbung. Das Charcot-Marie-Tooth-Syndrom wird zudem X-gekoppelt rezessiv vererbt. Sowohl für CMT1 als auch CMT2 sind mehrere korrelierende Loci auf verschiedenen Chromosomen identifiziert worden, aber nur für wenige kennt man das Gen. Ein CMT1 verursachender Defekt liegt auf dem Chromosom 17 im Bereich 17p13.1-p11.1 (CMT1A-Locus). Dieser Abschnitt enthält das PMP22-Gen, das für ein 22 kDa großes transmembranäres Protein der Myelinschicht codiert. Seine Funktion ist noch nicht bekannt. Ebenso löst ein Defekt auf dem Chromosom 1 (1q22-q23; CMT1B-Locus) CMT1 aus. Dieser Chromosomenabschnitt enthält das MPZ-Gen, welches für das häufigste Protein des peripheren Myelins codiert. Man nimmt an, daß das transmembranäre MPZ-Protein als adhäsives Element zwischen den dichtgepackten Myelinschichten wirkt. Ein anderer Defekt liegt auf dem X-Chromosom im Bereich Xq13.1 (CMTX-Locus), wo das Gen für Connexin 32 liegt. Connexin 32 ist der Baustein für einen Kanal zwischen Nachbarzellen (gap junction), durch den Ionen und kleine Nährstoffe ausgetauscht werden. Erbkrankheiten (Tabelle).
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