Lexikon der Neurowissenschaft: chemische Kampfstoffe
chemische Kampfstoffe, chemische Kampfmittel,chemische Waffen, Echemical weapons, Kurzbezeichnung C-Waffen, giftige natürliche oder synthetische Substanzen, die als Waffen zur Verletzung oder Tötung von Tieren und Menschen eingesetzt werden können. Art und Anzahl der als chemische Kampfstoffe verwendbaren Substanzen sind groß. Zu den chemischen Kampfstoffen gehören wenig toxische Augenreizstoffe, aber auch hochgefährliche Nervenkampfstoffe und Psychokampfstoffe ( siehe Zusatzinfo ), genauso wie die natürlichen Pfeilgifte (Curare) und einfache Stoffe wie Chlor und Blausäure. Neuere Entwicklungen sind die sogenannten binären Kampfstoffe, die aus zwei nicht oder weniger toxischen Substanzen bestehen und erst bei Detonation oder Explosion miteinander zum toxischen Kampfstoff reagieren. Die meisten chemischen Kampfstoffe gelangen über die Atemwege oder die Haut in den Körper. – 1992 wurde durch die Genfer Abrüstungskonferenz der Vereinten Nationen das C-Waffen-Abkommen verabschiedet, das die Entwicklung, Herstellung, Beschaffung, den Besitz und die Anwendung chemischer Kampfstoffe verbietet. Der Vertrag trat am 29. April 1997 in Kraft. Nervengase, Neurotoxine, Tabun, Soman, Sarin.
chemische Kampfstoffe
Psychokampfstoffe:
Bei psychotoxischen chemischen Kampfstoffen handelt es sich um Substanzen, die zeitweilig psychische Anomalien auszulösen vermögen. Sie wirken bereits in extrem niedrigen Dosierungen, zur Vergiftung eines Menschen werden Milligramm- bis Mikrogramm-Mengen benötigt. Man kann differenzieren zwischen psychotomimetischen Stoffen, die Modellpsychosen auslösen, und psychotropen Stoffen, die die psychische Handlungsfähigkeit beeinträchtigen. Unter militärischen Gesichtspunkten bedeutsam sind Phenylglycolsäureester oder Benzilsäureester heterocyclischer Iminoalkohole, daneben wurden Lysergsäurederivate (LSD; Lysergsäurediethylamid), Tryptaminderivate und Cannabinolderivate (Cannabinoide) getestet. Munitioniert wurde das 3-Chinuclidinylbenzilat (BZ). Hauptsymptome einer BZ-Vergiftung sind auffallende Verwirrtheit, Desorientierung und psychomotorische Erregungen, daneben Halluzinationen verschiedener Art. Seine militärische Wirksamkeit ist wegen der unvorhersagbaren Wirkung zweifelhaft.
Nervenkampfstoffe:
Nervenschädigende phosphororganische chemische Kampfstoffe sind die derzeit bedeutsamsten Substanzen. Der erste Vertreter dieser Gruppe wurde 1936 in Deutschland von Schrader synthetisiert und war das militärisch heute weniger relevante Dimethylaminoethylcyanophosphat (Tabun). Hauptvertreter sind das 0-Isopropylfluormethylphosphonat (Sarin, GB), das 0-Pinacolylfluormethylphosphonat (Soman, GD) und die V-Kampfstoffe, von denen der militärisch bedeutsamste Vertreter 0-Ethyl-S-(N, N-diisopropylaminoethyl)-methylphosphonothiolat (VX) ist. Sarin dient wegen seiner relativ hohen Flüchtigkeit vorwiegend zur Luftraumvergiftung, VX ist dagegen ein seßhafter Kampfstoff besonders zur Geländevergiftung. Phosphororganische Nervenkampfstoffe werden sowohl inhalativ als auch – vor allem im Falle der V-Stoffe – über die Haut resorbiert. Das Vergiftungsbild wird primär bestimmt durch die Blockade der Acetylcholin-Esterase (Acetylcholin-Esterase-Hemmer). Dadurch wird der enzymatische Abbau des Neurotransmitters Acetylcholin unterbunden. Die Hauptsymptome sind: Herzfrequenz und -kraft sind herabgesetzt, Pupillen verengt (Miosis), die Blutgefäße des Herzens und der Bronchien verengt, diejenigen von Lunge, Haut und Muskulatur erweitert. Bei den zentralen Symptomen dominieren Krämpfe sowie die Lähmung des Atemzentrums, die dann meist die Todesursache ist (Atemstillstand). Zur Therapie werden direkte Cholinolytika (Anticholinergika; z.B. Atropin) eingesetzt, die die Wirkung des gebildeten Acetylcholinüberschusses durch kompetitive Konkurrenz am Acetylcholinrezeptor unterdrücken. Auch Reaktivatoren, die den Gift-Enzym-Komplex spalten, werden eingesetzt. – Neben synthetischen Produkten wurden einige natürliche Toxine, insbesondere mikrobielle und tierische Produkte, als militärisch bedeutsam angesehen (Sabotagegifte). Der wohl wichtigste Vertreter war das Botulinustoxin A, ein extrem toxisches Stoffwechselprodukt des Bakteriums Clostridium botulinum.
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