Lexikon der Neurowissenschaft: Chromosomopathien
Chromosomopathien, Echromosomal diseases, Fehlbildungen oder Entwicklungsstörungen, die durch Chromosomenanomalien numerischer (Genommutationen) oder struktureller (Chromosomenmutationen) Art verursacht sind. Im Gegensatz zu Genmutationen, bei denen nur ein Gen von der Veränderung betroffen ist, sind bei den Chromosomenanomalien viele Gene betroffen; meist ist die Chromosomenveränderung auch mikroskopisch erkennbar. – Numerische Chromosomenanomalien (abnorme Chromosomenzahlen) entstehen, wenn die homologen Chromosomen während der meiotischen Reifeteilung nicht richtig getrennt werden. Sind die Autosomen (alle Chromosomen außer den Geschlechtschromosomen) betroffen, so führt dies meist zu einer Fehlgeburt. Es sind nur drei Formen von Trisomien von Autosomen (ein Autosom ist in dreifacher Ausführung vorhanden) bekannt, deren Träger lebensfähig sind, doch gehen alle mit schweren geistigen und körperlichen Behinderungen einher: Trisomie 13 (Pätau-Syndrom), Trisomie 18 (Edwards-Syndrom) und die häufigste Trisomie 21 (Down-Syndrom). Bei der Trisomie 21 kommt es schon früh zu Veränderungen, die denen bei der Alzheimer-Krankheit ähneln. Auf dem 21. Chromosom wurde ein Gen identifiziert, das für das β-Amyloid-Vorläufer-Protein (β-APP) codiert, und dessen Mutation der Alzheimer-Krankheit zugrunde liegen könnte. Im Falle der Trisomie 21 liegt vermutlich ein gene-dosage-Effekt vor, wobei die erhöhte Produktion des β-APP durch das zusätzliche Allel auf dem dritten Chromosom für die Alzheimer-ähnlichen Symptome verantwortlich ist. – Ein überzähliges oder fehlendes Geschlechtschromosom verursacht in der Regel nur milde geistige und motorische Entwicklungsrückstände. Bei Frauen führt das Fehlen eines X-Chromosoms zum Ullrich-Turner-Syndrom, ein überzähliges X-Chromosom zum 3-X-Syndrom. Männer mit dem Klinefelter-Syndrom besitzen ein oder mehrere zusätzliche X-Chromosomen. Individuen mit überzähligen oder fehlenden ganzen Chromosomensätzen sind nicht lebensfähig. – Bei den Chromosomenaberrationen (auch Chromosomenmutationen oder -dislokationen genannt) werden mehrere Formen unterschieden: ein Chromosomenstück kann auf das gleiche oder ein anderes Chromosom verlagert sein (Chromosomentranslokation), ein Chromosomenstück kann verlorengegangen sein (Chromosomendeletion) oder ein Stück kann um 180° verdreht eingebaut sein (Chromosomeninversion). Derartige Veränderungen führen zu einer breiten Palette von Symptomen. Beispielsweise verursacht die teilweise Deletion des Chromosoms 5 das sogenannte Katzenschreisyndrom(Cri-du-chat-Syndrom, Lejeune-Syndrom), das mit Gesichts- und Schädelfehlbildungen (u.a. Mikrocephalie), Kehlkopffehlbildung und Rückstand des Bewegungssinnes einhergeht.
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